Düsseldorf. Die Personaldecke in den Schulen in NRW ist dünn. Lehrermangel wurde zum Normalzustand. Nun scheint sich aber etwas zu ändern.

Die im Dezember 2022 begonnenen Maßnahmen im Kampf gegen den Lehrkräfte- und Personalmangel an Schulen in NRW scheinen zu wirken. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) berichtete am Freitag, dass in den Schulen in NRW aktuell etwa 7000 Menschen mehr arbeiteten als noch vor eineinhalb Jahren.

„Wir sind auf dem richtigen Weg, und der positive Trend wird sich weiter fortsetzen“, sagte Feller. „In einer Zeit der Fachkräftemangels gelingt es uns, mehr Menschen ins System Schule zu bringen.“

Lehrermangel abgeschwächt: Zusätzlich 5300 Stellen für Fachkräfte und 1500 für Alltagshelfer seit Ende 2022

Allein 5300 Stellen hätten seit Ende 2022 zusätzlich mit Lehrerinnen und Lehrern sowie Fachkräften wie Sozialpädagogen besetzt werden können. Dahinter verbergen sich Feller zufolge aber mehr Köpfe, denn nicht alle zusätzlichen Kräfte arbeiteten in Vollzeit. Hinzu kommen laut der Ministerin rund 1500 Alltagshelferinnen und -helfer vor allem an Grundschulen. Sie entlasteten dort die Lehrkräfte von nicht pädagogischen Tätigkeiten.

Dorothee Feller nennt diese Zahlen „ermutigend“. Die Opposition hält ihr entgegen, der positive Trend sei unter Schmerzen erkauft. „Das System der Abordnungen und die Restriktionen bei der Teilzeit sind und bleiben Flickschusterei. Zumal es sich bei den heute vorgestellten 5.300 Stellen mitnichten nur um Lehrkräfte handelt“, sagte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Dilek Engin. Auf diese Weise werde die Landesregierung nur „schleichend und mit Verletzungen“ das Ziel einer besseren Unterrichtsversorgung erreichen.

Kritiker erinnern an schmerzhafte Maßnahmen wie Abordnungen und weniger Teilzeit

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW reibt sich an den Einschränkungen bei der Teilzeit und an den Lehrkräfte-Abordnungen an Schulen mit Personalmangel. „Die Gefahr ist groß, Lehrkräfte durch diese Maßnahmen zu verlieren. Ziel sollte es aber sein, die bestehenden Lehrkräfte zu halten und zu stärken und junge Menschen für das Lehramt zu begeistern“, fordert Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE.

Die Landesregierung hält dem entgegen, dass Teilzeit zwar eingeschränkt, aber nicht abgeschafft worden sei. Zudem seien nicht alle abgeordneten Lehrkräfte unzufrieden

„Wir sind auf dem richtigen Weg, und der positive Trend wird sich weiter fortsetzen“: Dorothee Feller (CDU), NRW-Schulministerin, am Freitag im Landtag.
„Wir sind auf dem richtigen Weg, und der positive Trend wird sich weiter fortsetzen“: Dorothee Feller (CDU), NRW-Schulministerin, am Freitag im Landtag. © DPA Images | Henning Kaiser

Weitere Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel stehen kurz bevor

Das vor eineinhalb Jahren begonnene „Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung“ soll zum neuen Schuljahr um weitere Maßnahmen ergänzt werden. So sollen Alltagshelferinnen und Alltagshelfer nicht nur, wie bisher, an Grund- und Förderschulen, sondern auch in den fünften und sechsten Klassen der Haupt- und Realschulen arbeiten können.

Die nächsten detaillierten Zahlen zur Personalausstattung an den Schulen sollen Anfang Juni vorliegen. Nach Angaben des NRW-Schulministeriums waren Mitte 2023 an den öffentlichen Schulen in NRW etwa 6700 Lehrkräfte-Stellen unbesetzt. Ministerin Feller geht davon aus, dass diese Zahl in einem Jahr um rund 400 gesunken sein dürfte. Im bevölkerungsreichsten Bundesland gibt es rund 5400 Schulen.

Gelingt der Kampf gegen den Lehrkräftemangel? Die Messlatte liegt hoch

An dieser Frage wird sich NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) spätestens 2027 messen lassen müssen: Gelingt es ihr, den dramatischen Lehrkräftemangel spürbar abzufedern? Am Freitag zog sie eine Zwischenbilanz zu ihrem Ende 2022 eingeleiteten Maßnahmenpaket. Und die fiel besser aus als von vielen erwartet.

