Düsseldorf. Oliver Sponholz (42) hat einen langen Leidensweg hinter sich. Er hat 160 Kilo abgenommen. Heute ist der Düsseldorfer fit - und hilft anderen.
Ein cooles T-Shirt mit dem Aufdruck „Ride With The Devil“ tragen, kann jeder. Aber Oliver Sponholz passt es wie eine zweite Haut. Er hat so einen Teufelsritt hinter sich. Vierzehn Jahre ist es her, als ein Arzt den entscheidenden Satz sagte: „Wenn Sie so weitermachen, erleben Sie Ihren 40. Geburtstag nicht mehr!“ 250 Kilo war Oliver Sponholz damals schwer. Er konnte sich nur mit Mühe bewegen, die Organe waren verfettet, das Herz pumpte gegen das krankhafte Übergewicht an. Das war der Tag, als sein persönlicher Ritt mit dem Teufel begann. Er hat das Duell gewonnen – heute ist der 42-Jährige in der Form seines Lebens.
Klischees sitzen leider meist tief. Wenn sich Oliver Sponholz als Leiter der Düsseldorfer Adipositas-Selbsthilfegruppe vorstellt und sagt, dass er 160 Kilo abgenommen hat, dann schaut er in erstaunte Gesichter. Ja, und auch ich gebe selbstkritisch zu: Nach einem Mann mit Bodybuilderstatur und fast 50 Kilo Muskelmasse am Leib habe ich an unserem Treffpunkt auf dem Flur des Adipositaszentrums des Martinus-Krankenhauses nicht Ausschau gehalten.
Mein Gesprächspartner hat einen kräftigen Händedruck. Die gebräunten Beine stecken in kurzen Jeans, der rechte Arm ist bis über den imposanten Bizeps tätowiert. Später wird er die vielen Narben zeigen, die sich über seinen Körper ziehen. „Ich habe insgesamt drei Meter Narben“, sagt er. Mahnmale, die er mit Stolz trägt. Weil sie für sein neues Leben stehen, das er sich geschenkt hat.
Wir unterhalten uns nach Dienstschluss im Wartezimmer, in dem sonst Patienten sitzen, die ihre Reise zum gesunden Körpergewicht noch nicht vollendet haben. Oliver Sponholz muss weit ausholen, um seine Geschichte zu erzählen. Er war acht Jahre alt, als ihm Mandeln und Polypen herausoperiert wurden. Ein Routine-Eingriff mit Folgen. „Von da an bin ich aufgegangen wie ein Hefekuchen.“ Ein Phänomen, das Ärzte offenbar häufiger bei Kindern beobachten, medizinisch aber noch nicht eindeutig erklären können.
Bei Oliver Sponholz nahm die Gewichtszunahme extreme Ausmaße an. Er verlor die Kontrolle. Mit 14 Jahren wog er 90 Kilo, obwohl er Tennis und Fußball spielte. Seine Eltern schickten ihn in eine Kur, wo er 18 Kilo abnahm, das Gewicht aber nicht halten konnte. Mit 17 konnte er nur noch Kleidung in Übergröße kaufen, mit 27 wusste er nicht mehr, wie viel er wiegt, weil die Waage nur bis 150 Kilogramm ging. Eine Marke, die er längst gesprengt hatte.
Die Waage in der Universitätsklinik zeigte 250 Kilogramm an
„Ich habe mich damals ins Computerspielen geflüchtet“, erzählt er. „In der Öffentlichkeit war ich ein Niemand, online eine große Nummer.“ Beim Zocken war er richtig gut. Wie sehr sein Körper litt, verdrängte er. „Ich konnte ja noch alles.“ In die dritte Etage laufen und Schuhe binden war zwar mühsam, aber möglich.
Auszeichnung für Adipositaszentrum
Das Düsseldorfer Alexianer St. Martinus-Krankenhaus gehört seit Jahren zu den führenden Einrichtungen in der Behandlung von Übergewicht. Das Adipositaszentrum wurde jetzt als Exzellenzzentrum zertifiziert. „Hiermit ist die höchst mögliche Stufe des Nachweises für Expertise, fachliche Qualifikation und umfassende Betreuung erreicht“, teilt das Krankenhaus mit.
Das Gütesiegel der unabhängigen Prüfinstanz zeichne das Adipositaszentrum unter der Leitung von Dr. med. Dmitrij Dajchin als einen von zehn deutschlandweit vorhandenen Ausnahme-Spezialisten in der Behandlung von Menschen mit Fettsucht, Fettleibigkeit und starkem Übergewicht aus.
Die Auszeichnung ist für drei Jahre gültig und an Bedingungen geknüpft: Anzahl und Qualität der vorgenommenen Operationen sowie Behandlungen im interdisziplinären Expertenteam und in der Langzeitnachsorge müssen regelmäßig nachgewiesen werden.
