Essen-Stadtwald. Sieben historische Häuser in Essen-Stadtwald sollen nun doch nicht abgerissen, sondern saniert werden. Doch viele Mieter sind schon ausgezogen.

Der Abriss der rund 100 Jahre alten Häuser an der Angerstraße in Essen-Stadtwald ist vom Tisch. Die städtische Wohnungsgesellschaft Allbau hat die Häuser gekauft und will sie renovieren. Das ist die gute Nachricht für die Anwohner, die viele Jahre für den Erhalt ihres Zuhauses und der kompletten Eyhof-Siedlung gekämpft hatten.

Allerdings: Die gute, gewachsene Nachbarschaft an der Angerstraße, die die Bewohner so schätzten, ist längst Vergangenheit. Viele haben die Unsicherheit der letzten Jahre offenbar nicht mehr ertragen und sind weggezogen. Läuft man die Angerstraße am Rande der Eyhof-Siedlung entlang, schaut man in viele leere Fenster. Auf den Klingelschildern der Häuser stehen oft nur noch ein bis zwei Namen.

Viele der Nachbarn sind schon aus den Häusern in Essen-Stadtwald ausgezogen

Ende 2019 hatte der damalige Eigentümer, das Oberhausener Wohnungsunternehmen GE-WO Osterfelder, angekündigt, die sieben Mehrfamilienhäuser mit 34 Wohnungen und zehn Garagen an der Angerstraße 17-29 abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Das hatte für Entsetzen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Eyhof-Siedlung gesorgt, die ihre Heimat nicht verlieren wollten. Viel Kritik an den Abrissplänen gab es auch von Architekten und dem Arbeitskreis Essen 2030, die um das symmetrisch gestaltete städtebauliche Ensemble fürchteten.

Damals gründete sich eine Bürgerinitiative, die für den Erhalt der Siedlung in ihrer Gesamtheit kämpfte und per Online-Petition Unterschriften sammelte. Im September 2023 war ein Teilziel erreicht: Der Rat beschloss eine sogenannte Erhaltungssatzung, die den Abriss von Häusern zumindest erschweren würde.

Schweren Herzens hat Werner Weber sein Zuhause an der Angerstraße verlassen. Inzwischen hat er sich aber in seiner neuen Wohnung auf der Margarethenhöhe eingelebt.
Schweren Herzens hat Werner Weber sein Zuhause an der Angerstraße verlassen. Inzwischen hat er sich aber in seiner neuen Wohnung auf der Margarethenhöhe eingelebt. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Einer der Mieter, die sich besonders für den Erhalt der Häuser eingesetzt haben, ist der langjährige Bewohner Werner Weber, der eigentlich seinen Lebensabend in der Siedlung verbringen wollte. Im Herbst 1998 war er nach vielen Umzügen an die Angerstraße gezogen, dort sesshaft geworden. Dass die alten Häuser gerettet und saniert werden sollen, erfährt Weber allerdings schon in seinem neuen Domizil. Der 74-Jährige ist zu Beginn des Jahres umgezogen, hat ein neues Zuhause in den Neubauten der Margarethe-Krupp-Stiftung am Lehnsgrund auf der Margarethenhöhe gefunden.

Essener hatten jahrelang um den Erhalt der Häuser gekämpft

„Ich freue mich natürlich für alle, die so lange gekämpft haben, die so viel Engagement gezeigt und Stehvermögen bewiesen haben, dass das Ganze jetzt erstmal ein gutes Ende gefunden hat“, sagt er. Das sei ein Beweis dafür, dass man mit Hartnäckigkeit und entsprechender Unterstützung als Bürger sehr wohl etwas erreichen könne. Dennoch werde es an der Angerstraße nicht mehr sein wie früher: Ein Großteil der alten Bewohner sei schon weggezogen wie er selbst. Dabei habe man dort nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch die gewachsene Nachbarschaft geschätzt.

Werner Weber ist froh, dass der strapaziöse Umzug hinter ihm liegt und er sich gut eingelebt hat. Er habe eine schöne, barrierefreie Wohnung mit Terrasse gefunden, schaue direkt auf das angrenzende Waldstück. „Unsere Wohnungsgenossenschaft, der die Häuser in Stadtwald gehörten, hatte selten ein offenes Ohr für uns, hat uns nicht in die Planungen einbezogen“, zeigt er seine Enttäuschung über den Umgang mit den Bewohnern in der Eyhof-Siedlung. Zuletzt habe er sich förmlich „herausgeekelt“ gefühlt. Das Klima, der persönliche Kontakt mit dem Vermieter, sei jetzt völlig anders.

„Am Ende war der Umzug zur Margarethenhöhe für mich ein Glücksfall, auch wenn ich eigentlich gern in der Eyhof-Siedlung gelebt habe“, sagt Weber. Allerdings zahle er jetzt mehr Miete, „aber das gibt mein Budget noch so gerade her. Notfalls werden die Urlaube kürzer oder fallen ganz aus.“

Während sich Werner Weber schweren Herzens vom alten Zuhause getrennt hat, ist Mona S. (ihr vollständiger Name ist der Redaktion bekannt) geblieben. Die heute 56-Jährige war vor neun Jahren mit ihren drei Söhnen in die Eyhof-Siedlung gezogen, war damals als Alleinerziehende froh, bezahlbaren Wohnraum gefunden zu haben. „Anfangs hatte ich dort ein gutes Gefühl“, sagt Mona S.

