Essen. 1993 war es ein Wagnis, die elterliche Eckkneipe in ein Gourmetlokal zu verwandeln. 30 Jahre später schaut Knut Hannappel zufrieden zurück.
- Nelson Müller wird sein Restaurant „Schote“ in Rüttenscheid aufgeben und in Bergisch Gladbach einen Neustart wagen.
- In Essen gibt es nach dem Wegzug der Schote nur noch zwei Restaurants, die einen Michelin-Stern vorweisen können: das „Hannappel“ in Horst und „Kettners Kamota“ in Werden.
- Über die Entwicklung des „Hannapel“ haben wir zuletzt im März 2023 berichtet. Aus aktuellem Anlass hier nochmal der Artikel:
Früher gab’s hier Soleier, deftige Frikadellen wie bei Muttern und liebend gerne auch das obligatorische „Herrengedeck“. Heute bringen kulinarische Köstlichkeiten wie „Fenchel/Vadouvan/Bitter Salat“, „Milchkuh/Pilz/Walnuss“ und „Fenchel/Kalamansi/Safran“ die Geschmacksknospen der Gäste zum Explodieren. 30 Jahre ist es her, dass sich Knut Hannappel von der Bergmannskneipe verabschiedet und fortan auf Spitzengastronomie gesetzt hat. Ein unternehmerisches Wagnis war es damals, aber es hat sich gelohnt: Das „Hannappel“ auf der Dahlhauser Straße in Essen-Horst, dekoriert mit einem Stern des renommierten „Guide Michelin“, zählt zu den besten Restaurants des Ruhrgebiets.
Runde Geburtstage sind ein willkommener Anlass, auf die zurückgelegte Wegstrecke zurückzuschauen. Und je steiler der Aufstieg auf der Karriereleiter, desto leichter fällt es oft, von der Schinderei und den Entbehrungen am Anfang dieses mühseligen Weges zu berichten. So räumt Knut Hannappel heute gerne ein: „Ich hatte viele schlaflose Nächte, die ersten Jahre waren verdammt schwierig.“
1993 probiert Knut Hannappel den Spagat aus gutbürgerlich und modern
An Urlaube mit den drei kleinen Kindern sei jahrelang nicht zu denken gewesen. Und mit nur zwei Angestellten und sechs Arbeitstagen kommt der junge Hannappel in den 1990ern locker auf 80 Stunden in der Woche. „Am Anfang habe ich beides versucht: Am Altbewährten festhalten und trotzdem das anspruchsvolle Neue wagen.“ Ein Foto aus jener Zeit illustriert den Spagat von gutbürgerlich und modern, den die Hannappels damals probieren: Über der Eingangstür hängt noch das alte Schild „Zum treuen Husar“ und darunter das neue mit dem Schriftzug „Hannappel“.
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Doch schnell wird sich herausstellen, dass das „Sowohl-als-auch“ ein Irrweg ist. Stammgäste, die im „Husar“ zum Inventar gehören, wollen von weißen oder apricotfarbenen Tischdecken und zu viel Etepetete nichts wissen. Aber auch der Feinschmecker rümpft über die fröhlichen und womöglich qualmenden Zecher der Thekenfraktion irritiert die Nase.
Durchbruch im Jahr 2000: Gourmetmeile macht das „Hannappel“ revierweit bekannt
Hannappel setzt fortan alles auf die Gourmet-Speisekarte – und schafft den Durchbruch. Nach der Lehre im Saalbau und in Imhoffs Parkhaus Hügel, nach wichtigen Gesellenjahren im Düsseldorfer Sternelokal „Hummerstübchen“ und dem Aufstieg zum Sous-Chef besitzt Hannappel die nötige Portion Selbstvertrauen, um sich auf das Abenteuer Gourmetküche einzulassen. Weil Anzeigen in der Zeitung so teuer und das Internet beziehungsweise E-Mail noch nicht erfunden sind, verschicken Knut und Ulrike Hannappel Infobriefe per Post an die geneigte Kundschaft. Die „Hannappel-Zeitung“ – ein Gruß aus der Küche auf DIN-A-4 – ist schwarz-weiß und enthält jedes Mal das Rezept des Monats. „Wir haben Jahre gebraucht, um auf den grünen Zweig zu kommen“, sagt der Gastronom.
Den Durchbruch erlebt das „Hannappel“ Anfang 2000, als die Gourmetmeile auf der Kettwiger für Furore sorgt. „So wurden wir im ganzen Ruhrgebiet bekannt.“ Die Illustrierte „Feinschmecker“ preist seine Kochkünste, der Gault Millaut verleiht ihm Punkte und Fernsehberichte auf Vox und WDR locken neugierig gewordene Gäste in den Arbeiterstadtteil.
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Aber es sollen noch zwei weitere Jahrzehnte vergehen, ehe er ganz weit oben auf dem Koch-Olymp stehen wird. 2020 funkelt der Michelin-Stern zum ersten Mal über dem „Hannappel“. Gerne hätte er damals den Lohn für so viele Mühen im erlauchten Kreis ausgezeichneter Haubenköche persönlich in Empfang genommen, doch die Gala in Hamburg fällt wegen Corona ins Wasser.
Ein Lokal – drei Namen: „Horster Saalbau“ , „Zum Treuen Husar“ und „Hannappel“
Von der Bergmannskneipe zum Sterne-Restaurant: Erfolgsstorys wie diese schmücken das strukturgewandelte Ruhrgebiet, das seinen stürmischen Aufstieg der Symbiose von Kohle und Stahl zu verdanken hat. Das „Hannappel“ versprüht darüber hinaus den Charme des Familienbetriebs.
Knut Hannappel hatte den „Treuen Husar“ 1993 von seinen Eltern Werner und Hanni geborene Lemken übernommen, die seit 1967 hinterm Tresen gestanden hatten. Es war Wilhelm Lemken senior, Hannappels Urgroßvater, der die Wirtschaft 1908 übernommen und damit die Familientradition begründet hatte. 1911 machte er daraus den „Horster Saalbau“ samt Kino, 1923 folgte Wilhelm Lemken junior, der bei der Kavallerie gedient hatte.
Weil feststeht, dass die drei Kinder andere berufliche Interessen verfolgen, ist Knut Hannappel dabei die Weichen zu stellen: Sein Küchenchef Tobias Weyers (32), der 2018 zur Dahlhauser Straße gekommen ist, die vom Michelin geadelte Kochkunst entscheiden mitprägt und bereits Gesellschafter ist, soll in Zukunft die Geschicke des Hauses leiten.
Hannappel plant den geräuschlosen Übergang wie ein sorgfältig abgeschmecktes Menü: „Ich gebe das operative Geschäft auf, Tobias Weyers ist die nächste Generation.“
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