Duisburg. Polizei und Stadt sind am frühen Morgen zu einer Razzia in den Problemhäusern in Duisburg-Neumühl ausgerückt. Was sie in den Wohnungen dort entdeckten.
Mit einem gemeinsamen Aufgebot sind Stadt Duisburg und Polizei am frühen Mittwochmorgen nach Neumühl ausgerückt. Ziel sind die Problemhäuser an der Otto-Hahn-Straße/Max-Planck-Straße, in denen Menschen aus Südosteuropa seit rund zwei Jahren illegal Wohnungen beziehen. Bis in dem Mittag hinein sind Polizisten, Ausländerbehörde und 25 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes vor Ort.
Stadt und Polizei rücken zur Razzia nach Duisburg-Neumühl aus
Ein ganzes Viertel leidet unter den schlimmen Zuständen in und rund um den verwahrlosten Wohnkomplex. Nach Angaben der Stadt hat der Eigentümer der Immobilien seit Sommer 2024 keine Mietverträge mehr abgeschlossen. Trotzdem beobachten Anwohner und legale Mieter, dass immer wieder Menschen an die Otto-Hahn-Straße gebracht werden, die dann weitere Wohnungen besetzen – bevorzugt nachts.
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Und: Die Kontrollen am Mittwochmorgen haben diese Schilderungen offenbar bestätigt. Der Eigentümer hatte der Stadt eine Liste mit unvermieteten Wohnungen zur Verfügung gestellt. Die arbeiteten die Behörden zumindest in vier Häusern des Komplexes nach und nach ab. Sie inspizierten 51 der insgesamt 250 Wohnungen in 20 Gebäuden. Der heutige Einsatz war nur ein Auftakt, weitere Razzien sollen folgen, erklärte Ordnungsdezernent Michael Rüscher.
Die Razzia ist nicht vergleichbar mit den Einsätzen der Taskforce Problemimmobilien, bei denen es zumeist um Brandschutz und Lebensgefahr für die Bewohner geht. Dass die Gebäude nicht unbewohnbar oder gefährlich sind, haben die Behörden kürzlich schon bei anderen Einsätzen überprüft, als sie Vorwürfen von Stromklau nachgegangen sind.
Teils trafen die Ordnungskräfte auf vollmöblierte Wohnungen, in denen sich aber keine Menschen aufhielten. Oder auf leere Wohnungen, in denen Matratzen, Sperrmüll und Autoreifen lagerten. Diese Wohnungen ließ der Eigentümervertreter, der mit eigenen Security-Kräften vor Ort war, entrümpeln und mit Bautüren sichern. Schnell war klar, dass der für den Abtransport der Möbel vorgesehene Transporter nicht ausreichte. Gegen 10 Uhr wurde ein großer Container angeliefert.
„Wenn ich einen Mietvertrag bekomme, zahle ich Miete und bleibe“
Eine Gruppe von 20 rumänischen Männern beobachtete den Einsatz von der anderen Straßenseite aus. Sie waren beunruhigt, diskutierten miteinander. „Wo sollen wir schlafen, wenn die uns aus den Wohnungen werfen?“, sagte ein Mann, der ein wenig Deutsch spricht. „In den Häusern leben bestimmt 200 Kinder. Wo sollen die alle hin?“ Er selbst wohnt mit seiner Frau und drei Kindern in einer der Wohnungen des Komplexes und das schon seit einem Jahr. Wie er an sie gekommen ist? „Mich hat ein Mann hier auf der Straße angesprochen. Ich habe ihm für die Wohnung 2000 Euro bezahlt.“
Florin Paun hat keine „Vermittlungsgebühr“ bezahlt. „Mein Onkel hat gesagt, zieh da ein“, erzählte er auf Englisch. Also ist der Rumäne, der als Lieferfahrer arbeitet, mit Frau und zwei kleinen Kindern, acht Monate und vier Jahre alt, vor vier Monaten rein in eine dieser Wohnungen. Er weiß, dass das illegal ist: „Ich habe Probleme, eine legale Wohnung zu finden. Ich suche ja“, sagte er. Und: „Wenn der Eigentümer mir einen Mietvertrag gibt, zahle ich Miete und bleibe.“ Die Männer bestätigten: In den Häusern wohnten überwiegend Rumänen, daneben einige Bulgaren und Menschen aus Afrika.