Hoffnung auf einen Neustart nach der Sanierung der Häuser in Essen-Stadtwald

Im Laufe der Jahre seien die Häuser aber nicht mehr so gepflegt worden, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. Die Mieterin ist froh, dass der Fortbestand der Häuser und der historischen Siedlung als Ganzes jetzt gesichert ist – auch dank einer Nachbarin, die ihr Fachwissen über die besondere Architektur immer wieder eingebracht habe.

Inzwischen lebt Mona S. allein. Sie würde sich gern kleiner setzen und hofft, dass sich vielleicht im Zuge der geplanten Sanierungsmaßnahmen die Möglichkeit zum Umzug in eine kleinere Wohnung ergibt. Sie bedauert, dass viele der Bewohner, die zum Teil sehr lange dort gelebt hätten, nun weggezogen seien. „Immer, wenn ich beim Vorbeigehen Sperrmüll vor den Häusern sah, hat mich das traurig gestimmt.“

Dass es noch zwölf Namen auf den Klingelschildern gebe, täusche. „Ich schätze, dass vielleicht noch sechs Parteien in den Häusern an der Angerstraße wohnen“, sagt sie und hofft, dass sich die bisherigen Mieter, die vielleicht zurückkehren wollen, sich die Wohnungen auch nach der angekündigten Sanierung noch leisten können. „Mit den Grünflächen hinter den Häusern ist das Umfeld ja gerade für Familien gut geeignet“, findet Mona S. und bedauert, dass die großen Spielgeräte bereits abgebaut sind. Ende August wolle die neue Eigentümerin, die Allbau GmbH, die Mieter über das weitere Vorgehen informieren.

Politiker werten den Erhalt der Häuser als Erfolg für die engagierten Essener

Dass die Häuser erhalten bleiben sollen, findet auch bei Politikern Zustimmung. Sven Köhler, CDU-Ratsherr aus Stadtwald: „Der Kauf der stadtbildprägenden Gebäude durch den kommunalen Wohnungsanbieter Allbau ist sinnvoll und richtig.“ Allbau komme mit dem Ankauf der Häuser seiner Aufgabe, einer ganzheitlichen Entwicklung von Stadtteilen, nach. „Die durch den Allbau geplante Sanierung der Gebäude erfreut mich als Stadtwälder Bürger besonders. Da, wo es möglich und finanziell darstellbar ist, sollten wir alte Bausubstanz erhalten.“

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Köhler freut sich über die Zusage des Allbau-Geschäftsführers, dass während der Sanierung für die verbleibenden Mieter verträgliche Lösungen gefunden werden sollen. „Die CDU würde es begrüßen, wenn nach der Sanierung die in der Vergangenheit vertriebenen Mieter bevorzugt Mietangebote erhalten..“

Der geplante Abriss der Häuser an Angerstraße hätte bedeutet, dass die Symmetrie der Eyhof-Siedlung beeinträchtigt worden wäre.
Der geplante Abriss der Häuser an Angerstraße hätte bedeutet, dass die Symmetrie der Eyhof-Siedlung beeinträchtigt worden wäre. © FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Für den Erhalt der kompletten Eyhof-Siedlung, auch unter dem Aspekt, bezahlbaren Wohnraum im Essener Süden zu sichern, hatte sich Wolfgang Freye von der Partei Die Linke engagiert. „Manches braucht etwas länger, um gut zu werden. In jedem Fall ist es eine ausgezeichnete Nachricht, dass der Allbau die Häuser an der Angerstraße gekauft hat. Wir freuen uns sehr darüber, dass die Initiative für den Erhalt der Eyhof-Siedlung damit einen vollen Erfolg verbuchen kann“, so Freye.

Der Erhalt der Häuser sei erklärtes Ziel des Allbau, sie könnten und sollten energetisch saniert werden – was die GE-WO und auch so mancher in der Politik lange für unmöglich gehalten habe, so Freye weiter. Dabei sollte aus Sicht der Linken auch geprüft werden, ob und wie Wohnraumfördermittel in Anspruch genommen werden können.

Der Wohnraum soll auch nach der Sanierung bezahlbar bleiben

Auch SPD-Ratsherr Philipp Rosenau plädiert dafür, Fördermöglichkeiten auf Landesebene zu prüfen, auch wenn aufgrund der Lage eine klassische Barrierefreiheit wohl nicht möglich sein werde. „Wichtig ist, dass es dort weiter bezahlbaren Wohnraum geben wird.“ Er wünscht sich, dass generell ein Umdenken in Sachen Wohnungsbau stattfindet und nicht mehr automatisch der meistbietende Investor den Zuschlag erhält. Die Stadt müsse künftig mutiger sein und bei Bauprojekten viel stärker ihre Steuerungsmöglichkeiten nutzen, das zeige das aktuelle Beispiel Eyhof-Siedlung.

Der Fall habe gezeigt, dass man mit bürgerschaftlichem Engagement durchaus etwas erreichen könne.

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