Essen-Kupferdreh. Rainer Busch hat zum 150. Geburtstag von Essen-Kupferdreh ein Buch geschrieben. Er deckt bisher unbekannte und falsch überlieferte Fakten auf.

Der Kupferdreher Historiker Rainer Busch legt ein neues Heimatbuch vor. Anlass ist der näher rückende 150. Geburtstag des Stadtteils. Bei seinen Recherchen deckte der 75-Jährige bisher unbekannte oder auch falsch überlieferte Fakten auf. Hierbei halfen Online-Recherchen im Portal „zeit.punktNRW“ und Busch schwärmt: „Einblicke in diese riesigen Zeitungsbestände brachten sehr viele neue Erkenntnisse über die Kupferdreher Vergangenheit, die bisher einfach nicht erforscht waren oder zum Teil auch falsch überliefert wurden.“ Das 230 Seiten umfassende Buch ist reich bebildert und wird ab Herbst im Kupferdreher Buchhandel erhältlich sein.

Vor allem aber möchte Busch aufmerksam machen auf ein historisches Ortsjubiläum, das nur wenigen Mitbürgern präsent zu sein scheint: „Am 15. Januar 1875 wurde aus den Honnschaften Hinsbeck und Rodberg die Gemeinde Kupferdreh gebildet. Es wäre schön, wenn die Kupferdreher dieses Datum zum Anlass nehmen würden, endlich einmal wieder richtig miteinander zu feiern.“

Einstiger Name von Essen-Kupferdreh ergab sich aus „an der Kupperdrehe“

Vor gut 130 Jahren hätte man das zünftig mit „Pieperbeck’s Ruhrperlen“ tun können, für die die Dampf-Kornbranntwein-Brennerei von Wilhelm Pieperbeck in der Essener Volkszeitung vom 4. November 1893 kräftig Werbung machte: „Feinster, alter Korn. Bester Ersatz für Cognac.“ Nachzulesen im neuen Buch.

Der Essener Historiker Rainer Busch veröffentlicht ein neues Heimatbuch anlässlich des 150. Geburtstages von Kupferdreh.
Der Essener Historiker Rainer Busch veröffentlicht ein neues Heimatbuch anlässlich des 150. Geburtstages von Kupferdreh. © FUNKE Foto Services | Pollklaesener

Der offizielle Name der neuen Gemeinde ergab sich aus „an der Kupperdrehe“, einer gefährlichen Stelle an der Ruhr. Abgeleitet vom in der Nähe befindlichen „Kupferhammer“ und von einem scharfen Knick des Flusses, der sogenannten „Drehe“. Die Bezeichnung wurde bereits 1830 beim Bau der Prinz-Wilhelm-Eisenbahn für eine Haltestation verwendet und ab 1855 für die hier angesiedelte Postexpedition.

Essener Historiker greift bei der Recherche auf alte Ansichtskarten zurück

Ein bereits bestehendes Gebäude wurde ausgebaut zum Gemeindehaus, so Busch: „Erst stand hier ein schmales Haus, welches 1875 zur einen Seite hin und 1896 zur anderen Seite und nach hinten ausgebaut wurde.“ Damals verlief die Hauptstraße noch vor der Haustür, mittlerweile ist die hinterm Haus verlaufende Kupferdreher Straße die zentrale Achse.

Die Wirtschaft Schwamborn in Essen-Kupferdreh um 1900: Das ist das weiße Haus, das noch links von der Einfahrt Deipenbecktal an der Langenberger Straße steht.
Die Wirtschaft Schwamborn in Essen-Kupferdreh um 1900: Das ist das weiße Haus, das noch links von der Einfahrt Deipenbecktal an der Langenberger Straße steht. © Bestand Peter Brée

Busch beschäftigt sich auch mit dem gesellschaftlichen Leben ab 1850. Dazu durfte er auf die umfassende Ansichtskartensammlung seines Freundes Peter Brée zurückgreifen. Zum Beispiel Abbildungen der aus heutiger Sicht geradezu inflationär vorhandenen Gaststätten: „Wenn man die Wirtschaften, Restaurants, Cafés und Hotels in Kupferdreh, Byfang und Dilldorf zusammenzählt, kommt man auf über 70. Dazu noch mehrere Brauereien und Schnapsbrennereien und vier Kinosäle.“

