Essen. Stadt Essen und Suchthilfe Direkt reagieren mit Plakataktion auf Legalisierung. Experen weisen auf die Gefahr psychischer Erkrankungen hin

Das neue Cannabisgesetz zwingt die Suchthilfe Direkt in Essen, die Prioritätenliste neu zu ordnen. Eine breit angelegte Informations- und Beratungskampagne rund um die Cannabis-Legalisierung steht in der Dringlichkeit ganz oben an.

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Für den Gesundheitsdezernenten Peter Renzel, der dem Aufsichtsrat der Suchthilfe angehört, zählt die Aufklärung der breiten Öffentlichkeit über Risiken und Gefahren des liberalisierten Cannabiskonsums ebenfalls zu den aktuell dringlichsten Themen in seinem Ressort. Und das Unbehagen ist enorm: „Ich bin nach der Cannabis-Legalisierung in großer Sorge, dass in Zukunft noch mehr Kinder und Jugendliche Cannabis konsumieren, obwohl das unter 18 Jahren weiterhin verboten ist.“

Poster machen neugierig mit Schlagworten wie „Kiffen“ und „Gratis Cannabis“

Sie lancieren die Cannabis-Kampagne der Stadt Essen (von links): Judith Sieve (Suchtprävention), Psychiaterin Maria-Rosa Daniilidou, Gesundheitsdezernent Peter Renzel, Bärbel Marziniak (Leiterin Suchthilfe Direkt) und Nick Saar (Suchtprävention) präsentieren die neuen Plakate.
Sie lancieren die Cannabis-Kampagne der Stadt Essen (von links): Judith Sieve (Suchtprävention), Psychiaterin Maria-Rosa Daniilidou, Gesundheitsdezernent Peter Renzel, Bärbel Marziniak (Leiterin Suchthilfe Direkt) und Nick Saar (Suchtprävention) präsentieren die neuen Plakate. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die jetzt gestartete Kampagne der Suchthilfe trägt bei aller Brisanz den eher sachlich gehaltenen Titel „Cannabis Klartext - Fakten & Hilfe“. In Zusammenarbeit mit der Drogenhilfe Köln haben die Essener eine Plakataktion entworfen, die nun in weiterführende Schulen und Jugendheime, in Bürgerläden und Arztpraxen sowie ins Jugendgericht und in das Haus des Jugendrechts getragen wird.

Die Poster sind absichtlich mit grellen Schlagworten wie „Kiffen“, „Gratis Cannabis“, „High Performer“ oder „Bong-Jour“ aufgemacht, um die Neugierde des jungen Publikums zu wecken. Wer beispielsweise von dem Satz „Kiffen - alle reden über die Legalisierung“ angefixt wird, erfährt im nächsten Satz Ernüchterndes - nämlich: „Wir unterstützen beim Aufhören. Kostenlos“. Es folgt ein auffälliger QR-Code, der ratsuchenden jungen Betrachtern jede Menge Informationen bietet bis hin zum kostenlosen und anonymen Beratungsangebot durch die Fachstelle für Suchtprävention.

Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren: Die Hälfte hat bereits Cannabis probiert

Die Zahlen sind nicht neu, aber alarmierend. Denn sie zeigen, dass Cannabis-Konsum schon lange vor der Legalisierung durch den Bundestag ein Riesenproblem war. Studien belegen etwa, dass bereits jeder fünfte Jugendliche zwischen 12 bis 17 Jahren Cannabis konsumiert hat. Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren liegt die Zahl der Konsumenten sogar schon bei 50 Prozent. Eine gesellschaftliche Realität, die Gesundheitspolitiker und Experten der Suchtprävention gleichwohl nicht ohne Weiteres hinnehmen wollen. Es sei ein ernstzunehmendes Phänomen, findet Bärbel Marrziniak, Geschäftsführerin der Suchthilfe Direkt, und fügt hinzu: „Cannabis ist definitiv keine Jugenddroge.“

Peter Renzel befürchtet wegen der Cannabis-Freigabe schlimme Fehlentwicklungen. „Erwachsene reichen die Drogen an Kinder weiter, sie werden in Zukunft noch einfacher an Cannabis gelangen.“ Aus diesem Grunde habe er sich von Anfang an klar gegen die umstrittene Liberalisierung ausgesprochen.

Wissenschaftler wiesen seit langem auf die gesundheitlichen Schädigungen hin. „Je jünger die Konsumenten, desto größer die Gefahr psychischer Erkankungen und Wahrnehmungsstörungen“. Auch Maria Rosa Daniilidou, Psychiaterin bei der Suchthilfe, berichtet von „kognitiven Einschränkungen, schweren Erkrankungen und langfristigen Schäden.“ Erklärtes Ziel sei es, „negative Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Entwicklung junger Menschen zu verhindern“.

Die Suchthilfe Direkt will mit ihrer Kampagne vorrangig die Multiplikatoren erreichern

Um die Kampagne so effektiv wie möglich zu lancieren, sind Multiplikatoren wie etwa Lehrerinnen und Lehrer, Beschäftigte des Allgemeinen Sozialen Dienstes und die ehrenamtlichen Tätigen in der Jugendarbeit ihr erster Adressat. Verunsicherten und besorgten Eltern wolle man deutlich machen, dass Stadt und Suchthilfe Direkt nach gut anderthalbjähriger Vorbereitung „gut aufgestellt“ seien.

Die weiterführenden Schulen in Essen sind der Schwerpunkt der Cannabis-Prävention. Ob Dezernent oder Suchthilfe, sie alle betonen, dass Cannabis trotz aller Liberalisierung weiterhin in der Schule nichts zu suchen habe. Kiffen in der Schule und bekiffte Schüler - das dürfe es in Essen nicht geben. Renzel: „Wir erwarten von der Schulleitung, dass sie das durchzieht“. Alle Beteiligten seien sich darüber im Klaren, dass das ohne Beistand nicht funktionieren werde. Bezeichnend: Das Interesse der Schulen an Präventionsveranstaltungen sei zuletzt sprunghaft gestiegen. „Die Zahl der Anfragen geht aktuell durch die Decke“, berichtet Nick Saar. Die Warteliste wird immer länger. Man setze dabei auf Dialog und nicht auf den erhobenen Zeigefinger.

Vertraulichkeit ist garantiert: „Die Beratung ist völlig anonym und kostenlos“

Selbstverständlich können sich Eltern und junge Menschen auch direkt an die Fachleute der Suchtprävention wenden. Persönliche Daten oder gar Telefonnummern würden dabei auf keinen Fall erfasst. „Die Beratung ist völlig anonym und kostenlos“, so die Suchthilfe Direkt-Geschäftsführerin. Man müsse nicht einmal persönlich in den Räumlichkeiten der Suchtprävention an der Niederstraße erscheinen. Die Beratung funktioniere gegebenenfalls auch online.

Auf der Homepage www.suchthilfe-direkt.de können Links und Informationen zum Thema Cannabiskonsum („Mein Kind kifft, was soll ich tun?“) aberufen werden. Dort gibt‘s die Kampagnen-Plakate auch zum Ausdrucken.

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