Emmerich. Umgangssprachliche Blinddarm-Entzündung zu diagnostizieren, ist nicht immer einfach. Dr. Jochen Heger vom Willibrord-Spital erklärt warum.

Er ist meist acht bis zehn Zentimeter lang, kann aber auch zwischen zwei und 20 cm lang sein. Wenn die Menschen von einer Blinddarm-Entzündung sprechen, dann ist eigentlich der Appendix vermiformis gemeint, der Wurmfortsatz des Blinddarmes. Ist dieser entzündet, dann kann das recht schmerzhaft sein, wobei die Beschwerden so unterschiedlich sein können, dass es für den Mediziner nicht immer einfach ist, eine klare Diagnose zu stellen. Die NRZ sprach mit Dr. Jochen Heger, Chefarzt der Allgemein- und Visceralchirurgie im St. Willibrord-Spital, über dieses Thema.

„Man sagt, das normale, hauptsächliche Symptom beginnt am mittleren Oberbauch, also am Nabel, und zieht dann nach rechts unten. Typischerweise. Dummerweise ist das nicht bei allen so. “

Dr. Jochen Heger
Chefarzt der Allgemein- und Visceralchirurgie am Willibrord-Spital

Dr. Heger, welche Funktion hat der Appendix vermiformis?

Früher hat man geglaubt, der hätte keine Funktion. Wie man das bei den Mandeln auch mal dachte. Aber da sind lymphatische Zellen drin; ein Abwehrsystem, eine immunregulatorische Funktion. Man vermutete auch die Funktion als Mikrobiom-Reservoir mit der Zusammensetzung des Darms. Von da aus wird der Dickdarm mit den nötigen Bakterien versorgt. Aber das war Jahrhunderte unklar. Grundsätzlich sollte man davon ausgehen, dass alles im menschlichen Körper eine Funktion hat.

Wie äußern sich Appendix-Schmerzen?

Unterschiedlich. Man sagt, das normale, hauptsächliche Symptom beginnt am mittleren Oberbauch, also am Nabel, und zieht dann nach rechts unten. Typischerweise. Dummerweise ist das nicht bei allen so. Der Wurmfortsatz ist beweglich, manchmal liegt er hinter dem wirklichen Blinddarm, die Entzündung liegt im Stillen. Es können seltener auch unspezifische Symptome auftreten, wie Übelkeit oder Erbrechen. Auch Unwohlsein und Fieber. Wenn man auf den Bauch drückt, tut es weh. Drückt man auf die linke Gegenseite und lässt wieder los, dann tut es auch weh. Das ist der Kontralaterale-Los-Lass-Schmerz. Ein Test, den ein Mediziner in entspannter Position der Patienten machen muss.

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Gibt es Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen?

Zunächst mal gibt es auch bei Erwachsenen noch Unterschiede. Bei den Über-60-Jährigen kann der Schmerz auch von ein Karzinom im Blinddarm stammen. Das muss man im Hinterkopf behalten. Bei Kindern können auch mal nur Kopfschmerzen auftreten, gerade bei kleineren Kindern. Oder Fieber und Appetitlosigkeit. Manchmal sind es ganz diffuse Bauchschmerzen, keine spezielle Stelle. Und ganz kleine Kinder können nicht antworten. Allerdings ist die Entzündung bei Unter-Einjährigen sehr selten. Am häufigsten tritt sie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, ist aber grundsätzlich in jedem Alter möglich.

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Muss denn immer operiert werden?

Tja, vor ein paar Jahren hätte man gesagt: Ja. Fertig! Inzwischen belegen Studien, dass eine Behandlung mit Antibiotika möglich ist. Das erfordert aber eine engmaschige, stationäre Überwachung. Das funktioniert teilweise auch, aber der Untersuchungsbefund ist wichtig. Wenn sich der Befund trotz Antibiotikatherapie verschlechtert, so muss dann doch die Entscheidung zur Operation treffen, in der Regel zunächst der Blick in den Bauch durch eine Spiegelung in Narkose. Man guckt auf die Laborwerte. Die Leukozyten, die weißen Blutkörperchen, steigen schnell an. Das C-reaktive Protein (CRP) steigt ein oder zwei Tage später an, fällt auch später wieder ab. Diese Werte guckt man sich hauptsächlich an. Sind die Werte hoch, aber der Druckschmerz ist noch nicht so präsent, dann guckt man trotzdem in den Bauchraum hinein. Bei starkem Druckschmerz macht man ggf. auch eine Bauchspiegelung ohne die entsprechenden Laborwerte. Man kann auch einen Ultraschall machen. Eine Computertomografie (CT) macht man nur, wenn man einen Verdacht auf ein Karzinom hat oder ein sehr unklarer, schwerer Befund vorliegt.

Die Serie „Ärzte antworten“

Die NRZ wird in der neuen Serie „Ärzte antworten“ mit verschiedenen Medizinern des St. Willibrord-Spitals über Beschwerden und deren Therapie sprechen. Die Ärzte klären auf, worum es bei den Beschwerden geht und wie sie die Leiden der Patienten lindern.

Bisher geplant sind Gespräche über den Blinddarm und ob immer operiert werden muss, was man gegen Verstopfung im Alter tun kann, über Arthrose und welche Vorteile der Knie-Roboter bietet, über Bandscheibenvorfälle und was man vorbeugend tun kann, wie man Refluxstörungen behandelt, über immer wieder verschleimte Bronchen und wie das in Emmerich untersucht wird und die Vorteile der Lasertherapie in der Proktologie.

Also ist es richtig, dass die Diagnose schon eine Herausforderung ist?

Es ist schon komplizierter als allgemein angenommen wird. Manchmal guckt man, man sieht der Appendix äußerlich nichts an und der Pathologe findet drinnen in der Appendix dann eine Entzündung. In anderen Fällen ist der Wurmfortsatz schon perforiert, also mit Löchern versehen, obwohl vorher nichts zu sehen war. Da braucht man schon viel Erfahrung. Für den Wurmfortsatz gibt es viele Lagevarianten. Manchmal ist er frei in der Bauchhöhle. Oder er ist versteckt, die Entzündung gärt vor sich hin, bildet einen Abszess. Dann wird es nicht einfacher. Es kann zu einer Perforation kommen. Bei einem Blinddarmdurchbruch kann es zur Bauchfellentzündung kommen und die kann ohne Behandlung tödlich enden. Dieser Zeitpunkt der Perforation sollte möglichst vermieden und die Appendix vorher entfernt werden. Bei Frauen kann auch mal eine Eierstockzyste ähnliche Beschwerden wie eine Appendizitis verursachen. Außerdem kann der Wurmfortsatz mit der Spitze mal an der Leber hängen. Da in der heutigen Zeit die operative Entfernung des Appendix, die Appendektomie, in der Regel in laparoskopischer Technik also per Bauchspiegelung erfolgt, ist das für diese Fälle dann auch ein Vorteil zur Festlegung der weiteren Vorgehensweise.