Düsseldorf. Der Düsseldorfer Marwan El Jaddouh lebt seit 1990 in Deutschland – und wird weiterhin nur geduldet. Ungewissheit hat ihn in eine Krise gestürzt.
Marwan El Jaddouh legt seine Hände auf den Tisch und greift nach den Zigaretten, dann muss er einmal kurz durchpusten, bevor er anfängt zu erzählen. Es ist eine ungewöhnliche Lebensgeschichte – und doch ist er mit ihr nur einer von vielen: Ein Mensch ohne Papiere, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt – und doch nicht so wirklich frei leben kann.
Im Jahr 1990 ist der Düsseldorfer gemeinsam mit seiner Familie aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. Da war er gerade einmal drei Jahre alt. Im Kreis Borken ist er zur Schule gegangen, hat viel gelernt und sich in der neuen Heimat schnell integriert, erzählt der 37-Jährige. Seit etwa vier Jahren lebt er in Düsseldorf.
Seit 34 Jahren in Deutschland: Staatsangehörigkeit ungeklärt
Seine Mutter ist Libanesin, sein Vater ein anerkannter Staatenloser. Marwan El Jaddouh wird in Deutschland geduldet, das heißt, seine Abschiebung wird lediglich ausgesetzt – und das seit 34 Jahren. Auch heute hat er seine Duldungsbescheinigung dabei, zerknittert ist der kleine grün-rosa Zettel, den erst vor wenigen Tagen bei der Ausländerbehörde gegen einen neuen eintauschen musste. „Ich bin manchmal so wütend, dass ich den Zettel einfach zerknülle. Ich schäme mich für dieses Papier“.
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Das Problem: Ihm fehlt ein Nachweis darüber, dass er aus dem Libanon kommt. Schnell kramt er eine offizielle Bescheinigung der libanesischen Behörden heraus, auf denen die Gründe für seine Situation erläutert sind: Der Wahl-Düsseldorfer stammt aus dem Al-Lahaib-Clan libanesischer Herkunft, der nicht im libanesischen Zivilregister eingetragen ist. Einen libanesischen Ausweis oder einen libanesischen Pass besitze er daher nicht. Seine Staatsangehörigkeit bleibt somit ungeklärt.
Düsseldorfer Marwan El Jaddouh: „Wie gerne würde ich mal reisen“
Von Anfang an habe es ihm gegenüber Vorurteile gegeben, sagt er. „Keiner ist mir entgegengekommen!“ Arbeiten geht der 37-Jährige – dank einer Arbeitserlaubnis. Früher in der Gastronomie in der Düsseldorfer Altstadt, seit 2021 als Kundenberater einer Bank. Das Reisen außerhalb Deutschlands ist ihm jedoch verboten. „Wie gerne würde ich einfach mal nach Spanien oder Portugal reisen, aber es geht nicht.“
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Sein Leben? Das fühle sich häufig so an, als hätte er zweimal lebenslänglich bekommen. „Ich fühle mich hier wie in einem Gefängnis“, sagt El Jaddouh und zeigt dabei in sein Schlafzimmer: ein kleiner, dunkler Raum. Die fehlende Perspektive hat den 37-Jährigen krank gemacht, sagt er. „Ich will nur leben, mehr möchte ich nicht. Ich kann nicht heiraten, ich kann kein Haus bauen. Auch eine Bar in der Altstadt, die immer ein Traum war, kann ich mir nicht kaufen.“
Als Libanese sieht sich El Jaddouh nicht. „Deutschland ist meine Heimat, hier bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen.“ Die deutsche Staatsangehörigkeit möchte der Kundenberater jedoch nicht mehr um jeden Preis haben. Zu oft sei er enttäuscht worden.
Fehlende Perspektive: „Habe Probleme damit, Menschen zu vertrauen“
Die Angst vor der Zukunft hat nicht nur das Verhältnis zu seiner Familie zerstört. „Ich habe Probleme damit, Menschen zu vertrauen und mich zu binden.“ Nach seiner letzten Beziehung konnte er niemandem mehr nahekommen. „Meine Partnerin war schwanger und wir wollten das Kind. Aber die Hoffnungslosigkeit hat zu so einer Verzweiflung geführt, dass wir entschieden haben, es nicht zu bekommen.“
124.500 Menschen ohne Staatsangehörigkeit in Deutschland
Mit seiner Geschichte ist Marwan El Jaddouh kein Einzelfall: Laut Ausländerzentralregister (AZR) leben (Stand Februar 2023) etwa 124.500 Menschen ohne Staatsangehörigkeit eines Landes in Deutschland.
Davon sind rund 29.500 Menschen „anerkannt staatenlos“, 95.000 von ihnen haben, wie El Jaddouh, eine „ungeklärte Staatsangehörigkeit“.
37 Prozent aller Staatenloser sind minderjährig, mindestens 8300 in Deutschland zur Welt gekommen. 60 Prozent der Personen mit ungeklärter Staatsbürgerschaft leben seit mehr als fünf Jahren in Deutschland.
Vertrauensprobleme und Ungewissheit haben den Mann, der in Deutschland aufgewachsen ist, in eine tiefe Krise gestürzt. So weit, dass er sich einmal zehn Monate lang nicht bei der zuständigen Ausländerbehörde gemeldet hat. Die Konsequenz: Eine hohe Geldstrafe. Abgeschoben werden kann er nicht, im Libanon existiert der 37-Jährige nicht auf dem Papier.
Ein letzter Hoffnungsschimmer für Marwan El Jaddouh: Momentan versuche er mit der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25b Aufenthaltsrecht zu bekommen. Die Grundvoraussetzung dafür ist eine gute Integration. Sollte das nicht klappen, dann wünsche er sich, als Staatenloser anerkannt zu werden, so wie sein Vater. Ausreisen dürfte er dann immerhin – und hätte ein Stückchen Freiheit zurück.