Duisburg. Ein Sicherheitsdienst begleitet DHL-Boten ins Duisburger Problem-Hochhaus. Jetzt berichten noch mehr Paketdienste von heiklen Situationen.

Beim ersten Lesen klingt es nach einer guten Nachricht für das so verschriene Problemviertel in Duisburg-Hochheide: Die DHL beliefert den Weißen Riesen an der Ottostraße 58 bis 64 wieder mit Paketen. Wenn auch nur testweise zweimal in der Woche.

Dass die Paketboten aber von Mitarbeitern eines Sicherheitsdiensts bis ins Gebäude begleitet werden, wie es Anwohner schildern, deutet bereits darauf hin, wie es weiterhin um die Zustände am Gebäude steht. Und jetzt geben auch andere Paketdienste zu, dass es am Riesen für ihre Zusteller zu Problemen kommt.

Weißer Riese: UPS-Boten erleben „Versuche, Pakete aus der Hand zu reißen“

„Unsere Zusteller haben vor Ort schon schwierige Situationen erlebt, darunter auch Versuche, Pakete aus der Hand zu reißen, ohne sich als legitimer Empfänger zu identifizieren“, teilt ein Sprecher von UPS unserer Redaktion mit. Außerdem sei es „praktisch fast nicht möglich“, Pakete korrekt zuzustellen, weil „an den Klingeln so gut wie keine Namensschilder angebracht sind“.

Die DHL-Filiale am Bismarckplatz in Duisburg-Homberg: Monatelang mussten Bewohner des Weißen Riesen ihre Pakete hier abholen.
Die DHL-Filiale am Bismarckplatz in Duisburg-Homberg: Monatelang mussten Bewohner des Weißen Riesen ihre Pakete hier abholen. © FFS | Nick Kaspers

Deswegen geht UPS am Weißen Riesen einen Sonderweg. Die Zusteller können vor Ort selbst entscheiden, ob sie das Gebäude betreten und Pakete bis zur Wohnungstür bringen oder ob sie sie direkt im Paketshop abgeben und eine Nachricht im Briefkasten hinterlassen.

Einerseits sei das eine Lösung, um Pakete zuzustellen, wenn Klingelschilder falsch beschriftet sind und die richtigen Empfänger nicht gefunden werden können. Andererseits reagiere das Unternehmen damit auf die „schwierigen“ Zustände: „Auch um die Sicherheit unserer Mitarbeiter zu gewährleisten und weitere Vorfälle zu vermeiden, haben wir uns für diese Vorgehensweise entschieden.“

Paketdienst GLS: In mehreren Teilen von Duisburg komme es zu „Herausforderungen“

Auch GLS spricht von „Herausforderungen bei der Paketzustellung in einigen Teilgebieten von Duisburg“. Der Weiße Riese sei zwar kein alleiniger Brennpunkt, zähle aber auch dazu. Ein Sprecher konkretisiert: „Es kann vorkommen, dass Empfängeradressen fehlerhaft oder Klingelschilder nicht beschriftet sind, was den Zustellprozess erschwert.“

Deswegen liefern GLS-Boten die Pakete in den entsprechenden Gebieten nur per Ausweisverfahren aus. Sollte sich ein Empfänger nicht ausweisen können, werden Pakete umgeleitet, zum Beispiel in nahegelegene Paketshops. Außerdem erklärt der Sprecher: „Hier werden ausschließlich gesondert geschulte Fahrer eingesetzt, die mit den Gegebenheiten vor Ort umgehen können.“

DHL stoppte Paketzustellung am Weißen Riesen komplett

Die DHL stellte von Ende April bis Anfang September im kompletten Gebäude keine Pakete zu, weil sich Boten bedroht fühlten. Alle Sendungen mit den Adressen Ottostraße 58, 60, 62 oder 64 wurden direkt in die Homberger Filiale am Bismarckplatz gebracht.

Einen solchen Schritt gehen die anderen großen Paketdienste nicht. DPD und Hermes teilen unserer Redaktion mit, das Hochhaus in Hochheide weiterhin uneingeschränkt zu beliefern und keine Sicherheitsbedenken zu haben. Auch die Sprecher von UPS und GLS meinen, dass sie den Riesen weiter anfahren.

Bewohnerin des Weißen Riesen: „Hier hat sich gar nichts geändert“

Dennoch zeigen nicht nur die Sonderregelungen der beiden Dienste, dass es am bekannten Betonklotz weiter einige Probleme gibt. Auch Bewohner ärgern sich noch immer über die Zustände: „Ich parke mein Auto nicht vor dem Haus, sonst hat man das Dach oder die Fensterscheibe direkt kaputt, wenn wieder etwas heruntergeschmissen wird“, sagt Manuela Spitzwieser.

Die 53-Jährige hat die bundesweite Aufmerksamkeit für das Hochhaus genutzt, um auf die vielen Ärgernisse an der Ottostraße hinzuweisen. Als der Lieferstopp der DHL bekannt wurde, habe es sich auch gebessert: „Seitdem so viele Reporter vor Ort sind, wird plötzlich aufgeräumt“, sagte sie Mitte August.

