Kreis Kleve/Düsseldorf. Das niederländische Leiharbeits-Unternehmen “Horizon“ kritisiert die Stilllegung von Sammelunterkünften in Emmerich im Kreis Kleve scharf.
Schimmel an den Wänden, vermüllte Wohnungen, Brandschutzmängel – die Liste der Mängel nach der Razzia von Leiharbeiter-Sammelunterkünften im Kreis Kleve hat Folgen. In Emmerich sollen die kontrollierten Unterkünfte bis zum Wochenende stillgelegt werden, auch in Geldern ist die Stilllegung der Sammelunterkunft das erklärte Ziel. Doch die niederländische Firma, die die vorwiegend aus Osteuropa stammenden Leiharbeiter beschäftigt, weist die Vorwürfe rigoros zurück.
„Es wird der Eindruck erweckt, dass wir Kriminelle sind. Das sind wir nicht“, sagt Moba Aoulad Ben Arroun, Chef der Horizon Groep, im Gespräch mit der NRZ. Der Mann ist hörbar erregt. Horizon gebe es seit 25 Jahren, 12.000 Menschen arbeiteten dort. „Die beuten wir nicht aus oder behandeln sie schlecht“, sagt er. Und außerdem: Die Unterkunft in Geldern gehöre der Horizon Groep überhaupt nicht, erklärt er. Die Menschen seien zwar in dem Betrieb angestellt, hätten das Haus aber privat angemietet.
Häuser in Emmerich werden geräumt
Die Häuser in Emmerich, in denen bei der Kontrollaktion am Sonntag unter anderem Bau- und Hygienemängel festgestellt worden seien, hingegen gehörten der niederländischen Firma – zum Teil seit zehn Jahren. Die Mängel hätte er gern behoben, sagte er der niederländischen Zeitung „De Gelderlander“. Doch stattdessen sollen die Häuser geräumt werden. Angesichts der Coronalage habe es zudem regelmäßig Kontrollen gegeben. In einem Haus allerdings hätten sich Menschen einquartiert, von denen das Unternehmen zuvor nichts gewusst habe.
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Das nordrhein-westfälische Bau- und Kommunalministerium kündigt derweil für die Zukunft weitere Razzien dieser Art an. „Aktuell werden die Ergebnisse der Kontrollaktion ausgewertet. Fortsetzungen sind vorgesehen“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf NRZ-Anfrage. Denn auch in anderen Städten wie in Kleve, Goch, Kalkar und Kranenburg gab es, wie berichtet, in der Vergangenheit Beschwerden und Probleme mit Leiharbeitsunterkünften.
Bleibt die Frage, warum eine solche Aktion nicht schon früher stattgefunden hat. Das entsprechende Wohnraumstärkungsgesetz, das den Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf Sammelunterkünfte oder auch Schrottimmobilien gibt, gilt schließlich seit Juli des vergangenen Jahres. „Im November 2021 hat die Landesregierung in einer Konferenz mit dem niederländischen Arbeitsschutz begonnen, Strukturen für eine koordinierte Zusammenarbeit zu entwickeln. Nun machen wir mit konkreten Kontrollen den nächsten Schritt“, so das Ministerium.
NRW-Arbeitsministerium hatte einen Verdacht
Auch das Arbeitsministerium ist im Hintergrund bei diesen Kontrollaktionen eingebunden. Es habe den Arbeitsschutz der Bezirksregierung Düsseldorf aufgefordert, die Unterkünfte auf die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen zu überprüfen. Denn es habe den Verdacht gegeben, dass „zwischen der Bereitstellung der Unterkunft und den Arbeitsverhältnissen der vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien stammenden Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei den niederländischen Leiharbeitsfirmen ein kausaler Zusammenhang besteht“, erläutert eine Sprecherin. Überhaupt würden die Unterkünfte von Beschäftigten der Fleischindustrie durch den Arbeitsschutz „als Daueraufgabe kontrolliert“, vor allem aber, wenn Beschwerden vorlägen.
In Deutschland gilt seit mehr als einem Jahr das Arbeitsschutzkontrollgesetz. Die Folge: Werkverträge, wie sie zuvor auch in der Fleischindustrie genutzt wurden, sind nicht mehr möglich. Mit der Gesetzesänderung ist in NRW auch die Beratungsstruktur für Menschen in prekären und ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen ausgebaut worden, erklärt das Arbeitsministerium gegenüber der NRZ.
„Das sind keine Einzelfälle“
Allein die 53 Beratungsstellen Arbeit (BSA) haben demnach im vergangenen Jahr mehr als 60.000 Beratungen dokumentiert. Auch die Initiative „Arbeit und Leben“, die das Projekt „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“ führt, berät Leiharbeitnehmer aus Ostereuropa. „Es wird oft gesagt, dass es sich um Einzelfälle handelt“, sagt der zuständige Bildungsreferent Pagonis Pagonakis, „aber das sehen wir nicht so.“ Denn: Im Jahr 2020 habe Arbeit und Leben mehr als 40.000 Arbeitnehmer aus der EU beraten, dazu kämen weitere aus Drittstaaten. Solche Kontrollaktionen wie am Wochenende seien eine Kampfansage, dass diese Zustände in Deutschland nicht geduldet werden. Auch das bulgarische Fernsehen hat ihm zufolge über die Razzia berichtet. „Die Menschen werden aufmerksam, auch in den Herkunftsländern“, sagt er.