Essen. Essen gehen, teure Klamotten, schicke Wohnung: Kredite sicherten der Essenerin lange Zeit ein gutes Leben, bis sie der Schuldenberg erdrückte.
Lena Wagner* sitzt mit ihrem kleinen Sohn Noah auf dem Schoß vor Schuldnerberater Volker Naujok und sagt mit fester Stimme: „Ich möchte nie wieder in eine solche Lage kommen.“ Die alleinerziehende Mutter drückt vor allem ein Problem: Sie hat hohe Schulden. In den vergangenen Jahren haben sie sich auf rund 75.000 Euro aufsummiert. Sie ist nicht mehr in der Lage, das Geld zurückzuzahlen.
Wie Lena Wagner gelten in Essen über 60.000 Erwachsene als überschuldet. Für sie sind Leute wie Volker Naujok von der Verbraucherzentrale häufig Retter in der Not. Naujok wird auch Lena Wagner dabei unterstützen, ihre Schulden wieder loszuwerden, um so ein neues Leben, frei von Sorgen, zu beginnen. Einmal im Jahr heben Schuldnerberater wie er besonders die warnende Stimme während einer bundesweiten Aktionswoche, die zurzeit wieder läuft. Und so sagt Naujok, dass Lena Wagner ein Beispiel dafür sei, wie junge Leute schon früh Gefahr laufen, in die Schuldenfalle zu geraten.
Erster Schritt in die Schulden: Hausbank gab großzügig höheren Kredit
Nach dem Studium mit Anfang 20 zog Lena Wagner bei ihren Eltern aus und in eine eigene Wohnung. „Ich hatte keine Rücklagen und meine Eltern sind leider auch nicht reich“, sagt sie. Dennoch wollte sie sich gut einrichten. Statt erst mühsam dafür zu sparen, sollte stattdessen ein kleiner Kredit von 3000, maximal 4000 Euro bei der Hausbank helfen. Nach dem Termin mit dem Bankberater hatte sie einen Kreditvertrag über 8000 Euro zu einem Zins von 12 Prozent unterschrieben. Der Mann habe ihr, obwohl sie gerade erst in den Beruf eingestiegen war, zunächst nur eine befristete Stelle hatte und auch noch einen Bafög-Kredit abzahlen musste, dieses Geld fast schon aufgedrängt, erinnert sie sich. Alles sei so unfassbar einfach gewesen, alles kein Problem.
Doch es wurde zu diesem. „Das Geld war schnell weg“ und Lena Wagner stockte später den Kredit bei einer anderen Bank weiter auf, kaufte außerdem ein Auto auf Pump und überzog regelmäßig ihr Konto. Mit Anfang 30 hatte die junge Frau schon fast 50.000 Euro Schulden. Da sie ihren Job gewechselt und eine Leitungsfunktion im Erzieherbereich innehatte, verdiente sie gut.
Von ihrem Gehalt von knapp 3000 Euro netto konnte sie die Kreditraten anfangs zahlen. Doch mit immer mehr Schulden wurde die monatliche Belastung aus Raten und Miete so hoch, dass ihr irgendwann nur noch 30 Euro im Monat zum Leben blieben, erzählt sie. In dieser Zeit musste sie zweimal ihren Vermieter um eine Stundung der Miete bitten. „Die Schulden haben mich irgendwann erstickt. Ich wusste nicht mehr, was ich zuerst zahlen sollte.“
Trotz Geldproblemen: „Ich wollte mithalten“
Ihren Freunden gaukelte Lena Wagner weiter ein unbeschwertes Leben vor, ging nach wie vor regelmäßig mit ihnen essen, kaufte teure Klamotten und Schuhe. Dass sie in finanziellen Schwierigkeiten steckte, „hat man mir nicht angesehen“. Sie wollte mithalten.
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An eine brenzlige Situation kann sich Lena Wagner allerdings noch genau erinnern: „Wir waren mit mehreren Freunden in Düsseldorf essen, und ich hatte nur 20 Euro. Den ganzen Abend habe ich gerechnet, damit ich mit dem Geld klarkomme. Doch dann schlug ein Freund plötzlich vor, die Rechnung einfach durch alle zu teilen. Ich war geschockt und ließ mir irgendeine Ausrede einfallen.“ Wie stark sie diese Geschichte bewegt, spürt man bis heute. „Man beginnt, seine Freunde anzulügen.“
Der Druck, der auf ihr lastete, sei immer größer geworden. „Ich konnte nicht mehr schlafen.“ Obwohl ihre Mutter selbst nicht viel Geld habe, habe sie ihr immer wieder geholfen, wenn es finanziell eng wurde.
Schuldenhilfe bei der Verbraucherzentrale Essen
Heute ist Lena Wagner Anfang 40. Mit der Geburt ihres Kindes hat sich vieles verändert. „Schon als ich schwanger war, wusste ich, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte.“ Im Vollzeitjob waren die Schulden noch irgendwie zu stemmen. Doch von ihrem Elterngeld wären Kreditraten von 1200 Euro im Monat nicht mehr bezahlbar gewesen. Die Rechnung war denkbar einfach: „Für mich und mein Kind wäre so gut wie nichts mehr übrig geblieben.“
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Der Gang zur Schuldnerberatung war schwer für sie. „Da ist jede Menge Scham dabei und das Gefühl, gescheitert zu sein.“ Der Kollege von Volker Naujok riet ihr, die Ratenzahlungen sofort einzustellen. Schließlich lag ihr monatliches Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze. „Ich hab den Mann ungläubig angeschaut, als er sagte, ich soll das lassen. Das war eine solche Erleichterung für mich.“ Seither hat sie am Ende des Monats wieder etwas Geld übrig, kann sogar ein bisschen sparen.
Verbraucherinsolvenzverfahren soll schulden
Volker Naujok bereitet nun mit ihr ein Verbraucherinsolvenzverfahren vor. Den Antrag wollen sie in zwei bis drei Monaten bei Gericht stellen. In drei Jahren wäre Lena Wagner ihre Schulden los.
160 Essener und Essenerinnen haben in den ersten drei Monaten ein solches Verfahren beantragt. Der Bedarf an Hilfe und Beratung ist jedoch ungleich größer. Allein bei der Verbraucherzentrale gibt es eine Warteliste von etwa einem Jahr, wobei die „erste Hilfe“ davon nicht betroffen ist, betont Naujok.
Lena Wagner ist dankbar, dass es diesen Weg für sie gibt. Aber sie ist auch kritisch sich selbst gegenüber: „Ich habe Geld ausgegeben, das ich nicht hatte. Auf der anderen Seite wurde es mir auch sehr, sehr leicht gemacht“.
Aus den Erfahrungen, sagt sie, habe sie gelernt. „Schuhe, Taschen, mehrmals in der Woche essen gehen - das ist mir heute total egal“. Wichtig sei ihr nur eines: „Für meinen Sohn will ich Vorbild sein.“
*Name geändert
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