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Die Sorgen der Männer, heute das Dach über dem Kopf zu verlieren, war unbegründet: Die Einsatzkräfte räumten keine bewohnte Wohnung, egal ob die Menschen dort legal oder illegal wohnen. Vielmehr prüfen die Behörden nun die vorgezeigten Mietverträge. Sollten sich diese als gefälscht erweisen, sind die Menschen potenzielle Betrugsopfer.
Behörden wollen die Hintermänner ermitteln
„Die Polizei nimmt die Personalien auf und ermittelt dann“, erläuterte Michael Rüscher. Räumen lassen könne das später der Eigentümer über den Rechtsweg, da sei Zivilrecht berührt. Erklärtes Ziel ist, an die Hintermänner zu kommen: Wer schleust die Leute ins Gebäude? Wer verkauft illegale Mitverträge? Wer kassiert die Miete?
Mit dem illegalen Zuzug hat sich eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die das gesamte Quartier in Mitleidenschaft zieht. Es vermüllt, Anwohner beobachten Aktivitäten, die nichts Gutes verheißen. Sie werden bedroht und viele haben Angst, abends auf die Straße zu gehen. Diebstähle sind keine Seltenheit. Jetzt im Winter sei es relativ ruhig, berichtete erst kürzlich ein Anwohner unserer Redaktion, man habe aber schon einen Horror vor den ersten warmen Tagen und erst recht vor den Sommermonaten. „Als es die Tage wärmer war, ging es auch schon wieder los“, schilderte uns ein Nachbar.
Die Anwohner haben im Oktober 2024 vor dem Rathaus demonstriert, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Daraufhin ist es zu einem Treffen mit Oberbürgermeister Sören Link und Polizeipräsident Alexander Dierselhuis gekommen. Es endete mit dem Versprechen, etwas für die Nachbarschaft zu tun. Mit der heutigen Razzia sendeten Stadt und Polizei ein deutliches Signal in den Stadtteil.
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Zwischenzeitlich haben die Stadtwerke den Müllbergen den Kampf angesagt, Polizei und Ordnungsamt patrouillieren öfter – in Uniform und zivil. Das Wohnungsunternehmen Sahle Wohnen, das in unmittelbarer Nachbarschaft mehr als 300 Wohnungen vermietet, hat in Sicherheitsmaßnahmen investiert.
Die Razzia ist nicht die einzige Maßnahme, die die Stadt ergriffen hat, um sie Situation im Viertel zu verbessern. „Wir haben für den gesamten Wohnkomplex eine Meldesperre verhängt“, so Ordnungsdezernent Michael Rüscher. Somit könne sich niemand mehr an den Adressen anmelden, um Sozialleistungen oder Kindergeld zu erhalten.
Die genervten Anwohner haben positiv zur Kenntnis genommen, dass endlich was passiert. „Wir wussten ja, dass es nicht von heute auf morgen geht. Aber jetzt ist ein Anfang gemacht“, sagt Frank Tacken stellvertretend für die Nachbarschaft.
>> Stadt zieht ein positives Fazit nach der Razzia in Neumühl
- In den Häusern wurden 89 Personen angetroffen, wovon 27 Personen offiziell gemeldet sind. Alle nicht angemeldeten Personen werden zur weiteren Bearbeitung an die Meldestelle übermittelt. Im Fall von gemeldeten, aber nicht angetroffenen Personen wird die Abmeldung von Amts wegen geprüft. Bei 53 Angetroffenen wird seitens der Ausländerbehörde eine ausländerrechtliche Anhörung erfolgen, teilt die Stadt mit.
- Die Polizei hat 17 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs/Einmietbetrugs geschrieben und dazu eine Person zwecks Identitätsfeststellung ins Polizeigewahrsam gebracht.
- „Wir dulden es nicht, dass sich Menschen Wohnungen illegal unter den Nagel reißen, ihr Umfeld vermüllen und so das Leben anderer schwer machen. Das werden wir ändern. Mit der heutigen Meldekontrolle gehen wir den nächsten Schritt und machen sehr deutlich, dass so ein Verhalten Konsequenzen hat. Gemeinsam mit unseren Partnern tun wir alles, damit man hier im Quartier künftig wieder gut und gerne leben kann“, erklärt OB Sören Link.