Rees-Haldern. Die NRZ präsentiert den fünften Teil der Bandporträts zum Haldern Pop Festival. Diese neuen Sensationen konnten die Festivalmacher buchen.
Der fünfte und letzte Teil der NRZ-Bandvorstellungen zum 41. Haldern Pop Festival bietet wieder reichlich Potenzial für Neuentdeckungen. Vom 8. bis zum 10. August werden einige Bands womöglich zeigen, dass sie bereit sind für den nächsten Karriereschritt.
Wie jedes Jahr eine Erklärung: Für jede Band haben wir ein Erlebnispotenzial bewertet. Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb versuchen wir nicht eine absolute Wertung abzugeben. Das soll jeder Zuhörer für sich selbst tun. Wir versuchen hier einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Konzert für Sie zum Erlebnis werden kann.
Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Ist die Musik leicht zugänglich? Gibt’s Ohrwürmer? Ist es eher eine Nischenband? Könnte der Spielort eine Rolle spielen? Wir haben es uns nicht leicht gemacht und trotzdem werden wir sicher nicht immer recht haben. Es ist eine bescheidene Entscheidungshilfe.
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SON war 2023 das Gesprächsthema
Die irische Liedermacherin Susan O‘Neill – auch als SON bekannt – sorgte im Vorjahr beim Haldern Pop wahrlich für einen Aha-Moment. Sie war Gesprächsthema. Was ist das für eine unfassbar schöne, beseelte Stimme. Musikalisch verbindet sie irischen Folk mit Rock, Blues und Soul. Dieses Jahr ist ein Auftritt mit dem Stargaze nur folgerichtig. Das Künstlerkollektiv gehört zu den Stammgästen beim Haldern Pop und weiß sich in die Musik eines Künstlers einzufühlen. Es wird ein besonderes Konzert werden. Musik für: die Erinnerung in 20 Jahren – „Weißt Du noch damals...“. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Hörproben: „Drive“, „Now You See It“, „Baby Talk“ (mit Mick Flannery).
Der Australier Go-Jo verbindet Pop, R‘n‘B und Hip-Hop mit ein wenig Gitarre, meist ein flotter, tanzbarer Sound. Manche Stücke haben etwas balladenhaftes; die Stimme gibt das auch her. Klingt recht modern, was auch durch entsprechende Effekte unterstrichen wird. Generation Tik Tok lässt grüßen. Auch deshalb: Seit 2016 hat er etliche einzelne Songs veröffentlicht, nie einen längeren Tonträger. Aber die Musik wird millionenfach gestreamt. Musik für: ein junges Mainstream-Publikum. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Loverman“, „Mrs. Hollywood“, „See You in L.A.“.
Ganz heiße Band: Dog Race
Auch hier wieder eine Band, die gerade mal drei Lieder veröffentlicht hat. Aber Dog Race machen Lust auf mehr. Ihr Gitarren-Sound hat etwas Unheimliches, es spukt fast. Sängerin Kate Healey trägt dazu durch ihren ganz eigenen... hexenartigen Gesang bei. Synthie-Einflüsse erinnern an die 80er, zudem gibt die Band an, sich von Kraftwerk inspiriert haben zu lassen – dann haben die Engländer das Vermächtnis aber richtig spannend weiterentwickelt in Richtung Gothic-Art-Rock. Musik für: die Befreiung der düsteren Dämonen. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Hörproben: „It‘s the Squeeze“, „There Is a Mouse in My House“, „Terror“.
Ein spannendes Projekt ist die Liaison von Dave Okumu & 7 Generations. Mit „I Came from Love“ hat der in London angesiedelte Neo-Soul-Künstler mit kenianischen Wurzeln 2023 ein beachtliches Konzeptalbum vorgelegt, für das sogar die ikonische Grace Jones ihre eindringliche Stimme beisteuerte. Ein essayistischer Streifzug durch die Black Music, der eine Aufarbeitung mit der Geschichte der Sklavenhaltung anstrebt. Basslastige Rhythmen, Funk, Psychedelica, Dub, Afrobeat – der Fusion-Musiker und die 7 Generations bringen hier einiges zusammen. Musik wie: ein Mahnmal im Mantel des Dubs. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „7 Generations“, „Blood Ah Go Run“, „Eyes on Me“ (live).
Fitzgerald & Rimini ist was für Literatur-Fans
Die englische Indie-Rock-Formation Lanterns On The Lake hat bereits fünf Alben und fünf EPs veröffentlicht. Radiohead-Drummer Phil Selway hat auf dem letzten Album „Versions of Us“ (2023) das Schlagzeugspiel auf eine andere Ebene gehoben. Prägend für den melodischen Indie-Rock ist die starke Stimme von Hazel Wilde, die per se schon mal die Seele berührt. Wer ihren verträumten Sound grundsätzlich mag, wird die Band lieben. Wer nicht sofort rein kommt, braucht sich keine Hoffnung machen: Der Stil bleibt im Kern derselbe. Musik für: jene, die gerne mit offenen Augen träumen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Real Life“, „The Likes of Us“, „Through the Cellar Door“.
Fitzgerald & Rimini aus der Schweiz, das ist fast mehr Literatur-Performance als Konzert. Und das mehrsprachig. Zweifelsohne beeindruckt das gesprochene Wort, man hängt ihr an den Lippen. Autorin und Spoken-Word-Poetin Ariane von Graffenried (Fitzgerald) und der Musiker- und Klangkünstler Robert Aeberhard (Rimini) bieten ein Live-Hörspiel-Erlebnis. Sicherlich ein Beitrag, der ein noch aufmerksames Publikum verlangt. Kunst für: literaturaffine Festivalbesucher. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Walentina Tereschkowa“, „Kalamitäten Jane“, „Brüssel“.
