Emmerich. Elvan Akbas reagierte schnell und mutig, als sie in Emmerich einen Jungen rettete, bevor der Zug ihn am Löwentor erfasste. Das sagen Mitbürger.

Viele Reaktionen gab es auf unseren Bericht über Elvan Akbas, die einen auf den Gleisen am Löwentor in Emmerich stehenden Jungen vor dem herannahenden Zug gerettet hat. „Heldin“, schreiben die Kommentatoren auf Facebook, „Respekt“ oder „Bin stolz auf dich“. Ein User findet: „Größten Respekt dafür Elvan Akbas . Viele Menschen sollten sich ein Beispiel an ihr nehmen. Zivilcourage wird bei den meisten leider klein geschrieben.“

Udo Kersjes, bekanntlich ein politisch recht reger Bürger, regt an, dass die Stadt Emmerich der Mitbürgerin eine Auszeichnung für Zivilcourage überreichen sollte. Bei einer Umfrage auf der Facebook-Seite „Emmerich rund um die Uhr“ stimmen fast 100 Prozent hier für Ja ab.

+++ Das hatte die NRZ zuvor berichtet +++

7.30 Uhr. Elvan Akbas ist auf dem Weg zur Arbeit. Es ist trocken, aber kalt, als sie auf dem kleinen Asphaltstück am Emmericher Bahnübergang am Löwentor wartet. Die Fußgängerampel springt auf Rot, in ihrem Rücken schließen sich die Schranken. Grelle Autoscheinwerfer und das leuchtende Schild vom Stadtimbiss auf der anderen Straßenseite sind alles, was sie in der morgendlichen Dunkelheit erkennt. „Gefühlt noch halb am Schlafen“, bis lautes Hupen sie aus ihrer Trance reißt.

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Sie stellt die Musik auf ihren Kopfhörern leiser, immer mehr Autofahrer blicken sie erwartungsvoll an. „Ich habe erstmal gar nicht verstanden, was sie von mir wollen“, gesteht die 23-Jährige. Dann dreht sie sich um, sieht einen anrollenden Güterzug aus Richtung der Niederlande kommen. Und einen kleinen Jungen, maximal zehn Jahre alt, auf den Schienen stehen.

Kind vor Güterzug gerettet

„Wäre das ein ICE gewesen, wären wir beide nicht mehr da“

Elvan Akbas
rettete ein Kind am Bahnübergang

„Er hatte keinen Schulranzen auf oder sowas“, erinnert sich Akbas. Kurz wartet sie noch, hofft, dass jemand einschreitet. „So viele Autos, so viele Menschen“, aber über das Hupen geht die Zivilcourage am 18. Dezember nicht hinaus. Höchste Eisenbahn. Also klettert die gelernte Zahnarzthelferin unter die Schranke, rennt aufs Gleis und packt das Kind. Sekunden, bevor es zu spät gewesen wäre.

Elvan Akbas steht an dem Bahnübergang am Löwentor. Wenige Tage zuvor rettete sie dort ein Kind vor einem heranbretterndem Zug.
Elvan Akbas steht an dem Bahnübergang am Löwentor. Wenige Tage zuvor rettete sie dort ein Kind vor einem heranbretterndem Zug. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Beide verletzen sich leicht an der heruntergelassenen Schranke, als sie sich in Sicherheit bringen. Laut und mit kaltem Windzug brettern die Waggons vorbei. „Ich habe den Tod gegrüßt. Wäre das ein ICE gewesen, wären wir beide nicht mehr da“, weiß die Retterin des kleinen Jungen. Trotzdem würde sie wieder so handeln. Und sich wünschen, dass andere ihrem Beispiel folgen. Als sie zitternd, weinend und in Schockstarre mit dem Kind am Straßenrand steht, fahren die zuvor hupenden Autos nämlich einfach an ihnen vorbei.

Vater des Kindes reagierte gelassen

Niemand sei ausgestiegen, nur eine einzige Fahrerin habe mit heruntergelassenem Fenster gefragt, ob alles in Ordnung sei. „Der Junge hat mich angelächelt und sich an mir festgeklammert, er hat mich zehn Minuten lang nicht losgelassen“, wird die 23-Jährige auch Wochen später noch emotional. „Ich bin so froh, dass ihm nichts passiert ist.“ Ihre Gefühle schlagen in Wut um, als der Vater des Kindes kurz nach der Rettungsaktion auf sie zukommt.

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Als habe der das jüngste Ereignis nicht mitbekommen, lacht er. Wegen einer Sprachbarriere kann Akbas ihm nur gestikulierend erklären, was passiert ist. Zügig bewegt sie die flache Hand von links nach rechts, um einen Zug darzustellen. „Ich glaube, er hat es bis zum Ende nicht ernst genommen“, bedauert sie. Der Vater habe seinen Sohn von ihrer Hand gelöst und sei in ein Auto gestiegen. „Wäre ich nicht so aufgelöst gewesen, hätte ich sicher daran gedacht, die Polizei zu rufen.“

Rettungsaktion sollte nicht öffentlich werden

Als sie später auf ihr Handy schaut, kann sie es kaum glauben. Ihre Mutter hat ihr geschrieben, sie habe schlecht geschlafen. Ob es ihrer Tochter gut gehe? „Die Nachricht kam genau, als ich auf den Gleisen stand“, blickt die Zahnarzthelferin zurück. Überhaupt habe sie sich, wenn auch von den Menschen um sie herum, nicht allein gelassen gefühlt. „Wie eine Umarmung“, beschreibt sie ihren Schutzengel.

Ein Ding aus ihrer Rettungsaktion machen, wollte sie übrigens nie, meldete sich nicht selbst bei der NRZ. Auch während des Interviews zögert sie, „das war eine gute Tat, sowas macht man nicht, um es an die große Glocke zu hängen.“ Aber: „Wenn sich manche fürs neue Jahr vornehmen, mehr füreinander da zu sein, wäre das schön.“