Manuela Spitzwieser in ihrer Wohnung im Weißen Riesen. Ihre Klingel sei seit Monaten kaputt, am Zustand der Hauses habe „sich gar nichts geändert“.
Manuela Spitzwieser in ihrer Wohnung im Weißen Riesen. Ihre Klingel sei seit Monaten kaputt, am Zustand der Hauses habe „sich gar nichts geändert“. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Doch die Ordnung am Riesen war von kurzer Dauer. Ende August sorgte eine Nachbarswohnung von Manuela Spitzwieser für Aufsehen, weil dort hunderte Tauben lebten, eine dicke Schicht Kot alles übersäte und sich Möbel bis zur Decke stapelten. „Die Tauben sind raus, aber ansonsten sieht die Wohnung immer noch so aus“, erklärt sie.

Die Wirtschaftsbetriebe hätten die gelben Tonnen eingezogen, weil mehrfach Elektroschrott unter den Säcken gefunden worden sei. Spitzwiesers Klingel sei seit Monaten kaputt und immer noch nicht repariert. Und erst diese Woche habe jemand einen Eimer Wasser aus dem achten Stock gezielt auf Menschen gekippt. Kurzum: „Hier hat sich gar nichts geändert, es kehren wieder die alten Zustände ein.“

Zustände im Hochhaus: Das sagt die Hausverwaltung

Klingeln zu reparieren, den Hausflur ordentlich zu halten und das Außengelände aufzuräumen, ist Sache der Hausverwaltung, also der Grafschafter Immobilien Management GmbH (GIM) aus Moers. Und darum kümmere sie sich auch, meint Sprecher Jan Meiwes. Das Unternehmen sei „quasi täglich“ mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Kontakt, „um vor Ort einen möglichst guten Zustand herzustellen bzw. beizubehalten“.

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Wird eine defekte Klingelanlage gemeldet, werde umgehend ein Elektriker beauftragt, um die Klingel zu reparieren. Korrekte Namensschilder an den Klingeln und Briefkästen anzubringen, sei aber erst einmal Sache der Eigentümer, die ihre Wohnung vermieten. „Generell können die Mieter sich jederzeit an den Hausmeister wenden, damit er die Schilder montieren kann“, so Meiwes.

Er bestätigt, dass die Hausverwaltung mit der DHL in Kontakt war. Was beide Firmen zum Thema Postzustellung besprochen haben, dürfe er nicht verraten. Auch dürfe er keine Auskunft darüber erteilen, was nun geplant sei, um die Zustände im Weißen Riesen zu verbessern.

Städtischer Außendienst kontrolliere Siedlung „regelmäßig und anlassbezogen“

Auch die Stadt Duisburg bekräftigt: „Es gab im August einen konstruktiven Austausch zwischen der Stadt, der Deutschen Post AG und DHL sowie der Polizei“, so Sprecher Maximilian Böttner. Wann und wie Postboten die Pakete und Briefe ausliefern, obliege aber den Zustelldiensten.

„Weiterhin kontrolliert der Städtische Außendienst regelmäßig und anlassbezogen den Bereich der Hochhaussiedlung und achtet dabei auf ordnungsrechtliche Missstände und ahndet konsequent festgestellte Ordnungswidrigkeiten“, sagt Böttner. Weitere Maßnahmen, um die Zustände am Riesen kurzfristig zu verbessern, sind im Rathaus offenbar nicht geplant.

Polizei Duisburg erkennt „keine großen Sicherheitsbedenken“

Das gilt auch für die Polizei Duisburg. „Wir kommen, wenn wir gerufen werden, sind aber kein privater Wachdienst für die Siedlung oder die Zusteller“, sagt Sprecherin Ronja Baerecke.

Polizeistreifen seien in Hochheide ebenso unterwegs wie in anderen Stadtteilen. Dabei werde auch die Hochhaussiedlung stichprobenartig kontrolliert. Einen Anlass für verstärkte Kontrollen am Weißen Riesen erkennt die Behörde aber nicht: „Aus polizeilicher Sicht gibt es dort keine großen Sicherheitsbedenken.“

Schon im Juli teilte die Polizei mit, dass es am Hochhaus nicht unsicherer sei als anderswo, wenn man allein auf die Zahl der Anzeigen und Einsätze schaut. Das gilt auch für die Paketzustellung. In diesem Zusammenhang waren der Polizei nur drei Strafanzeigen bekannt: „Hier ging es um den einfachen Diebstahl von Paketen bzw. eines Briefes aus einem Briefkasten sowie einer möglichen Unterschlagung.“ Bedrohungslagen oder Beschwerden von Zustellern seien aber nicht angezeigt worden.

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>> Paketzustellung am Weißen Riesen: Stadt und DHL verteilen Flyer an Bewohner

  • Um die Bewohner des Weißen Riesen darauf hinzuweisen, wie Pakete korrekt angenommen und abgeholt werden, haben das Kommunale Integrationszentrum der Stadt und die DHL gemeinsam Flyer entworfen.
  • Das Infomaterial sei in verschiedene Sprachen übersetzt worden, „um die Situation vor Ort auch für Menschen mit Sprachbarrieren verständlicher und nachvollziehbarer zu machen“, sagt Stadtsprecher Maximilian Böttner.
  • Die Flyer seien in Räumen und an Briefkästen angebracht und dort eingeworfen worden. Außerdem wurden „Personen aus verschiedenen Communitys zusätzlich in persönlichen Gesprächen informiert“.
  • Bereits Anfang des Jahres haben die Wirtschaftsbetriebe und Hausverwaltung Flyer auf verschiedenen Sprachen im Hochhaus verteilt, die die korrekte Müllentsorgung erklären.