Essen. Ob in Deutsch, Mathe oder Sport: Immer mehr Kinder und Jugendliche haben Probleme in der Schule. Wieso das auch am Handykonsum der Eltern liegt.

Nordrhein-Westfalen ist in das neue Schuljahr gestartet. Doch das dürfte für viele Schülerinnen und Schüler alles andere als leicht werden. Ob Probleme mit der deutschen Sprache, beim Rechnen oder der Körperkoordination: Expertinnen und Experten warnen, dass immer mehr Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten im Schulalltag haben. Woran liegt das? Und wie kann ihnen geholfen werden? Darüber hat Sophie Sommer mit Hubertina Falkenhagen gesprochen. Sie leitet die Schulberatungsstelle in Essen.

Wie blicken Sie auf das gerade gestartete Schuljahr?

Hubertina Falkenhagen: Mit gemischten Gefühlen. Wir sehen täglich, wie viele engagierte pädagogische Fachkräfte an unseren Schulen arbeiten und mit wie viel Herzblut sie dabei sind. Gleichzeitig machen wir uns Sorgen um ebendiese Fachkräfte, weil sie sich mittlerweile so vielen Herausforderungen stellen müssen, dass viele an ihre Grenzen geraten. Das merken wir auch daran, dass unsere Beratungsanfragen zunehmen.

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Es gehen also mehr Kinder und Jugendliche zum Schulpsychologen?

Ja. Wir beraten sowohl mehr in Bezug auf Fragen zu den Kindern und Jugendlichen als auch in Bezug auf den Umgang mit den Belastungen der Erwachsenen. Das liegt zum einen eben an der Situation der pädagogischen Fachkräfte, die sich nicht um alles allein kümmern können. Zum anderen aber auch daran, dass sich die Schülerschaft verändert hat.

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Was macht die Schülerschaft heute aus?

Die allgemeinen gesellschaftlichen Krisen und Herausforderungen belasten auch die Schülerinnen und Schüler. Sie versuchen, irgendwie damit klarzukommen. Ganz viel wird dabei schon in den Familien gut aufgefangen. Aber eben nicht alles und auch nicht bei allen Kindern und Jugendlichen. Und wir merken auch heute noch die Folgen der Corona-Pandemie.

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Inwiefern?

Das betrifft insbesondere zwei Altersgruppen, die es zu der Zeit sehr schwer hatten. Das sind auf der einen Seite die damals Jugendlichen, deren Entwicklungsbedarf es eigentlich gewesen wäre, Grenzen auszutesten und sich von den Eltern abzugrenzen. Stattdessen waren sie gezwungenermaßen zuhause mit ihrer Familie. Auf der anderen Seite die jüngeren Kinder, die wegen der vielen Schließungen kaum Erfahrungen in der Kita sammeln konnten. Sie hatten oft nur wenig Kontakt zu Gleichaltrigen und hatten zu wenig Gelegenheit zu lernen, wie es ist, sich in einer Gruppe zurechtzufinden und die eigenen Bedürfnisse auch mal zurückzustellen. 

Essen. Dr. Hubertina Falkenhagen, Schulpsychologin der regionalen Schulberatungsstelle
Hubertina Falkenhagen leitet die Schulberatungsstelle in Essen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das zeigt sich dann auch im Klassenzimmer?

Auf jeden Fall. Die Erstklässlerinnen und Erstklässler bringen andere Grundvoraussetzungen mit als vor der Pandemie, sind zum Teil auch weniger selbstständig.

Wie können Sie als Schulpsychologinnen und Schulpsychologen da helfen?

In der Regel melden sich die Lehrkräfte, wenn sie sehen, dass ein Schüler oder eine Schülerin Hilfe braucht. Manchmal geht es aber auch von den Eltern selbst aus, wenn sie merken, dass ihr Kind zum Beispiel große Schwierigkeiten in einem Fach hat, gemobbt wird oder Angst vor der Schule hat. Wir hospitieren dann oft in der Klasse, um uns selbst ein Bild zu machen. Am wichtigsten ist es aber, gemeinsam zu überlegen, was die Lehrkraft und die Eltern tun können. Sie sind schließlich die relevanten Bezugspersonen für die Kinder. Wenn sie in ihrem Verhalten etwas verändern, dann bewirkt das meist auch sofort eine Veränderung beim Kind. 

Angenommen, mein Kind hat große Schwierigkeiten in Mathe. Was kann ich als Elternteil tun?

In der Beratung gucken wir zuallererst, wo das Kind steht. Was kann es schon? Wo hat es noch Schwierigkeiten? Das Ziel ist es, diese Wissenslücke zu identifizieren. Im nächsten Schritt beraten wir dann die Lehrkraft und die Eltern, wie sie das Kind bei seinem konkreten Problem unterstützen können. Dabei ist es wichtig, zunächst einmal solche Aufgaben auszuwählen, die eine Erfolgsgarantie geben. Häufig sind es aber auch allgemeine Sachen, die dem Kind im Schulalltag helfen. Also öfter mal zusammen zu lesen. Lesen und schreiben zu können, ist schließlich die Grundlage für alles. Dabei sollten Eltern sich klarmachen, dass sie in allem ein Vorbild sind. Daher öfter mal ein Buch in die Hand nehmen, statt das Handy.

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Besteht nicht auch die Gefahr, dass Eltern zu viel Druck aufbauen?

Eltern haben häufig eine gute Intention: Sie wollen das Beste für ihr Kind. Egal, ob es darum geht, auf welche weiterführende Schule es kommt oder wie gut es seinen Abschluss macht. Häufig stecken da eigene Ängste und Sorgen hinter und der Wunsch, dass das Kind die allerbesten Chancen bekommen soll. Aber zu viel Druck erzeugt immer Widerstand. Und der kann sich dann nach innen richten, indem das Kind sich zum Beispiel zurückzieht, oder nach außen, indem es auffällig in der Klasse wird. 

Gibt es auch Fälle, bei denen Sie nicht mehr weiterkommen?

Wir können immer nur beraten, anregen, Orientierung und Tipps geben. Aber manchmal brauchen Schülerinnen und Schüler noch andere Hilfe. Wenn die Situation zum Beispiel in der Familie schwierig ist, reicht es nicht aus, wenn nur die Lehrkraft sich anders verhält. Dann braucht es andere, professionelle Unterstützung. Unsere Aufgabe ist es auch, diese dann zu vermitteln.

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