Düsseldorf. Die Landesregierung hat die amtsärztliche Untersuchung der Erstklässler-Generation in NRW ausgewertet. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.

Bei einer erheblichen Zahl an Erstklässlern in Nordrhein-Westfalen hegen Amtsärzte offenbar Zweifel an der Schulreife. Wie das NRW-Schulministerium auf SPD-Anfrage im Landtag bekanntgab, mussten im Sommer 2023 rund 5700 Kinder nach der Schuleingangsuntersuchung zurückgestellt werden.

Bei landesweit jedem dritten der insgesamt etwa 160.000 kommenden Erstklässler, von denen Untersuchungsergebnisse vorliegen, wurden Auffälligkeiten in der altersgerechten Sprachentwicklung festgestellt. In einer Stadt wie Duisburg mit hohem Migrationsanteil war es hier sogar mehr als jedes zweite Kind, dessen Sprachkompetenz problematisch ist. Mehr als zehn Prozent der kommenden Erstklässler in NRW hatten Probleme mit der Merkfähigkeit, bei 17 Prozent gab es Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen. Schwierigkeiten mit der Körperkoordination wiesen gut neun Prozent der Kinder auf.

Landesweit jeder dritte NRW-Erstklässler hat sprachliche Probleme

Die Datensätze für den aktuellen Erstklässler-Jahrgang, der in dieser Woche eingeschult wird, liegen der Landesregierung dagegen noch nicht vor. In NRW muss in der Regel jedes Kind, das bis zum 30. September sechs Jahre alt wird, im selben Jahr eingeschult werden. Über eine Zurückstellung entscheidet die Schulleitung nach Rücksprache mit den Eltern maßgeblich auf Basis des zuvor erstellten amtsärztlichen Gutachtens.

Zurzeit bereitet NRW ein landesweites „Screening“ für die Grundschulanmeldung vor. „Wir wollen systematisch den Sprachstand aller Kinder erfassen, um Probleme schon vor der Einschulung zu identifizieren“, erklärte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) kurz vor dem Start ins Schuljahr. Das Schulministerium erprobe in diesem Jahr ein digitales Screening-Verfahren an 130 Grundschulen. Wenn der Test erfolgreich ist, soll das Werkzeug im Herbst 2025 allen Grundschulen bei der Anmeldung der Schulkinder zur Verfügung stehen.

NRW hat ein vergleichsweise niedriges Einschulungsalter

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Çelik, befürchtet, das angekündigte „Sprachstand-Screening“ laufe „ins Leere“, weil es in Schulen und Kitas kein Personal gebe, das die bei den Kindern festgestellten Defizite korrigieren könne. Die Eltern könnten dafür nicht herangezogen werden.

Über das Einschulungsalter und die Möglichkeit einer Zurückstellung bei festgestellten Entwicklungsdefiziten wird in NRW seit Jahren gerungen. 2006 hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition zunächst beschlossen, Kinder deutlich früher einzuschulen. Damals hieß es, deutsche Schul- und Hochschulabsolventen seien im internationalen Vergleich zu alt. 2010 kippte die rot-grüne Minderheitsregierung das weitere Vorziehen des Einschulungsalters und verwies auf zahlreiche Experten, die wieder für eine längere Verweildauer im Kindergarten plädierten. NRW liegt mit einem Einschulungsalter von mindestens 5 Jahren und zehn Monaten heute im Bundesvergleich am unteren Limit.