In Essen-Kupferdreh gab es früher viele Kneipen

Beim Spaziergang die Kupferdreher Straße entlang weist Busch daher alle paar Meter auf Gebäude: „Dort war das Hotel Bovensiepen mit eigener Brauerei. Wo jetzt der Parkplatz ist, stand das Restaurant Felderhoff mit Kinosaal. Hier war die Gaststätte Schulte-Grossheimann mit riesigem Biergarten. Am Markt war der Saalbau Riegels. Und da drüben kam mit Bechel schon die nächste Kneipe. Hier das Café Blockhaus, dort der Jägerhof. Direkt nebenan Dorenbeck. In Richtung Überruhr folgten fünf weitere Kneipen.“

Eine alte Ansichtskarte aus Essen-Kupferdreh zeigt die Wirtschaft Schulte-Grossheimann an der Ecke Byfanger/Kupferdreher Straße – heute Damian-Apotheke.
Eine alte Ansichtskarte aus Essen-Kupferdreh zeigt die Wirtschaft Schulte-Grossheimann an der Ecke Byfanger/Kupferdreher Straße – heute Damian-Apotheke. © Bestand Peter Brée

Ein „Zug durch die Gemeinde“ mit nur jeweils einem Bierchen pro Kneipe sei damals also schon eine echte Herausforderung gewesen: „Es war schon ein Abenteuer, all die Kneipen zusammenzubringen, da die Wirte ja auch wechselten. Zumeist hatten sie noch einen anderen Beruf, etwa Metzger oder Bäcker. Die Kneipen wurden oft von den Ehefrauen geführt. Da war regelrecht detektivische Detailarbeit nötig.“

Essener Historiker spricht über Lücken in der Geschichtsschreibung

Rainer Busch spricht auch über Missverständnisse und offensichtliche Geschichtsklitterung: „In Kupferdreh wurde vieles totgeschwiegen. In vielen Chroniken fehlten die jüdischen Mitbürger, die auch einiges zum Erblühen der Gemeinde beigetragen haben.“

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Andere wiederum hätten wohl etwas zu viel Ruhm und Ehre eingeheimst: „Der Marktplatz wurde angelegt vom Wirt Kappert. So geht die Legende. Angeblich, um die Kirmes dorthin zu locken, direkt vor seinen Saalbau Riegels. Dann habe er der Gemeinde den Platz geschenkt.“ Richtig sei aber, dass die Gemeinde das Areal gekauft und Kappert damit beauftragt habe, alles zu planieren. „Er sollte dafür 900 Reichsmark erhalten. Auf diese Summe hat er verzichtet, das haben Nachfahren bestätigt. Der erste Markttag war übrigens am 11. Januar 1884.“ Auch dazu gibt es eine Zeitungsannonce.

Karneval spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte Essen-Kupferdrehs

Mit einem Schmunzeln verweist Busch auf das närrische Treiben: „Die ehemaligen Honnschaften Hinsbeck und Rodberg gehörten fast 1000 Jahre lang zur Abtei Werden. Die Hinsbecker Bauern waren fest in den Traditionen Werdens verwurzelt. Sie werden also auch Fastnacht gefeiert haben.“ Der bekannte Karnevalist Peter de Bake habe ausführlich zum Thema geschrieben: „Dem konnte ich neue Erkenntnisse hinzufügen, natürlich in Absprache. Infos, die ihm noch nicht vorlagen.“

So nehme jeder an, die älteste Kupferdreher Karnevalsgesellschaft „Lot gohn as et geht“ sei am Dreikönigstag, dem 6. Januar 1872, von „Dilldorfer Karnevalsfreunden, unter ihnen Johann Stöckmann, August Weubel und Wilhelm Wimmershoff“ in der Gastwirtschaft Vogelsang/Sonnenschein an der Velberter Straße gegründet worden.

Essener Historiker hat in Kupferdreh „jeden Stein umgedreht“

Busch berichtet: „Johann Stöckmann gen. Wies war der Wirt im ehemaligen Wiesenhof an der heutigen Dilldorfer Straße 55. Die Wirtschaft wurde später unterhalb des Hofes neu erbaut. Die alte Gaststätte stand aber noch auf Hinsbecker Gebiet.“ Eigentlich sei die A.K.G. „Lot gohn as et geht“ also gar nicht in Dilldorf gegründet worden.

Rainer Busch darf stolz sein auf sein grundlegendes Werk: „Da ich neben 25 Büchern auch noch Broschüren und Hefte zu speziellen Themenbereichen veröffentlicht habe, dürfte ich nun endgültig jeden Stein umgedreht haben in Kupferdreh.“

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