Düsseldorf. Seine Eltern haben ihn einfach machen lassen: Jacques Tilly probierte schon als Kind seine Grenzen aus. Ein Rückblick auf ein bisher bewegtes Leben.

„Ich habe lebenslänglich Karneval bekommen!“ Dieses Satz sagt Jacques Tilly häufig, wenn er auf Leute trifft, denen er ein paar Einblicke in sein Privatleben gönnen will. Wie vor ein paar Tagen bei einem Pressetermin mit der NRZ im Stadtmuseum. Dort läuft derzeit - und sogar noch bis August - eine Ausstellung unter dem Titel „Freigeist Jacques Tilly“. Als Besucherinnen und Besucher den weltberühmten Düsseldorfer Wagenbauer entdeckten, lud der 61-Jährige spontan zur exklusiven Führung durch die wirklich sehenswerte Schau. Besonders beliebt ist der Raum, in dem Kinder- und Jugendfotos und erste Werke des Künstlers gezeigt werden. Dort bekommt der Betrachter eine Ahnung davon, wie aus dem kleinen Jacques ein großer Freigeist werden konnte.

Eine eigene Ausstellung für Jacques Tilly

Das Stadtmuseum Düsseldorf, Berger Allee 2, präsentiert seit 9. Februar und bis zum 10. August 2025 eine einzigartige Retrospektive von Jacques Tilly. Die Ausstellung „Jacques Tilly. Freigeist - 200 Jahre Comitee Düsseldorfer Carneval e. V.“ bietet einen umfassenden Einblick in das Werk des renommierten Karnevalskünstlers und Satirikers, der mit seinen Karnevalswagen weit über Düsseldorf hinaus bekannt wurde. Der Eintritt ist frei.

Die Ausstellung kann von dienstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr, im Stadtmuseum Düsseldorf besucht werden. im Auf der Homepage der Stadt gibt es weitere Infos zur Schau.

Die Eltern Thomas und Jeanne Tilly haben ihren Sohn nämlich einfach machen lassen. „Es gab keine Erziehung, noch nicht einmal eine anti-autoritäre, das hätte ja auch schon wieder mit Ideologie zu tun gehabt“, erzählt der Mann im roten Arbeiter-Overall viele Jahre später. „Das heißt aber auch nicht, das ich zum Monster erzogen wurde, es gab schon Leitplanken.“ Beispielsweise wäre er nie auf die Idee gekommen, Tiere zu quälen oder Menschen zu verletzen. „Also ein Seil zu spannen, damit andere Leute drüber stolpern, das war halt nicht cool.“

+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++

Und trotzdem erinnert sich Düsseldorfs Obernarr an viele Situationen, bei denen die Polizei bei den Tillys vor der Tür standen. Der kleine Jacques konnte gut klettern. „Da bin ich bei uns in Oberkassel eine Gaslaterne hochgestiegen und hab die ausgeknipst.“ Ein anderes Mal baute der Rabauke eine lebensgroße Stoffpuppe und stopfte sie ins Geäst eines Baumes an den Rheinwiesen. „Direkt vor meiner Haustüre. Die Leute waren geschockt und haben die Feuerwehr gerufen. Das gab ziemlichen Ärger“, so Tilly, der als Kind nur „Bandido“ genannt wurde. Möglicherweise zurecht.

Jacques Tilly im Februar 2025: Eigene Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum.
Jacques Tilly im Februar 2025: Eigene Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum. © NRZ | Stephan Wappner

Jacques Tilly griff aber auch schon als kleines Kind zu Farbe Pinsel, malte Bilder, die er schon - ganz der Künstler - mit persönlicher Widmung verschönerte. Im Stadtmuseum ist ein Bild ausgestellt, mit Wasserfarbe gemalt. Ein Gespenst. Bildunterschrift: „kschBenst - hohou!“ Als Grundschüler baute er seine erste Konfetti-Kanone und drehte Filme mit selbstgebastelten Dinosauriern. „Ich war auch großer Fan der Augsburger Puppenkiste“ erzählt Tilly.

Auch interessant

Später ging es aufs Comenius-Gymnasium. „Ich war ein eher stiller Schüler, hab im Unterricht vor mich hin geträumt. In der Oberstufe bin ich dann aufgetaut und habe mein Abi mit Durchschnittsnote 2,1 bestanden. Das ist doch ganz okay.“ Für den späteren Künstler war das Comenius im Linksrheinischen „genau die richtige Schule“. Es waren die 70er Jahre, Reformzeit. „Es gab ein ganz neues antifaschistisches Unterrichtskonzept, das hat mich schon sehr geprägt.“ Der 61-Jährige kann sich aber auch an Lehrreiches aus der Grundschulzeit erinnern: an einen Film erinnern, den er in der fünften Klasse sah: „Bei Nacht und Nebel“ - eine eindringliche Dokumentation aus dem Jahr 1955 über das Geschehen in den Konzentrationslagern. Tilly: „Da hab ich das Schlimmste vom Schlimmen gesehen - ein einschneidendes Erlebnis.“

Für sein Studium an der Essener Gesamthochschule (Kommunikationsdesign) brauchte er sage und schreibe neun Jahre. Das ist ziemlich lang, aber Jacques Tilly begann in den 1980er ja auch schon, Mottowagen für den Düsseldorfer Karneval zu entwerfen und zu bauen. Das allererste Exemplar wurde - natürlich - von CDU-Kanzler Helmut Kohl geschmückt: „Birne“ Kohl liegt mit Cola-Fläschchen in der Sonne - und tut nix, während die Wirtschaftskrake sich von hintern nähert...

Tillys Stalin-Mottowagen in 1990 in Leipzig: „Die meisten Leute haben das gar nicht verstanden, sie waren verdattert.“
Tillys Stalin-Mottowagen in 1990 in Leipzig: „Die meisten Leute haben das gar nicht verstanden, sie waren verdattert.“ © Jacques Tilly

Als Student erlebte Tilly auch die Wendezeit in der damaligen DDR. Im März 1990 ging es mit einem sehenswerten Mottowagen, der eine tote Stalin-Figur zeigte, über die Grenze. „Die DDR gab es noch, aber es war klar, dass dieser Staat nicht mehr lange existieren wird“, berichtet Tilly. Er zog mit seinem Stalin-Wagen von Stadt zu Stadt und stieß nicht nur auf Begeisterung. „Die meisten Leute haben das gar nicht verstanden, sie waren verdattert und zum Teil auch erbost über die Karikatur.“

Das ist ja bis heute so. Tillys Mottowagen werden in der ganzen Welt gezeigt. Sein bissiger Polit-Spott kommt natürlich nicht überall an. Hassnachrichten und Todeswünsche sind gerade in der heißen Zeit während und nach dem Rosenmontag an der Tagesordnung. „Die sind sehr kreativ, ich lache mich zum Teil kaputt“, sagt Tilly, der die „besten Hassnachrichten“ in einem dicken Buch eingeklebt hat. Auch dieses Buch wird im Stadtmuseum ausgestellt. Bei seinem exklusiven Rundgang blättert der Wagenbauer amüsiert durch und sagt zu seinen Fans: „Sie können gerne mal reinschauen, ist super!

Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Düsseldorf