Düsseldorf. Im Rahmen des Schumann-Fests fand in der 15. Etage des L’Oréal-Hochhauses ein Klassikkonzert statt. Das Format soll ich in Düsseldorf etablieren.

Man muss ja nicht gleich „über den Wolken,“ schweben, um die beinah ‚grenzenlose Freiheit‘ zu schnuppern – wie vor 50 Jahren Reinhard Mey gesungen hat. In luftiger Höhe der 15. Etage des L’Oréal Hochhauses an der B 8 ist man aber den Wolken näher als sonst. Dort klingen Gesänge von Liebe, Freiheit und Sehnsucht leichter und luftiger als unten am Boden. Das gilt für Musiker und den Bariton Jonas Müller: Mit Schumanns Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff setzten sie den Schlusspunkt der neuartigen Reihe von „Skyline“-Konzerten. Im Rahmen des Klein-Festivals der Tonhalle bescherten Geigerin Liza Ferschtman, ihre Freunde und Intendant Michael Becker ein außergewöhnliches Musikerlebnis – nicht im Konzertsaal, sondern in intimer Atmosphäre eines kleinen, privat wirkenden Festsaals nahe den Wolken.

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Ermöglicht wird die Musik in beinah ‚himmlischer Höhe‘ durch großzügige und kulturaffine Inhaber von Hochhäusern der Landeshauptstadt, die über einen Aufzug verfügen, der einen Steinway-B-Flügel (Breite 2,11 Meter) transportieren kann. Das ist die einzige Teilnahme-Bedingung für dieses Sky-Format, das sich sicherlich in Düsseldorf mit mehr als 40 Hochhäusern etablieren wird. Die obersten Etagen des Gebäudes eines Weltkonzerns - wie die L’Oréal-Zentrale für Deutschland, Österreich und der Schweiz - umgeben meist einen Hauch von Exklusivität und Eleganz.

Ein seltsames Gefühl von von inspirierender Freiheit

Doch nach dem Staunen über gediegene Hightech und über den neuesten Schrei aus dem Hause Steinway (das bei Bedarf selbstspielende Model ‚Spirio‘) ist der Besucher nach den ersten Takten der Schumann-Lieder sofort bei der Sache. Der international gefragte Jonas Müller versetzt bereits das Publikum schon im ersten Lied in romantische Schwärmerei.

Bei der Anfangszeile „Aus der Heimat hinter den Blitzen rot – da kommen die Wolken her“ empfindet man durch die Vogelperspektive auf das wolkige Stadtbild tatsächlich ein seltsames Gefühl von inspirierender Freiheit. Und lässt sich von Schumanns Sehnsucht anstecken. Und das, obwohl der knapp 25jährige Sänger mit blonden Haaren und lässigem Auftreten eher wie ein Nachwuchs-Fußballer ausschaut. Doch wie er mit seinem biegsamen und leuchtenden Bariton Schumanns Sehnsucht nach seiner heißgeliebten Clara in Töne und wenige Gesten umsetzt, wirkt authentisch. Jugendlich direkt, manchmal stürmend und drängend sehnt er sich in der Ferne nach der Heimat, ist im Gespräch mit rauschenden Wäldern und alten Burgmauern. Und ist in Gedanken bis zur letzten Zeile der „Frühlingsnacht“ bei der Liebe seines Lebens – „sie ist dein“.

‚Romantisiere Dich!“ das Motto des Schumann-Fests passt ebenso auf den zweiten Teil: Janaceks „Pohadka“-Märchen für Cello und Klavier beflügelt mit seinen dramatisch peitschenden Steigerungen die Fantasie. In harmonischem, fast routiniertem Zusammenspiel brausen sie los – der renommierte Pianist Herbert Schuch, der sich zuvor als sensibel zurückhaltender Lied-Begleiter erwies, und Ivan Karizna. Der in Russland geborene Cellist besticht durch dunklen, warm fließenden Klang seines Nobel-Instrument von 1760 („ex Tortelier“) und ein hoch emotionales, elektrisierender Spiel, das er auch im finalen Klavier-Trio C-Moll von Mendelssohn-Bartholdy bewahrt.

Wie Jonas Müller, so gehört auch Karizna zu der Sorte junger, frischer Romantiker, denen man Gefühle abnimmt und sie nicht für angestaubte Posen einer überholten Musikrichtung hält. Vermutlich hätten sich Schumann und Mendelssohn-Bartholdy über so zupackendes Temperament gefreut. Bravorufe belohnten sie mit einer Zugabe. Erst danach legte sich allmählich die Nacht über die Stadt.

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