Essen. Polizei und Stadt wollen die zunehmende Kriminalität an der Porschekanzel mit Videotechnik eindämmen. Es hagelte Beschwerden über die Zustände.

Mehr Gewalt, mehr Rauschgift- und Eigentumsdelikte sowie Sachbeschädigungen: Die Kriminalitätsbelastung in Teilen der Essener Innenstadt muss durch das zunehmend massive Auftreten der Drogenszene deutlich zugelegt haben. Anders ließe es sich kaum erklären, dass Polizeipräsident Andreas Stüve es im Schulterschluss mit Oberbürgermeister Thomas Kufen als gerechtfertigt ansieht, das Quartier zwischen Marktkirche, Porschekanzel, Rathaus Galerie und Schützenbahn mit sechs Kameras in den Fokus zu nehmen. Zudem sollen neben der mobilen Videobeobachtung direkt vor dem evangelischen Gotteshaus mehr Kontrollrechte für Polizisten und mehr Streifenpräsenz aus Sicht der Behörden probate Mittel sein, eine alarmierende Entwicklung einzudämmen.

In dem City-Quartier rund um die Marktkirche und die Porschekanzel ist die Zahl der Straftaten nach Angaben der Behörde hoch, die Polizei im Dauereinsatz. Von 725 Rauschgiftdelikten in der Innenstadt entfielen rund zehn Prozent auf das nähere Umfeld der beiden Örtlichkeiten. Zudem wurden dort in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 107 Raubdelikte erfasst, „die ein hohes Niveau der indirekten Beschaffungskriminalität aufweisen“. Was nicht nur die Polizei registrierte. Es hagelte Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern als auch ansässigen Geschäftstreibenden, denen die Kunden ausblieben. Die Klagen über die gewachsene Drogenszene, die sich unter anderem in den Parkhäusern unterhalb der Rathaus Galerie häuslich eingerichtet hat, seien geradezu in die Höhe geschossen, heißt es aus dem Rathaus. Das subjektive Sicherheitsgefühl drohe unter die Räder zu kommen.

Nicht ohne Grund zeigten Kufen und Stüve am Mittwochmittag vor Ort Flagge. „Die Sicherheit und eine angenehme Aufenthaltsqualität für die Bürgerinnen und Bürger sowie Besucherinnen und Besucher in unserer Innenstadt hat oberste Priorität. Durch die weiter verstärkte Zusammenarbeit von Ordnungsamt und Polizei wollen wir ein deutliches Zeichen für eine sichere und lebenswerte Stadt setzen“, sagte der Oberbürgermeister.

Die Polizei verschärft die Strategische Fahndung

„Die Intensivierung unserer gemeinsamen Maßnahmen stellt einen wichtigen Pfeiler zur Stärkung der Sicherheit in der Essener Innenstadt dar. Durch die enge Zusammenarbeit von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst erhöhen wir die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit vor Ort“, betonte der Polizeipräsident. Die mobile Videobeobachtung, auf die Schilder hinweisen, diene dazu, Straftaten zu verhindern, zu verfolgen und gezielt Kräfte koordinieren zu können. Da Beamte auf der Leitstelle die Live-Bilder im Blick haben, können sie Streifenwagen besonders schnell zum Ort des Geschehens dirigieren. Doch nicht nur technisch rüstet die Polizei auf. Zudem wird die sogenannte Strategische Fahndung verschärft.

Ein Schild weist vor der Marktkirche auf die Videobeobachtung hin.
Ein Schild weist vor der Marktkirche auf die Videobeobachtung hin. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Dieses Instrument zur Gefahrenabwehr ermächtigt Beamte unter anderem zu Personenkontrollen unabhängig von einem konkreten Verdacht und es ist nicht auf das Quartier rund um die Marktkirche begrenzt, „um mögliche Verdrängungseffekte aktiv beobachten zu können“, so der Behördenleiter. Die neuen Maßnahmen nach dem Polizeigesetz NRW sind zeitlich begrenzt und müssen turnusmäßig auf Wirkung und Verhältnismäßigkeit abgeklopft werden. Davon abgesehen, wird die mobile Videobeobachtung in Essen wohl pausieren müssen, wenn Städte, die Austragungsorte der Fußball-Europameisterschaft sind, Bedarfe an der Technik anmelden.

