Essen. Die Videobeobachtung vor der Marktkirche in der Essener Innenstadt hatte Effekte. Dennoch fühlen sich Anwohner wie in einem schlechten Film.

Die vorerst letzte Klappe für die Kameras der Polizei vor der Marktkirche in der Essener Innenstadt ist gefallen und ein neuerlicher Dreh unter dem stieren Bronzeblick Alfred Krupps fraglich: Nach einem Monat der mobilen Videobeobachtung gegen die Drogenszene wird über eine mögliche Fortsetzung „nach polizeilichem Ermessen“ entschieden, heißt es in der Behörde. Fest steht also noch nichts.

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Die begleitende strategische Fahndung nach Straftätern, die die zuletzt allzu sehr ausufernden Rauschgiftgeschäfte rund um die Porschekanzel zusätzlich eindämmen sollte, endet zudem an diesem Wochenende. Danach wolle man die längerfristige Entwicklung erst einmal beobachten. Am Freitag zog Polizeisprecher René Bäuml gegenüber unserer Redaktion eine erste Bilanz der Maßnahmen gegen die kriminellen Machenschaften mit Betäubungsmitteln an dem Brennpunkt.

Polizei Essen zieht nicht allzu spektakuläres Fazit

Das Fazit fällt nicht allzu spektakulär aus, zeigt aber, dass Bewegung in die Szene gekommen ist: „Wir haben eine Abschreckung, aber auch Verdrängung festgestellt“, sagte Bäuml mit Blick auf die Beobachtungen mittels modernster HD-Technik. Habe es in dem Quartier vor dem Aufbau der Kameras binnen zwei Monaten 72 Polizeieinsätze gegeben, seien es in der Zeit der Videobeobachtung zwischen dem 22. Mai und 21. Juni derer 15 gewesen.

Drei Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittel wurden in diesem Zeitraum gestellt und eine wegen Sachbeschädigung: Das Krupp-Denkmal war einmal mehr beschmiert worden, es gab eine vorläufige Festnahme.

Ein hohes Niveau der indirekten Beschaffungskriminalität in Essen

Insgesamt seien in dem überwachten Sprengel weniger BTM-Delikte festgestellt worden – ein Abschreckungseffekt durch die Kameras und die vermehrten Anhalte- und Sichtkontrollen durch Einsatzkräfte sei die Folge bei gleichzeitiger Verdrängung der Szene in Richtung Kopstadtplatz, Klosterstraße und in „den hinteren Bereich der Viehofer Straße“, so Bäuml.

Anlass für die Videobeobachtung in dem belasteten City-Quartier war die hohe Zahl der Straftaten, auf die die Polizei mit mehr technischer, uniformierter und ziviler Präsenz reagierte. Von 725 registrierten Rauschgiftdelikten in der Innenstadt waren zuletzt rund zehn Prozent auf das nähere Umfeld der Marktkirche und der Porschekanzel entfallen. Zudem waren dort in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 107 Raubdelikte erfasst worden, „die ein hohes Niveau der indirekten Beschaffungskriminalität aufweisen“.

Was nicht nur der Polizei auffiel. Es hagelte Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern als auch ansässigen Geschäftstreibenden, denen die Kunden ausblieben. Die Klagen über die gewachsene Drogenszene, die sich unter anderem in den Parkhäusern unterhalb der Rathaus Galerie häuslich eingerichtet hatte, seien geradezu in die Höhe geschossen, hieß es aus dem Rathaus: Das subjektive Sicherheitsgefühl drohe unter die Räder zu kommen.

Anwohner des Essener Stadtkerns spielen mit dem Gedanken, das Feld zu räumen

Inzwischen seien die Klagen von Anrainern weniger geworden, was Polizeisprecher Bäuml auf die verstärkten Maßnahmen zurückführt. Gänzlich verstummt sind sie allerdings nicht: Östlich der Schützenbahn und der Porschekanzel, an der Gustav-Hicking-Straße etwa, trägt sich ein Ehepaar, das dort seit mehreren Jahren lebt, akut mit dem Gedanken, das Feld zu räumen. Gegenüber unserer Redaktion kündigte der Anwohner an: „Meine Frau und ich werden demnächst hier wegziehen, weil wir uns nicht mehr sicher fühlen.“ Die derzeitige Situation sei nicht hinnehmbar, „ein absolutes Limit überschritten“.

Anwohner der Gustav-Hicking-Straße in Essens Stadtkern klagen über benutzte Spritzen und Drogenutensilien, die für alle deutlich sichtbar herumliegen.
Anwohner der Gustav-Hicking-Straße in Essens Stadtkern klagen über benutzte Spritzen und Drogenutensilien, die für alle deutlich sichtbar herumliegen. © HO

Der Essener berichtete noch Anfang der Woche, dass in der Gustav-Hicking-Straße in unmittelbarer Nähe zur dortigen Kita und Grundschule auf offener Straße harte Drogen konsumiert werden. „Benutzte Spritzen liegen in zehn Metern Entfernung zur Grundschule auf einem Haufen Müll und Dreck, der hier einfach abgeladen wurde“, so der Ehemann. An einem kleinen Wasserspiel und einem nahegelegenen Spielplatz beobachte er täglich Obdachlose, Alkoholiker und eben Drogenkonsumenten. Der Vorwurf des Ehepaars in Richtung der Sicherheitsbehörden: „Weder Polizei noch das Ordnungsamt unternehmen etwas dagegen.“

Teilweise liefen Einsatzkräfte der Stadt sehenden Auges an den Crackrauchenden vorbei, als fühlten sie sich nicht zuständig. Und die Dealer, so der Essener, haben in der Nachbarschaft ihre festen Plätze. Sie „versorgen die Stammkundschaft mit allem, was gebraucht wird.“ Weiterhin.

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