Essen. Er stielte Millionenprojekte ein, war Kaufmännischer Direktor der Uniklinik. Da staunt man nun: Der Ex-Manager ist wohl gar kein Diplom-Kaufmann.

Sein Abschied liegt schon mehr als ein Jahrzehnt zurück, und doch wird in jüngster Zeit auf den Fluren der Uniklinik Essen wieder über einen früheren Kaufmännischen Direktor gesprochen: In dessen bis Ende 2011 laufende Amtszeit fallen Entscheidungen von großer Tragweite wie der Kauf der Ruhrlandklinik oder der Anstoß für das millionenschwere und bis heute verlustbringende Westdeutsche Protonentherapiezentrum (WPE). Nun gibt es überraschende Neuigkeiten über den einstigen Manager mit großer Machtfülle: Dieser ist offenbar weder Diplom-Kaufmann, noch soll er ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben.

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Aufgefallen ist der wohl fehlende Abschluss in einem Rechtsstreit zwischen dem Krankenhaus-Manager und dem Klinikum Wilhelmshaven, das ihn lange als Klinikchef beschäftigt hatte. Die Nordwest-Zeitung (NWZ) berichtete Anfang Juni über den Streit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg – und bald wurde der Artikel im Uniklinikum Essen zum Gesprächsstoff.

Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht

In dem Verfahren macht der Manager Vergütungsansprüche gegen das Klinikum Wilhelmshaven geltend: Der Streitwert betrage stolze 543.955 Euro und 99 Cent, bestätigt ein Sprecher des OLG. Eigentlich wären die Erfolgsaussichten für den früheren Klinikchef nicht schlecht. So sehen die Richter Anzeichen, dass dessen Kündigung durch das Klinikum „aus formellen Gründen unwirksam“ sein könnte.

Allerdings erklärte der Vorsitzende Richter Dr. Dirk Dunkhase auch, dass es unstreitig sei, dass der Manager bei seiner Einstellung im Jahr 2014 „nicht offengelegt hat, dass er kein Wirtschaftswissenschaftler und Diplom-Kaufmann, sondern Elektro-Installateur ist“. Auf Nachfrage bestätigt ein Sprecher des Gerichts das Zitat und ergänzt: „Er ist wohl Elektroanlagen-Installateur.“

Weiter führt der OLG-Sprecher aus: „Der Senat hat seine vorläufige Auffassung dargelegt, dass Herr XX verpflichtet gewesen wäre, das Fehlen eines Hochschulabschlusses offenzulegen, nachdem er bei seinen vorherigen Arbeitgebern, [...] als Diplom-Kaufmann aufgetreten war“. Zu diesen Arbeitgebern zählt die Uniklinik Essen, die ihn bis 2011 als Kaufmännischen Direktor beschäftigte.

Neuigkeit macht am Uniklinikum Essen die Runde

Es sei durchaus bekannt gewesen, dass der Krankenhaus-Manager „auch“ Elektro-Installateur gewesen sei, sagt dazu ein früherer Essener Weggefährte. Auch in unserem Medium konnte man damals über ihn lesen, dass er „Elektro-Meister“ sei und später ein Wirtschaftsstudium absolviert habe. Ebenso nahm man bei seinem Wechsel an die Uniklinik Freiburg dort wohl an, dass der Neuzugang einen Studienabschluss habe: Auf der Internetseite stellt man ihn als „Diplomkaufmann und Wirtschaftswissenschaftler“ vor.

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Dass das offenbar gar nicht zutrifft, sorge nun am Uniklinikum Essen für Überraschung, verrät ein Insider. „Das macht hier groß die Runde.“ Offiziell gibt sich die Uniklinik bedeckt: Zu einem laufenden Verfahren nehme man keine Stellung. Grundsätzlich sei die Bestellung eines Kaufmännischen Direktors Sache des Aufsichtsrates, allein: „Kein Mitglied des damaligen Aufsichtsrates ist mehr in Verantwortung.“ Man blicke nach vorn: „Für die Universitätsmedizin Essen ist die lange zurückliegende Amtszeit von Herrn XX längst abgeschlossen.“

Nichtmal, ob man sich bei Einstellungen regelhaft die Originale der Zeugnisse vorlegen lässt, mag die Uniklinik beantworten. Verpflichtet ist man dazu jedenfalls nicht: „Eine Vorschrift, nach der sich Universitätsklinika in Nordrhein-Westfalen bei Einstellungen Original-Zeugnisse vorlegen lassen müssen, gibt es nicht“, erklärt ein Sprecher des zuständigen Wissenschaftsministeriums.

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Auch im Klinikum Wilhelmshaven scheint man darauf verzichtet zu haben. Erst „lange nach seiner Einstellung kamen in Wilhelmshaven Gerüchte auf, Herr XX habe keinen Hochschulabschluss“, teilt der Sprecher des OLG Oldenburg mit. „Diesen Gerüchten trat Herr XX gegenüber dem Aufsichtsrat der Klinikum WHV GmbH mit einer Power-Point-Präsentation entgegen, in der er ein unechtes Diplomzeugnis vorzeigte.“

Gericht rät zum Vergleich

Das Gericht hat dem Manager daher zu einem Vergleich geraten, bei dem er auf seine Vergütungsansprüche verzichte. Wegen der wohl fehlerhaften Kündigung solle im Gegenzug auch das Klinikum auf seine Ansprüche verzichten. Im August solle eine Entscheidung verkündet werden. Soweit die zivilrechtliche Seite, zur strafrechtlichen informiert das OLG immerhin über eine gute Nachricht für den Ex-Manager: „Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bereits eingestellt.“

Die Kanzlei, die den früheren Krankenhaus-Manager in seinen persönlichkeitsrechtlichen Angelegenheiten anwaltlich vertritt, lässt unsere Fragen in der Sache unbeantwortet.

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