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Die Livebilder werden von der Polizei Essen beobachtet

Seit Ende des vergangenen Jahres verfügt die Polizei NRW über zehn dieser Anlagen, die landesweit in allen 47 Kreispolizeibehörden eingesetzt und flexibel aufgestellt werden können. Jede von ihnen ist jeweils mit sechs Kameras ausgestattet. Die Geräte können bis zu zehn Tage ohne Stromzufuhr autark in Betrieb sein, die Masten der Anlagen bis zu fünf Meter hoch ausgefahren werden. Die Livebilder werden von geschultem Personal gesichtet und sind ausschließlich von der Polizei einsehbar. Zum ersten Mal kam die neue Technik an Silvester in Essen zum Einsatz.

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Bereits seit über sieben Jahren hat die Essener Polizei-Leitstelle mittels Videokameras den Rheinischen Platz im Blick. Dadurch und andere Schwerpunktmaßnahmen hat sich die früher dort konzentrierte Drogenszene mehrfach verlagert - zuletzt insbesondere zum Umfeld der Porschekanzel. Durch Unterführungen, U-Bahn-Zugänge und umliegende Parkhäuser sei das „Entdeckungsrisiko an diesem Ort gering“, so die Polizei.

Die Drogenszene soll aus den Parkhäusern der Rathaus Galerie verdrängt werden.
 
Die Drogenszene soll aus den Parkhäusern der Rathaus Galerie verdrängt werden.   © HO

Am Dienstag bereits hatten sich Vertreter des Ordnungsamts, der Ruhrbahn, der Rathaus Galerie und eines von zwei zuständigen Sicherheitsdiensten verabredet, um über zusätzliche Maßnahmen zu beratschlagen. Ein Ergebnis: Die betroffenen Parkhäuser werden grundsätzlich dicht gemacht und öffnen sich für jedes ein- und ausfahrende Fahrzeug neu. Zudem sollen die Security-Unternehmen einen Plan vorlegen, wie sie das Hausrecht durchzusetzen gedenken.

Nach Einschätzung von Szenekennern handelt es sich bei den Drogensüchtigen, die sich dort vermehrt treffen, vor allem um Auswärtige, vielfach aus Osteuropa. Bei der Suchthilfe gibt es nach Informationen dieser Zeitung deshalb erste Überlegungen, den Konsumraum im Hilfezentrum an der Hoffnungstraße, der bislang eigentlich nur für Abhängige aus Essen zugänglich ist, nach nunmehr zehn Jahren auch für die Menschen aus anderen Städten zu öffnen. Hinter dieser Konzeption der rein lokalen Zuständigkeit steckte die ursprüngliche Überlegung, einen Drogentourismus zu vermeiden.

Essens Oberbürgermeister hält Angebote der Suchthilfe für ausreichend und gut

Dass die „Fixerstube“ auch zum Konsumort für die Klientel von der Porschekanzel wird, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Oberbürgermeister Thomas Kufen betonte am Mittwoch vor der Marktkirche auf Nachfrage, er halte die Angebote in ihrer jetzigen Form für ausreichend und gut. Nur eins sollte allen Beteiligten bewusst sein: Wird den Abhängigen, die eh schon ihren Lebensmittelpunkt in Essen haben, im Zuge ihrer abermaligen Verdrängung weg von Rathaus Galerie und Porschekanzel kein alternativer Ort geboten, wo sie konsumieren können, werden sie sich selber einen suchen - einmal mehr.

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