Duisburg. Ein Vermieter bietet eine Wohnung mit schwarzen Flecken für 1200 Euro an und kassiert böse Kommentare. Doch solche Anzeigen sind kein Einzelfall.
Eine große, helle Wohnung mit Balkon in ruhiger Lage stößt in einer Stadt wie Duisburg meist schnell auf Zuspruch. Ganz anders läuft es mit einer Anzeige, die gerade beim Portal „Kleinanzeigen“ für Rumeln-Kaldenhausen angeboten wird: Sie erhitzt die Gemüter in den sozialen Medien.
Dabei sieht das Inserat auf den ersten Blick so vielversprechend aus. Es bewirbt eine „schöne 3,5-Zimmer-Wohnung“ mit 86 Quadratmetern in Rumeln. Das erste Bild zeigt ein top ausgeleuchtetes Bad mit schicken Fliesen und einem großen Spiegelschrank.
Dreistes Wohnungsangebot: Vermieter bekommt Ärger bei „Facebook“ ab
Weiter gehts mit Fotos vom Balkon mit zwei Pflanzkästen und bodentiefem Fenster zur Wohnung – auch der Balkon kann sich bis auf ein paar Schrammen in den Fliesen und der Mauer noch sehen lassen.
Doch ab Bild fünf zeigt sich des Pudels Kern. Plötzlich tauchen alte Vorhänge und schwarze Flecken an den Wänden auf. Das Zimmer, in dem offensichtlich mal die Küche stand, ist mehr grau als weiß. Und wer jetzt vermutet, die Wohnung sei wenigstens zum Schnäppchenpreis zu haben, wird erst recht enttäuscht. Der Vemieter verlangt inklusive Nebenkosten knapp 1200 Euro.
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Der Anbieter postet den Link zur Anzeige bei „Facebook“ und fängt sich innerhalb eines Tages rund 20 böse Kommentare. Nutzer hinterfragen, was hinter den schwarzen Flecken steckt, vermuten Schimmel oder sogar einen Brand. Sie kritisieren, warum nicht wenigstens mal frisch gestrichen wurde. Und dann natürlich der Preis. Eine Nutzerin fasst ihren Ärger zusammen: „Da fehlen einem die Worte.“
Mieterschützer meint: Zu teure Wohnungsangebote sind keine Einzelfälle
Solche Anzeigen für zu teure Wohnungen im schlechten Zustand sind leider keine Einzelfälle, meint Peter Heß, Geschäftsführer des Mieterschutzbunds Niederrhein mit Sitz in Duisburg. Er sei oft bei Mietern zu Besuch, um die Zustände zu überprüfen, und meint: „Ich habe noch nie so viele kaputte Wohnungen gesehen wie in den vergangenen zwei Jahren.“
Wohnungsanzeigen mit viel zu hohen Preisen seien in fast allen Stadtteilen zu finden. In schlechten Zuständen seien die vermieteten Objekte vor allem in alten Arbeitersiedlungen im Westen und Norden Duisburgs. Besonders schlimm sei die Lage in Rheinhausen. Dort hat das Immobilienunternehmen Adler vor gut zehn Jahren tausende Wohnungen gekauft.
Nirgendwo in Duisburg gebe es mehr unbearbeitete Rohrbrüche als in Rheinhausen
Vor einem Jahr untersuchten Ermittlungsbehörden einige Räume des Adler-Konzerns wegen des Verdachts der Marktmanipulation. „Seitdem ist das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten und Rohrbrüche werden erst dann bearbeitet, wenn eine Versicherung gefunden wurde, die es bezahlt“, meint der Mieterschützer.
Diese Erfahrung macht zum Beispiel Adler-Mieterin Inge Nowak aus Rumeln, die seit über einem halben Jahr ohne Bad auskommen muss. Sie ist ein Extremfall, aber unter Adler-Mietern wohl nicht alleine, sagt Peter Heß: „In keiner Ecke der Stadt gibt es so viele Menschen, die in nassen Wohnungen leben, wie in den alten Kruppsiedlungen in Rheinhausen.“
Mieterschützer: „Moral bleibt oft auf der Strecke“
Wer bei einem privaten Vermieter unterkommt, habe oft Glück. „Diejenigen, die mit einer Immobilie ihre Rente aufbessern wollen, wollen sich meist den Stress des Mieterwechsels ersparen und die Wohnung weiter vermietbar halten.“ Andererseits würden Bewerber bei privaten Vermietern häufiger auf Vorurteile stoßen.
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So oder so ist Heß der Meinung: „Wohnen wird zur Handelsware, die Moral bleibt oft auf der Strecke.“ Viele Vermieter würden die – wenn auch manchmal nur gefühlte – Wohnungsnot in Duisburg ausnutzen: „Je stärker sich der Gedanke verankert, froh über überhaupt eine Wohnung sein zu müssen, desto eher kann man Unsummen verlangen.“
Auch im Vorort werden hohe Mieten verlangt
Das merken nicht nur diejenigen, die im Stadtzentrum nach einer Wohnung suchen. Es gelte inzwischen als üblich, auch Wohnungen im Vorort teuer anzubieten und mit der ruhigen Lage zu argumentieren, erklärt er. „Dass der Nahverkehr nicht nachkommt, interessiert viele Vermieter nicht, weil sie selbst den ÖPNV meist nicht nutzen.“
Dabei habe Duisburg mit Universitätsstädten und Städten mit „Sogwirkung“ wie München, Stuttgart, Hamburg und Berlin nichts gemein. In der Stadt gebe es einen großen Anteil an gewerblicher Arbeit, sodass viele Einwohner gerade mal den Mindestlohn verdienen. „Hier schmerzt es viel mehr, solche hohen Mieten tragen zu sollen.“
Das sagt der Mieterschützer zur Anzeige in Rumeln-Kaldenhausen
Dass die Wohnung in Rumeln-Kaldenhausen viel zu teuer angeboten wird, findet übrigens auch der Mieterschützer. Die Vermieter fordern eine Grundmiete von rund zehn Euro pro Quadratmeter. „Selbst nach den extremen Preiserhöhungen ist im jetzt geltenden Mietwertspiegel der Stadt Duisburg für Wohnungen in vergleichbarer Größe und Baujahr eine Basismiete von gerade einmal 5,85 Euro vorgesehen.“
Peter Heß meint außerdem, dass es einen Renovierungsstau in dieser Wohnung gebe. Seit Jahren seien Reparaturen unterlassen oder nicht fachgerecht durchgeführt worden.
Sein Fazit: „Wer diese Wohnung dennoch anmietet, sollte genügend Freizeit und vor allem handwerkliches Geschick für die umfassend notwendige Renovierung vor Bezug der Räume mitbringen.“
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>> Achtung vor zu teuren Wohnungen: Diese Tipps gibt der Mieterschützer
- Um nicht in die Falle skrupelloser Vermieter zu tappen, empfiehlt Heß, frühzeitig mit der Wohnungssuche zu beginnen. Dadurch werde eine Notsituation vermieden, in der man eine zu teure Wohnung kaufen oder mieten muss.
- Außerdem rät er, Bekannte nach freien Wohnungen zu fragen. „Wenn man von Bekannten eine Wohnung bekommt, kann man eher darauf vertrauen, dass die keine Bruchbude vermieten.“
- Der Mieterschutzbund Niederrhein und andere Mieterschutzvereine bieten den Service an, Angebote zu überprüfen, bevor man eine Wohnung kauft. Heß rät, diesen Service zu nutzen, um auch keine versteckten Regeln im Mietvertrag zu übersehen.