Duisburg. Hochwassergefahr in Duisburgs Innenstadt? Wenn im Ernstfall das wichtige Sperrtor klemmt, greift ein Notfallsystem. Übung gibt spannende Einblicke.
Höchste Konzentration ist an diesem Tag an der Marientorbrücke in Duisburg nötig. Ein Kran hebt Zentimeter um Zentimeter stählerne Dammbalken aus dem schmalen Kanal zum Innenhafen hervor. Mit Seilen und viel Gefühl drehen die Mitarbeitenden der Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) die tonnenschweren Stahlträger um die Pumpenhalle herum und setzen sie neben der Klappbrücke ab. In der Hoffnung, sie turnusgemäß erst in einem Jahr wieder anheben zu müssen.
„Dammbalkenersatzsystem“, so nennt sich die 2016 eingebaute und in Duisburg einzigartige Schutzmauer, deren Einsatz einmal pro Jahr geprobt wird. „Das Dammbalkenersatzsystem springt ein, falls das Sperrtor mal versagt“, erklärt Christian Manthey, der als Arbeitsgruppenleiter bei den WBD für den Hochwasserschutz zuständig ist, die Funktion.
Dammbalken schützen die Innenstadt von Duisburg, sollte das Sperrtor ausfallen
Normalerweise schützt das knapp 100-Jahre-alte Sperrtor an der Marientorbrücke den Duisburger Innenhafen und die Innenstadt vor Hochwasser. Bei extremen Wasserständen wird der 15-Meter-hohe Stahlkoloss auf Eisenbahngestellen in den Kanal geschoben und mit Wasser vollgepumpt, sodass er absinkt und den Wasserdurchfluss verhindert. Doch was, wenn das Tor mal Probleme macht und im Ernstfall ausfällt? „2013 hatte es sich schief gestellt“, erinnert sich Manthey. Das sei dann Anlass gewesen, ein Notfallsystem einzubauen.
Die Mitarbeiter des WBD können die insgesamt 13 Dammbalken innerhalb nur weniger Stunden in den Zwischenhafen hinunterlassen. Je höher der erwartete Wasserstand, desto mehr Segmente werden eingesetzt. Die jährlichen Übungen für den Ernstfall zeigen Wirkung, wie Manthey erkennt: „Die Leute sind routiniert und eingespielt.“ Für die zweitägige Übung wurde die Marientorbrücke teilweise gesperrt, denn die einzelnen Dammbalken schwenken beim Heben über die Fahrbahn aus. Gelagert werden die Segmente ganzjährig direkt neben der Brücke.
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Bisher wurde das Notfallsystem noch nicht im Ernstfall gebraucht
Rund 16 Meter lang, über einen Meter hoch und neun Tonnen schwer ist jeder Balken. Nacheinander werden sie entlang einer Betonführung zwischen Sperrtor- und Pumpenhalle gestapelt, sodass eine massive Wand entsteht. Doch um im Notfall dem enormen Wasserdruck Stand zu halten, müsste im Ernstfall auch auf Seite des Innenhafens der Wasserstand steigen. „Die Balken brauchen Gegendruck“, so Manthey. Etwa vier Meter darf die Pegeldifferenz maximal betragen. Drücken also 10 Meter Wasser auf die Balken, muss der Wasserstand im Innenhafen mindestens 6 Meter hoch sein.
„So wie man ein Haus regelmäßig saniert, muss man das auch beim Hochwasserschutz tun“
Bei all der Rechnerei: Benötigt wurden die Dammbalken glücklicherweise noch nicht, das normale Sperrtor schützte bisher verlässlich bei starkem Hochwasser. „Zum Glück“, sagt Manthey. Das Dammbalkenersatzsystem sei „wie eine Versicherung“, die man zahle und hoffe, „dass man sie nicht braucht.“
Stadt will altes Sperrwerk bald erneuern
Sowieso herrscht in puncto Hochwasser laut Manthey kein Grund zur Sorge, weder an der Marientorbrücke, noch anderswo in Duisburg: „Der Hochwasserschutz ist sichergestellt“. Aktuell laufen bereits Sanierungsmaßnahmen an Deichen oder sind in Planung, um auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein. Das sei teuer, aber eben notwendig „Man muss Vorsorge treffen“, so der Arbeitsgruppenleiter und fügt hinzu: „Die Deiche sind aber grundsätzlich sicher.“
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Die Maßnahmen an den Deichen, beispielsweise in Homberg, Laar und Beekerwerth, sollten die Bevölkerung also nicht verunsichern. Manthey erklärt: „So wie man ein Haus regelmäßig saniert, muss man das auch beim Hochwasserschutz tun.“ Für die teuren Baumaßnahmen erhält die Stadt Duisburg Zuschüsse.
Im Zuge der Sanierungen hat auch das alte Sperrtor bald ausgedient. In den kommenden Jahren soll das in den 1920er-Jahren gebaute Sperrwerk für über 30 Millionen Euro umfassend erneuert werden. Der Fortschritt der Technik machte hier ebenso keinen Halt: Statt wie bisher über vier Meter wird das neue Sperrtor weit weniger als halb so breit sein.