2012 wurde das Adipositaszentrum erstmals als Kompetenzzentrum zertifiziert und seitdem regelmäßig erfolgreich rezertifiziert. In Deutschland gibt es aktuell 119 zertifizierte Adipositaszentren, von denen sich zehn als Exzellenzzentren qualifizieren konnten.
Mehr Information: www.martinus-duesseldorf.de.
Immer mal wieder versuchte er es mit Diäten. „Slimfast, Herbalife – ich habe alles probiert.“ Mit 28 nahm er dann an einem Abnehmprogramm der Düsseldorfer Uniklinik teil. Als er dort auf die Waage stieg, war er am Tiefpunkt seines Lebens angekommen. Die Waage, die bis 220 Kilo ausgelegt war, zeigte „Error“ an. „Das war so erniedrigend!“ Er war der einzige der übergewichtigen Gruppe, der auf eine Industriewaage der Klinik steigen musste: 250 Kilo!
„Das hat mir die Augen geöffnet.“ In der Uniklinik begegnete er einem Patienten, der eine Schlauchmagen-Operation hinter sich hatte. Und er sah, wie schnell dieser an Gewicht verlor. „Da wusste ich, dass das mein Weg ist.“ Er stürzte sich in die Recherche und stieß auf Dr. Matthias Schlensack, bei dem er sich operieren lassen wollte. „Eine absolute Koryphäe.“ Als der Mediziner aus Essen nach Düsseldorf wechselte und den Grundstein für das Adipositaszentrum des St. Martinus-Krankenhauses legte, war Oliver Sponholz einer der ersten auf dem OP-Tisch.
Die Schlauchmagen-Operation war für Oliver Sponholz gefährlich
Das Datum der Schlauchmagen-OP hat sich in sein Gedächtnis eingegraben: 4. Mai 2011. Im März hatte die Krankenkasse die Kostenübernahme bewilligt. „Ich war ein absoluter Risikopatient und hatte Angst, dass ich die Augen nach dem Eingriff nicht mehr öffnen werde.“ Er hat überlebt und sich in ein gesundes Leben gekämpft.
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Wer sich einen Schlauchmagen operieren lässt, verkleinert das Volumen seines Magens extrem. Bei Oliver Sponholz reduzierte sich das Fassungsvermögen von 1,8 Litern auf 120 Milliliter. „Das ist ein halbes Glas Kölsch.“ Ein Schlauchmagen funktioniere wie eine Krücke, versucht er die Methode zu erklären. Eine Unterstützung, um den Lebensstil zu ändern. „Man kann zu Beginn gar nicht anders, als wenig zu essen“, sagt der 42-Jährige. „Anfangs war ich nach einem Fruchtzwerg satt.“
„„Ich hatte am Bauch eine Fettschürze, die fast bis zu den Knien gereicht hat.““
Aber wer den Schlauchmagen nicht pflegt, setzt den Erfolg der OP auf Spiel. „Das ist immer noch ein Muskel, der sich auch wieder ausdehnen kann.“ Oliver Sponholz hat gelernt, Maß zu halten und den Sport zu seinem Alltagsbegleiter gemacht. An sechs Tagen pro Woche trainiert er je 2,5 Stunden im Fitnessstudio. Dazu kommen täglich mindestens 25 000 Schritte.
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Dass sein Körper so gut in Form ist, war mehr als harte Arbeit. Insgesamt sechs Operationen waren nötig, um die Haut zu straffen. „Ich hatte am Bauch eine Fettschürze, die fast bis zu den Knien gereicht hat.“ 2017 war er mit allen medizinischen Eingriffen durch. Erinnerungen an diese Zeit trägt er im Fotoarchiv seines Smartphones immer bei sich.
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Eines ist Oliver Sponholz besonders wichtig: Ohne die Selbsthilfegruppe hätte er all das nicht geschafft. Nur vier Tage nach der Magen-OP hat er die Gruppe im damals neuen Adipositaszentrum des Martinus-Krankenhauses gegründet. Und seitdem leitet er sie auch. Nicht nur, weil dieser Austausch mit Gleichgesinnten ihm Halt gibt. „Ich möchte meine Erfahrungen auch an andere weitergeben.“
Adipositas-Selbsthilfegruppe trifft sich im Düsseldorfer St. Martinus-Krankenhaus
Zweimal pro Monat gibt es Treffen, dazu einen Stammtisch und gegenseitige Unterstützung in einer Whatsapp-Gruppe. Alle Informationen gibt es im Internet unter www.martinus-duesseldorf.de oder per Mail an Oliver Sponholz unter shg-martinus@gmx.de.
Heute kann Oliver Sponholz sagen, dass er jetzt die besten Jahre seines Lebens hat. Er hat sich beruflich verändert und ist glücklich mit seiner Stelle als Informationstechniker bei der Polizei in Duisburg. Und auch privat ist etwas sehr Schönes passiert: „Ich habe am 20. April geheiratet.“ Kennengelernt hat er seine Frau übrigens in einem Restaurant, bei seinem Stamm-Griechen. „Essen kann ich wieder ganz normal.“ Nur die Portionen sind eben kleiner.