Die Messlatte liegt hoch. Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen steht: „Wir wollen 10.000 zusätzliche Lehrkräfte in das System Schule bringen.“ Lehrkräfte, wohlbemerkt. Nicht Psychologen, Sozialarbeiter oder Assistenten. Die Ministerin wiederholte am Freitag im Landtag Sätze, die sie immer sagt, wenn sie auf dieses Thema angesprochen wird: „Der Lehrkräftemangel wird nicht von heute auf morgen zu beheben sein. Es handelt sich um einen Marathonlauf, es geht nur Schritt für Schritt.“ Allerdings scheint sie im „Marathonlauf“ eine recht gute Zwischenzeit hinzulegen.

Wie ist die Lage?

Kurz zusammengefasst: Es gibt mehr Personal an den Schulen. 7000 Beschäftigte sollen in den vergangenen eineinhalb Jahren dazu gekommen sein. Das sind allerdings nicht nur Lehrerinnen und Lehrer. Hinter 5300 zusätzlichen und besetzten Stellen steht auch eine von der Ministerin nicht genau bestimmte Zahl an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie anderen Fachkräften. Hinzu kommen etwa 1500 Alltagshelferinnen und Alltagshelfer, die die Lehrkräfte entlasten sollen. Die Daten aus dem Schulministerium lassen nur eine sehr grobe Schätzung zu: Unter den 7000 zusätzlichen Beschäftigten in den Schulen dürften etwa 4000 ausgebildete Lehrkräfte sein, vielleicht auch mehr.

Was unternimmt NRW gegen den Lehrkräftemangel?

Das „Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung“ wurde im Dezember 2022 aufgelegt und umfasste zum Start 19 Maßnahmen. Dazu zählte ein leichterer Seiteneinstieg in den Lehrberuf, schnellere Anerkennung von ausländischen Lehrkräften, die bessere Besoldung von verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern in Grundschulen und in der Sekundarstufe 1. Besonders umstritten sind Maßnahmen wie die Einschränkung von Teilzeitarbeit und die vorübergehende „Abordnung“ von Lehrkräften in Schulen, die stark unterbesetzt sind.

Sind weitere Maßnahmen geplant?

Ja. Zum Beispiel werden Alltagshelferinnen und Alltagshelfer ab dem Schuljahr 2024/25 auch in den 5. und 6. Klassen der Haupt- und Realschulen eingesetzt. Bisher gibt es sie in Grund- und Förderschulen.

Die Hinzuverdienstgrenze für Beamte wird um weitere fünf Jahre bis Ende 2029 ausgesetzt. Das soll pensionierten Lehrerinnen und Lehrern einen Anreiz bieten, wieder zu unterrichten. Derzeit gebe es 1543 Lehrkräfte in NRW, die aus dem Ruhestand zurück an eine Schule gingen, so die Regierung.

Außerdem wird der Seiteneinstieg in das Lehramt für Sonderpädagogik erleichtert: Fachkräfte, die kein Lehramtsstudium gemacht haben, können einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst für Sonderpädagogik absolvieren.

Ist das Thema Abordnung von Lehrkräften noch wichtig?

Absolut. Aktuell sind von den Bezirksregierungen knapp 9300 Lehrkräfte von ihrer Stammschule für zwei Jahre an eine andere Schule geschickt worden, fast die Hälfte davon an Grundschulen. Damit habe sich die Zahl der Abordnungen an unterversorgte Schulen in einem Jahr um fast 1200 erhöht. Laut dem Schulministerium ist das ein Plus von 13 Prozent. „Mir ist bewusst, dass Abordnungen nicht überall auf Zustimmung stoßen und auch Belastungen darstellen“, sagte Feller. Es gebe aber auch positive Rückmeldungen. Zum Beginn des nächsten Schuljahres werde es weitere Abordnungen geben.

Was sagen Lehrergewerkschaften?

Sie erinnern an die aus ihrer Sicht oft schlechten Arbeitsbedingungen von Lehrkräften. „Letztes Schuljahr haben 930 Lehrkräfte ihr Dienstverhältnis gekündigt und der Schule den Rücken gekehrt. Es ist fatal, dass Menschen, die bereits im System sind, das Handtuch werfen, weil die schlechten Arbeitsbedingungen und die Überlastung sie dazu nötigen“, sagte Ayla Çelik, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dieser Redaktion.

Abordnungen und Einschränkungen bei der Teilzeit seien nicht geeignet, um Menschen für den Lehrberuf zu begeistern, warnen die Gewerkschaften. Solche Maßnahmen sorgten nur für Frust und Unruhe, warnte Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Was sagt die Opposition?

Die Schulexpertin der SPD im Landtag, Dilek Engin, wirft der Landesregierung vor, nichts Grundsätzliches am Schulsystem verändern zu wollen. „Alle wissen längst, dass Bildung ein Update braucht: durch entschlackte Lehrpläne, moderne Prüfungsformate und Unterrichtsformen wie zum Beispiel den ,Freiday‘ und mehr Freiraum für die Lehrkräfte“, so Engin

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