Dinslaken. Kerstin Hoenselaar hat ein außergewöhnliches Hotel eröffnet: In ihrer Pension können Igel Winterschlaf abhalten. Was hinter dem Projekt steckt.

Vier kleine, mit Kaninchendraht abgetrennte Parzellen stehen im Garten von Kerstin Hoenselaar nebeneinander. Dort drin findet jeweils eine kleine Holzhütte mit rundem Eingang und grünem Dach auf einer kleinen Steinplatte Platz. Jede Einheit hat zudem noch eine Art eigenen Garten. Zwischen den Parzellen steht ein Schild: „Pension zum wilden Stachel“, daneben die Abbildung eines Igels. Seit diesem Jahr betreibt Hoenselaar das ungewöhnlich aussehende Hotel, denn: Die kleinen Übernachtungshütten sind natürlich nicht für Menschen gemacht. Es sind Schlafplätze für Igel.

Die 50-jährige Dinslakenerin unterstützt damit nämlich die Igelhilfe, die sich um kranke und verletzte Igel kümmert. Auf die Idee zu helfen, sei sie gekommen, nachdem sie bei Facebook einen Beitrag der Voerder Patronus Wildtierhilfe gesehen hat. Doch Hoenselaar stellt sofort klar: „Ich bin keine Päppelstation.“ Denn zu ihr kommen die Tierchen, wenn die Igelhilfe sie erstversorgt hat, so wie Odin. Der kleine Igel sei im Alter von fünf bis sechs Wochen und mit einem Gewicht von gerade einmal 270 Gramm von der Igelhilfe Anfang Oktober 2024 gefunden worden. Seit dem 27. Oktober wohnt das Tier nun in der Pension der Hiesfelderin. Zu ihr kam er mit einem Gewicht von 639 Gramm.

So sieht die „Pension zum wilden Stachel“ aus.
So sieht die „Pension zum wilden Stachel“ aus. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Igel Odin wohnt in der Dinslakener Pension „Zum wilden Stachel“

Mittlerweile ist aus dem Igelmännchen mit 827 Gramm aber „ein echter Kaventsmann“ geworden, wie Hoenselaar beim Fototermin mit der NRZ selbst sagt, als sie ihn, ausgestattet mit einem Handschuh, aus seinem gemütlichen Strohbettchen holt. Neugierig entrollt sich das Stacheltier auf der Hand von der Pensionsbetreiberin, reckt schnuppernd die kleine Nase in die Luft. Eigentlich kommen die Tiere erst spätabends aus ihrer Parzelle gekrochen, doch fürs Foto wird eine einmalige Ausnahme gemacht. „Dafür bekommst du heute eine Extra-Portion Rührei“, verspricht Hoenselaar dem kleinen Igel als Belohnung.

Odin wurde mit 270 Gramm von der Igelhilfe gefunden. Mittlerweile wiegt das kleine Stacheltier 827 Gramm.
Odin wurde mit 270 Gramm von der Igelhilfe gefunden. Mittlerweile wiegt das kleine Stacheltier 827 Gramm. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

„Schlotziges Rührei“ sei schließlich Odins Lieblingsessen, hat die Dinslakenerin schon herausgefunden. Aber auch Katzenfutter mit viel Fleischanteil und getrocknete Soldatenfliegenlarven fressen die kleinen stacheligen Gäste ihrer Pension gern. Man könnte auch gebratenes Rinderhack anbieten oder gekochtes Hühnchen, so Hoenselaar. Letzteres würden die Igel, die sie beherbergt, jedoch nicht mögen. Woher sie all das Wissen über die Igel und ihre Lebens- und Essgewohnheiten hat? „Das habe ich mir extra angeeignet und da gibt es viele verschiedene Meinungen zu“, sagt sie und nennt ein Beispiel: „Manche sagen: ,Bloß kein Laub ins Igel-Häuschen legen. Das schimmelt.‘“ Dabei seien Blätter auch im Wald, dem natürlichen Lebensraum der Tiere, zu finden und auch dort bauen sie damit ihre Nester.

Kleine Igel bauen ihr Bett in der Dinslakener Pension „Zum wilden Stachel“ selbst

Bei Hoenselaar gibt es für den Nestbau kleine Äste und Stroh, das sie von Freunden erhält, die Pferde besitzen. Das lege sie jedoch nur vor die kleine Hütte und überlässt den Igeln selbst, wie viel Stroh sie mit ins Häuschen nehmen wollen, um ihr Bett zu bauen. „Die Igel übernachten hier, sie bekommen ihr Essen. Wie Menschen in einer Pension eben. Nur die Betten müssen sie bei uns halt selber machen“, erklärt Hoenselaar und lacht.

Ein Blick in Odins Parzelle: Er hat seine kleine Hütte bis unters Dach mit Stroh gefüllt.
Ein Blick in Odins Parzelle: Er hat seine kleine Hütte bis unters Dach mit Stroh gefüllt. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Neben Odin hat Hoenselaar seit kurzem einen zweiten Pensionsgast. Igeldame Pieksi ist ebenfalls in eine der insgesamt vier Parzellen gezogen. Die beiden Tierchen beobachtet die 50-Jährige nun jeden Abend durch eine an der Pension angebrachte Kamera, die die kleinen Gärtchen der einzelnen Parzellen im Blick behält. „Ich schaue gar kein Fernsehen mehr. Gucke immer nur, was die beiden machen“, erklärt sie ihre Faszination für ihre stacheligen Gäste. Manchmal, so verraten es die Aufnahmen der Kamera, würde vor allem Odin bis sechs Uhr in der Früh im Garten seiner kleinen Parzelle aktiv sein.

Im Frühjahr 2025 will Dinslakenerin die Igel wieder auswildern

Doch Hoenselaar ist sich auch bewusst, dass die Zeit mit den kleinen Igeln begrenzt ist. „Es sind nunmal Wildtiere und sie sollen im Frühjahr natürlich wieder ausgewildert werden“, betont sie. Die Dinslakenerin will mit ihrer Pension den zuvor verletzten und kranken Tieren nur über den Winterschlaf helfen. Wenn sie im kommenden Frühjahr - „manche schlafen auch bis Mai“, so Hoenselaar - wieder aufwachen, sollen sie noch einmal gewogen und vielleicht ein paar weitere Tage gefüttert werden. Bei einem Gewicht von ca. 800 Gramm will Hoenselaar die Tiere dann wieder auswildern.

Jeder Igel erhält von Dinslakenerin Kerstin Hoenselaar liebevoll gestaltete Namensschilder.
Jeder Igel erhält von Dinslakenerin Kerstin Hoenselaar liebevoll gestaltete Namensschilder. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Bis dahin soll sich aber jeder Igel wie zu Hause und willkommen bei der tierlieben Dinslakenerin fühlen. Neben einer eigenen Parzelle bekommt auch jeder Igel ein eigenes, von Hoenselaar liebevoll selbst gestaltetes Namensschild, das für die Zeit seines Aufenthalts außen an der jeweiligen Wohneinheit angebracht ist. Doch Hoenselaar betont, dass es gar nicht so viel Aufwand benötigt, wenn jemand etwas für Igel tun möchte. Sie appelliert: „Einfach mal im Garten einen Laubhaufen liegen lassen.“ Denn schon das könne helfen, älteren Igelchen, die an sich keine Hilfe benötigen, einen gemütlichen Platz für den Winterschlaf zu schaffen.