Duisburg. 320 Wohnungen im Weißen Riesen in Duisburg werden nicht mehr mit Paketen beliefert. Die Post spricht von „bedrohlichen Zustellsituationen“.

Die Deutsche Post beliefert ein ganzes Hochhaus in Duisburg nicht mehr mit Paketen, weil sich Zusteller dort wohl teilweise bedroht fühlen. Das bestätigt Britta Töllner, Sprecherin der DHL-Gruppe, auf Anfrage der Redaktion.

Das Gebäude ist für seine schlimmen Zustände – vor allem mit Vermüllung – stadtweit bekannt: Es handelt sich um den Weißen Riesen an der Ottostraße 58-64 in Hochheide. Demnach sind 320 Wohnungen vom Zustellungsstopp betroffen. Die Bewohner müssen ihre Pakete nun in der Postfiliale am Bismarckplatz in Homberg abholen.

Paket-Zustellung gestoppt: Post spricht von „bedrohlichen Zustellsituationen“

Den Post-Mitarbeitern könne es derzeit nicht zugemutet werden, Pakete an dieser Anschrift zuzustellen, erklärt Britta Töllner: „Wiederholt kommt es dort zu herausfordernden bis hin zu bedrohlichen Zustellsituationen.“

Ende April habe sich die Post dazu entschieden, das Gebäude nicht mehr mit Paketen zu beliefern, um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Das Unternehmen sei in Kontakt mit den Hausmeistern und Behörden.

Ein Hochhaus in Duisburg ist bekannt für seine Probleme mit wilden Müllkippen und Lärmbelästigungen. Jetzt liefert die Post keine Pakete mehr dorthin aus.
Ein Hochhaus in Duisburg ist bekannt für seine Probleme mit wilden Müllkippen und Lärmbelästigungen. Jetzt liefert die Post keine Pakete mehr dorthin aus. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Briefe würden weiterhin an den Riesen ausgetragen. Dabei gibt es nach Angaben der Post aber ein weiteres Problem: „Hinzu kommt, dass Klingeln, Briefkästen und Wohnungstüren teilweise unzureichend oder gar nicht beschriftet sind.“ Briefe würden nur zugestellt, „sofern eine einwandfreie Zuordnung in einem intakten Empfängerbriefkasten möglich ist“.

Duisburger Westen fällt erneut negativ bei der Deutschen Post auf

Nach 2021 ist es nun der zweite Fall im Duisburger Westen, bei dem die Deutsche Post die Zustellung zum Schutz der Mitarbeiter verweigert. Vor drei Jahren traf es rund 100 Wohnungen am Erlinghagenplatz in Friemersheim.

Dort seien Post-Beschäftigte regelmäßig von Menschen bedrängt worden, die mitten in der Pandemie keine Maske getragen und keinen Abstand eingehalten hätten, hieß es damals. Erst nach Monaten fuhr die Post den Erlinghagenplatz wieder an.

Auch jetzt will die Post das Hochhaus in Hochheide erst wieder beliefern, wenn eine sichere Zustellung möglich ist. Bislang scheint aber noch nicht klar zu sein, wann dies der Fall sein wird und welche Maßnahmen dafür nötig sind. Denn die Erfahrungen am Riesen gehen seitens der Stadt, Polizei und Post auseinander.

Ordnungsamt kontrolliere Riesen regelmäßig, vor allem wegen Müllkippen

Die Stadt Duisburg berichtet von vier Einsätzen wegen Ruhestörungen am Riesen in diesem Jahr. 19 Mal hätten es Mitarbeiter des Ordnungsamts mit wilden Müllkippen zu tun gehabt. Außerdem sei das Gebäude 83 Mal ohne konkreten Anlass kontrolliert worden.

Aber: „Einschätzungen zur Sicherheitslage vor Ort, insbesondere in Bezug auf die Begehung von Straftaten, kann ausschließlich die Polizei vornehmen“, sagt Stadtsprecher Christoph Witte gegenüber der Redaktion.

Sicherheitsproblem? Polizei sieht „weniger dramatisches Bild als angenommen“

Und die Einschätzung der Polizei fällt anders aus als die der Post: „Das Problem, das die Post dort sieht, lässt sich mit unseren Zahlen nicht belegen. Die Zahl der angezeigten Straftaten und der Einsätze sprechen nicht für ein Sicherheitsproblem an den Weißen Riesen“, erklärt Sprecherin Julia Tekock gegenüber der Redaktion.

Genau beziffern könne sie nicht, wie oft die Polizei zu den Hochhäusern ausrückt und wie viele Straftaten dort angezeigt werden. Julia Tekock will auch nicht ausschließen, dass es eventuell ein Dunkelfeld an Taten gibt, die der Polizei nicht gemeldet werden.

