Dinslaken. Im Burgtheater erfuhr das Publikum, warum es besser ist, bei Sträter pünktlich zu sein - und welch trauriges Ereignis ihn mit Dinslaken verbindet.

Torsten Sträter in der Sommerkultur Dinslaken. Gleich der zweite Satz des Abends widmete sich der Gastronomie: „Spießbratenbrötchen müssen Sie haben“. Die schmecken dem Kabarettisten aus Waltrop bekanntlich im Burgtheater besonders gut und dafür bricht er in der Pause auch gerne die guten Vorsätze, für einen niedrigeren Blutdruck auch das Gewicht zu reduzieren.

Spießbratenbrötchen also als Tipp fürs Publikum, das still und erwartungsvoll Sträters Einstieg in einem um 19.30 Uhr zu früher Stunde beginnenden und - wie sollte es bei ihm anders sein - nicht vor 22.30 Uhr endenden Abend erwartete. Und ein Spießrutenlauf für diejenigen, die nach Sträter die Szenerie betraten. Es war hell und Sträter gnadenlos. Wies die Zuspätkommer nach Kleidungsfarbe in den passenden Block ein, gab aber auch Kurzzusammenfassungen, was bisher geschah, bis die Echtzeit im (scheinbar) assoziativen Skript des Abends erreicht war. Er ist halt jemand, der auf jede Ablenkung prompt reagiert und wenn es im Burgtheater noch taghell ist, bleibt gar nichts vor ihm verborgen. Nicht mal die beiden Fledermäuse, die als Cosplayer zwischen den Bäumen herumflatterten. Na ja, genau genommen waren es tatsächlich Tauben, die Fledermäuse, die noch im letzten Jahr in der Dämmerung über dem Burgturm flatterten, sind leider nicht mehr da.

Aber Torsten Sträter stehen die fliegenden Säugetierchen näher als graue Vögel. Schließlich ist er ja selbst irgendwie Batman. Fährt den originalen Wagen, trägt das echte Kostüm im Kinderkrankenhaus. Und bedankt sich mehrfach am Abend bei dem Publikum, das ihm diese Verwirklichung eigener Kindheitsträume durch den Ticketkauf finanziert.

Sträter im Burgtheater. Da bleibt keine Lücke mehr auf den Rängen des Burgtheaters frei.
Sträter im Burgtheater. Da bleibt keine Lücke mehr auf den Rängen des Burgtheaters frei. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Vorfahren

Sträters Kindheit. Mit ihr begann der Abend, der nicht nur in seiner tatsächlichen Länge, sondern auch in seiner inhaltlichen Anlage episch war. Denn wenn ein 57-Jähriger auf sein Leben schaut, gehören nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern auch das Erfahren von Krankheit, veränderten Einstellungen durchs Alter und die Trauer um geliebte Menschen dazu. „Mach mal das große Licht an“ lautet der aktuelle Programmtitel. Ein häufiger Spruch seiner Mutter, die 2013 in einem Dinslakener Krankenhaus verstarb. Von ihr erzählt Sträter, ebenso wie von der schon einige Jahre zuvor verstorbene Lieblingsoma, vom in Rheinberg lebender Sohn - und von der Rest der Verwandtschaft.

„Vorfahren“: Dieser Wortbrocken löste bei dem Sprachpuristen, der die moderne Art, nur noch in Stichworten zu kommunizieren, eigentlich verabscheut, das getreue Erzählen der gesamten Familienchronik aus. In der Schlange des Drive-in-Restaurants. Ein Missverständnis, Sträter sollte „vorfahren“. Es ist die große Kunst des Kabarettisten, dass er solche Stories nicht einfach nur in wilder Reihenfolge und wie wahllos aneinandergereiht heraus plaudert, sondern dass in ihnen die Schlüsselworte und -szenen für das große Finale versteckt sind.

Raffinierter Zucker

Doch bevor sechs Seppel - mit Sträter als dem „seppeligsten“ - zeigen können, wie eng die echten Katastrophen des Lebens und die scheinbaren, nämlich die Peinlichkeiten, unter denen man für andere eher unbegründet leidet, beieinander liegen, durchlebt das Publikum mit Torsten Sträter alle Emotionen. Kindheitstraumata und nervige Fernsehsendungen, die Wut über den durch Wärmeeinwirkung weiß angelaufenen Schokoriegel von der Tankstelle und über knackende Mikrofone. Das Grübeln über die Befindlichkeiten von uneinsichtigen Tanksäulen und „raffinierten“, sprich, „listigen“ Zucker. Und auch das zunehmende Unverständnis über die Jugend. Hip Hop ist des Torsten Sträters Sache nicht. Gleiches gilt für Tiktok. Nur als die nicht so ganz intelligente KI „ein Exempel statuieren“ mit „sechs Seppel statuieren“ untertitelte, habe er sich derart kaputt gelacht, dass er diesem Blödsinn gleich eine tragende Rolle im Programm gab.

Was gibt‘s sonst noch Neues im Hause Sträter? Mit seinem Sohn war er bei der großen Comedian-Audienz im Juni beim Papst, nahm dort den Hut nicht ab und fing sich Corona ein. Bei der Einladung habe er übrigens zunächst an eine Verlade von Jan Böhmermann geglaubt. Womit auch keiner gerechnet hat: Sträter hat sich von seinem Ford Mustang getrennt. War es die Einsicht über den Benzinverbrauch dieses „Braunkohlebagger“ oder wird Sträter tatsächlich „erwachsen“? Seine Themen ändern sich tatsächlich. Krankheiten statt Referenzen zur Popkultur. Und außerdem steht er damit ja auch nicht alleine da. Sein Sohn ist mit 21 ebenfalls erwachsen. „Zumindest glaubt er das“.

Noch mehr Comedy im Burgtheater

Am Dienstag, 3. September, geht es weiter mit Kabarett und Comedy in der Sommerkultur. Dann erzählt Frieda Braun im Burgtheater Dinslaken das Neueste aus dem Sauerland. Am Donnerstag, 5. September, wird Bastian Bielendorfer zu „MR. BOOMBASTI – In seiner Welt ein Superheld“ und am Sonntag, 8. September, knackt dessen Spezi Özcan Cosar den „Jackpot“ im Finale der Sommerkultur 2024.

Sträter backt nach den Rezepten der Bücher auf seinem Backbord, „crepiert“, also bereitet Crêpes, und serviert Bio-Kartoffelsalat mit Kartoffeln aus Bodenhaltung. Längst ist es dunkel und die Zwischenruferin hat Sträter charmant, aber sehr bestimmt zur Ruhe gebracht. Zeit für das große Finale, Zeit, die Fäden des Abends zusammenzuknüpfen. Das ist nicht Batman, das ist Spiderman, der das ausverkaufte Burgtheater mit verbalen Perlen und herrlichen Spinnereien umgarnt hat und nun dafür sorgt, dass es im Pointen-Netz des Torsten Sträter aus dem Lachen nicht mehr herauskommt. Weit nach der Sperrstunde hallt der Applaus durchs nächtliche Dinslaken.