Essen. Schon vor einem Jahr hieß es, dass der Drogenkonsum in Essens Innenstadt auffälliger geworden sei. Geändert hat sich daran nichts – im Gegenteil.
55 Drogentote sind nach Angaben der Suchthilfe direkt in Essen im vergangenen zu beklagen gewesen, so viele wie noch nie. Diese Nachricht hat Ende der vergangenen Woche für Aufsehen in der Stadt gesorgt; deckt sie sich doch auch mit dem subjektiven Gefühl vieler, die in der Innenstadt unterwegs sind. Dort ist vor allem die Porschekanzel als Drogen-Hotspot zu nennen. Auf offener Straße wird gedealt und konsumiert.
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„Im Vergleich zum letzten Jahr ist es noch einmal sichtbarer geworden“, sagt am Montagvormittag Christiane Breimhorst von Bella Donna, der Anlaufstelle für drogenabhängige Mädchen und Frauen. Bereits vor einem Jahr hatte die Diplom-Sozialpädagogin mit unserer Redaktion über die Situation in der Innenstadt gesprochen und damals gesagt: „Was wir seit einiger Zeit bemerken, ist, dass der Drogenkonsum im Stadtbild viel auffälliger und offener ist: auch in Hauseingängen, auch bei uns vor der Tür.“
Parkhaus in der Rathaus-Galerie: Welten treffen dort aufeinander
Neben der Porschekanzel fiel bei Essenerinnen und Essenern zuletzt auch immer das Stichwort Parkhaus in der Rathaus-Galerie in unmittelbarer Nähe. Dort prallen regelmäßig Welten aufeinander. Im April dieses Jahres berichtete unsere Redaktion zum Beispiel über ein ungewolltes Zusammentreffen einer Mutter mit Kinderwagen und zwei Männern. Letztere rauchten im Vorraum eines Aufzugs Heroin. Als die Frau samt Baby die beiden sah, machte sie erschrocken auf der Stelle kehrt. Angesprochen auf solche Parkhaus-Erfahrungen an der Rathaus-Galerie sagt Christiane Breimhorst: „Da können Sie in jedes Parkhaus gehen.“
Breimhorst ist ihr „ganzes Arbeitsleben in der Suchthilfe im Kontext von illegalisierten Drogen tätig“. Was sind die Gründe dafür, dass sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr sogar noch einmal verschlechtert hat? Die Diplom-Sozialpädagogin führt das auf eine Droge zurück, die wie in vielen anderen Städten auch in Essen auf dem Vormarsch sei: „Wir werden in Europa mit Crack überschwemmt. Hier ist der Absatzmarkt“, sagt Breimhorst. „Das Dramatische daran ist die Verelendung von Menschen – Essen und Trinken wird vernachlässigt.“
Im Vergleich mit Crack gebe es bei Heroin einen deutlichen Unterschied bei der Dauer des Rauschs. Während dieser beim letzteren vier Stunden andauere, halte der Zustand bei Crack gerade einmal für wenige Minuten an, erklärt Breimhorst. „Sofort danach muss es weiter gehen.“ Bedeutet: Drogenkranke kaufen Crack beim Dealer, konsumieren in der Nähe und brauchen dann schnell wieder neuen Stoff. Heroinabhängige Menschen haben quasi ein größeres Zeitfenster, könnten unter anderem den Drogenkonsumraum in der Hoffnungstraße aufsuchen.
Drogen in Essen: Hilft Kameraüberwachung?
Helfen denn keine Maßnahmen wie die Kameraüberwachung, die es für einen Monat vor der Marktkirche gab? Drogen würden trotzdem weiter genommen, sagt Breimhorst. Es fände dann schlichtweg eine Verdrängung statt, beispielsweise in die nördliche Innenstadt, Richtung Schützenbahn oder Kopstadtplatz. Diese Beobachtung hatte auch ein Ehepaar gemacht, das in der Gustav-Hicking-Straße lebt und sich vor zwei Wochen bei unserer Redaktion meldete. „Benutzte Spritzen liegen in zehn Metern Entfernung zur Grundschule auf einem Haufen Müll und Dreck, der hier einfach abgeladen wurde“, so der Ehemann.
Wenn es anscheinend nicht mit Kameraüberwachung funktioniert, wie kommt man aus der Situation heraus? Christiane Breimhorst sagt: „Wir brauchen mehr Informationen, Drogen sind ein hochemotionales Thema. Politisch muss es weg von der Verdrängung gehen – hinzu: Wir müssen die Leute schützen.“ Man dürfe auf keinen Fall vergessen: „Das ist eine Krankheit.“ Es müsse Orte geben, an denen Drogenkranke sicher und sauber konsumieren könnten, Stichwort „Safer Use“.
Man muss kein Prophet sein, um zu sagen: Die Drogenproblematik wird Essen weiter beschäftigen.
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