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Insgesamt sieht die Polizei aber ein „weniger dramatisches Bild als angenommen“. Dass es dort häufig zu bedrohlichen Situationen kommt, könne sie nicht bestätigen.

Stattdessen habe die Polizei den Eindruck, dass nur das „subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger beeinträchtigt“ sei, weil sich rund um das Gebäude an der Ottostraße häufig Menschen ansammeln und es dort große Probleme mit Dreck und Müll gebe.

Bewohnerin: „Horde von Leuten steht um den Postmitarbeiter herum“

Von diesen Problemen haben Anwohner dieser Redaktion schon häufig berichtet: Von Tüten voller Hausmüll, die vom Balkon geschmissen werden, von Sperrmüll, der einfach am Haus abgestellt wird und von Tauben, die in den Mietwohnungen nisten.

Anwohner berichten, wie Müll aus dem Hochhaus in die Bäume fliegt. Damit haben die Behörden schon länger zu kämpfen.
Anwohner berichten, wie Müll aus dem Hochhaus in die Bäume fliegt. Damit haben die Behörden schon länger zu kämpfen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Wie dreckig und vermüllt der Betonklotz ist, sieht jeder, der nur mal daran vorbeigeht. Und manche, die darin wohnen, haben durchaus Verständnis für das Unsicherheitsgefühl der Zusteller.

So erklärt Bewohnerin Adelina Fontein: „Ich habe schon mehrmals gesehen, wie eine Horde von Leuten um den Postmitarbeiter herumsteht und am Hauseingang die Pakete verlangt.“ Teilweise seien diese Menschen den Zustellern durch das Haus gefolgt, „und der Mitarbeiter hatte viel zu tun, um sie abzuwimmeln“.

Bewohnerin finde viele geöffnete Briefe im Hausflur

Fontein finde selbst immer häufiger Briefe, die an sie adressiert sind, aber bereits geöffnet im Hausflur herumfliegen. „Dadurch habe ich Rechnungen von den Stadtwerken und der Telekom nicht bekommen und muss jetzt schon knapp 100 Euro Mahnungsgebühr zahlen“, sagt sie.

Inzwischen bekommt sie die Rechnungen per Mail, doch das unwohle Gefühl, dass Hausbewohner einfach ihre Briefe öffnen, bleibt. „Dabei war 2019, als ich eingezogen bin, noch alles in Ordnung.“

Weißer Riese: Was planen Stadt und Polizei?

Wer unternimmt nun etwas, damit sich die Bewohner und Post-Mitarbeiter wieder sicherer fühlen? Sowohl die Stadt als auch Polizei geben an, Ende Juni von der Post über den Auslieferungsstopp informiert worden zu sein. Konkrete Maßnahmen sind bei beiden Behörden bislang aber wohl nicht geplant.

Polizei-Sprecherin Julia Tekock sagt: „Die Einsätzekräfte der Polizeiwache Ruhrort sind auch für den Bereich rund um die Weißen Riesen zuständig, sie sind für die Probleme sensibilisiert und haben den Bereich im Blick.“

Seitens der Stadt heißt es, das Ordnungsamt kontrolliere das Umfeld des Gebäudes auch künftig regelmäßig, „um unter anderem die Entstehung von wilden Müllkippen und das unerlaubte Abstellen von Fahrzeugen im näheren Umfeld zu verhindern“, so Stadtsprecher Christoph Witte. Die Mitarbeiter des Integrationsamts seien „eng in die Maßnahmen eingebunden“.

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>> Zustellungsstopp: So kommen Bewohner nun an ihre Pakete

  • Alle Pakete mit den Adressen Ottostraße 58, 60, 62 oder 64 werden nun zur Postfiliale am Bismarckplatz in Homberg gebracht, teilt die DHL-Gruppe mit.
  • Um die Lieferungen abzuholen, werden viele Bewohner jetzt pro Weg gut 20 Minuten zu Fuß gehen oder zehn Minuten mit dem Bus fahren müssen, denn die Filiale liegt gut eineinhalb Kilometer entfernt.
  • Die Empfänger werden per Benachrichtigungskarte informiert und haben sieben Werktage Zeit, die Sendungen abzuholen. Bei der Abholung müssen sie einen Personalausweis vorlegen.
  • Die Weißen Riese in Hochheide sind mit jeweils 20 Stockwerken die höchsten Wohngebäude der Stadt. Ursprünglich wurden sechs dieser Hochhäuser gebaut. Zwei wurden gesprengt, ein drittes soll 2025 abgerissen werden.