Kommen Yard mit dem Bucketman?
Die irische Band Just Mustard lässt Noise-Rock, Shoegaze und Post-Punk in ihre experimentelle Musik einfließen; eine moderne Art des Gothic-Rocks. Zu dem recht düsteren Sound wirkt die leichte, helle Stimme von Katie Ball als Gegengewicht. Die Lieder sind nach einer hypnotischen Einführung immer gut für einen plötzlichen Ausbruch. Seit 2022 ist noch keine neue Musik dazu gekommen, vielleicht gibt es beim Haldern Pop dann einen Vorgeschmack. Musik für: jene, die Dunkelheit gut vertragen können. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Still“, „Deaf“, „I Am You“.
Wer seine Gehörgänge mal sandstrahlen lassen möchte, der ist bei der irischen Elektro-Noise-Band Yard richtig. Das ist Punk mit satten Beats und wabernden Sounds, die nichts für den Familienbesuch auf der Kirmes sind. Diese düstere Intensität könnte live viel Energie vermitteln. Man darf von ordentlich Flackerlicht ausgehen. Mal sehen, ob Maskottchen Bucketman – eine Figur, dessen Gesicht von einem Eimer verdeckt wird – mit auf die Bühne kommt. Musik für: den Teufel auf deiner Schulter. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Big Shoes“, „Exdysis“ (mit Yinyang), „Lawmaker“.
Tramhaus lassen die Gitarren sprechen
Tramhaus aus Rotterdam präsentieren ihren Indie-Rock und Post-Punk mit einem gelungenen Zusammenspiel der Gitarren mit starken Akzentuierungen. Ein rotziger Sound mit System. Das Quintett stellt sich gegen den trostlosen Alltag der Gesellschaft. Wilde Bühnenshows werden ihnen nachgesagt. Im September erscheint das Debütalbum „The First Exit“, das Haldern Pop-Publikum wird frühzeitig hören, wie das wird. Musik für: jene, die gerne zu Gitarren rocken. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Once Again“, „Beech“, „I Don‘t Sweat“.
Punk, Art-Rock mit Saxophon und einem Funky-Bass bringen Deadletter zu Gehör. Die Londoner schaffen es so, schwere Abgründe der Gesellschaft oder auch persönliche Abgründe in einem verspielten Mantel zu verpacken. Die Stimme von Zac Lawrence passt gut dazu. Das erste Album ist für September angekündigt; von ihrer Live-Dynamik kann man sich vorher schon in Haldern überzeugen. Musik für: ordentlich Alarm vor der Bühne. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Mere Mortal“, „The Snitching Hour“, „Binge“.
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Fat Dog werden live wild sein
Das Londoner Trio Ebbb hat jüngst mit „All at Once“ ihre Debüt-EP veröffentlicht. Tatsächlich gelingt es ihnen, harten Techno mit Folk zu verweben. Sanfte Flöten etwa treffen auf einen engelsgleichen Gesang mit schönen, mehrstimmigen Harmonien und dann die durchaus schnellen Beats, die aber nicht zu aufdringlich sind. So entsteht eine neuartige Klanglandschaft. Tanzbar ist das trotz der Beats eher nicht, man fließt eher mit. Musik für: die Neugier nach Neuartigem. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Himmel“, „Seamlessly“, „Answered“.
Fat Dog werden im September ihr Debütalbum „Woof“ herausbringen. Die Londoner verbinden Dance, Punk, Industrial und Klezmer. Echt jetzt? Oh ja! Und das funktioniert. Durchaus spannend instrumentiert ist das. Die Energie steckt an. Da kann man vor der Bühne richtig mitgehen. Live wird ihnen eine wilde Darbietung nachgesagt – ok, Haldern Pop macht sich bereit. Man mag sich schon das Spiegelzelt in hüpfender Ekstase vorstellen. Musik für: eine glücksselige Eskalation. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Running“, „All the same“, „King of the Slugs“.
Hana Stretton mit Low-Fi aus der Natur
Die in Australien lebende Britin Hana Stretton hat ihr Debütalbum Soon (2023) im Freien aufgenommen, begleitet nur von ihren Kühen, nachdem Buschbrände und Stürme in ihrem Haus wüteten. Im Chor der Natur entstand ein ganz anderer Low-Fi-Sound für ihre sanften Klänge. Mit ihrer zerbrechliche Stimme schafft sie es, dieses Gefühl der Einsamkeit zu konservieren. Eigentlich müsste man ihr Konzert in Haldern auch in den Wald verlegen, um der Natur vergleichbar nah zu sein. Musik wie: eine Rückkehr zur Natur. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Come Home“, „Ducks“, „Can I“.
Von London zog es Jacob Allen alias Puma Blue nach Atlanta, USA. Sein 2023er Album „Holy Waters“ behandelt die Sterblichkeit, lässt aber Raum für etwas Hoffnung. Die nachdenklichen Melodien kommen zerbrechlich daher, geben Allens starker Stimme – gerade im Falsette – den richtigen Rahmen. Jazz-Elemente und delikat ausgewählte Percussions sorgen für eine kompositorische Tiefe. Stark sind jene Stücke, die etwas mehr Kraft zulassen. Für diese Musik muss man in der richtigen Stimmung sein. Musik für: den Moment der eigenen Seelenreise. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.