Essen. Alarmierend: Die digitalen Fähigkeiten vieler NRW-Schüler haben sich verschlechtert. Was die Schulministerin dazu sagt.

Junge Menschen wachsen mit digitalen Geräten auf. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie diese auch beherrschen. Fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in NRW kann kaum oder nur schlecht mit einem Computer oder vergleichbarer Technik umgehen. Konkret heißt das: Sie sind gerade einmal in der Lage, einen Link anzuklicken oder eine E-Mail zu öffnen.

Das zeigt eine internationale Vergleichsstudie zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlern. „Die Erkenntnisse der Studie sind alarmierend und besorgniserregend“, sagt Kerstin Drossel. Die Paderborner Bildungsforscherin und ihr Team sind für den deutschen Teil der sogenannten „International Computer and Information Literacy Study 2023“, kurz ICILS, verantwortlich. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Wie steht es um die digitalen Fähigkeiten der Schüler in NRW?

Wie recherchiert man Informationen mit Computer oder Tablet? Und woher weiß man, ob sie glaubwürdig sind? Viele Schüler in NRW wissen darauf keine Antwort. So haben 47,7 Prozent der Jugendlichen „rudimentäre Fähigkeiten“, wenn es um den Umgang mit digitalen Medien geht. Lediglich 0,8 Prozent erreichen hingegen die oberste Kompetenzstufe. 2018 waren es immerhin noch 1,8 Prozent.

Eine „alarmierende“ Entwicklung, die die Bildungsforscher generell feststellen: Obwohl die ganze Welt immer digitaler wird, werden die Fähigkeiten der jungen Menschen nicht besser, sondern sogar schlechter. Die Achtklässler in NRW liegen damit zum ersten Mal deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Und auch international haben viele Jugendliche bessere IT-Kenntnisse, zum Beispiel in Korea, Tschechien und Dänemark.

Die ICILS Studie

Mit der Studie „ICILS 2023“ wurden nach 2013 und 2018 zum dritten Mal international die computer- und informationsbezogenen Kenntnisse von Achtklässlern untersucht. Nur für NRW liegt auch eine bundeslandspezifische Auswertung vor. In NRW wurden an 106 Schulen rund 2700 Schüler getestet und rund 1500 Lehrer befragt. In Deutschland wurde die Studie von Prof. Kerstin Drossel (Uni Paderborn) geleitet. Vergleichsdaten aus einem Dutzend Staaten liegen vor.

Die Studie bestätigt zudem einen Effekt, der im Bildungsbereich immer wieder zu beobachten ist: Misserfolg oder Erfolg ist auch bei den Digitalkompetenzen eng mit dem Elternhaus verknüpft. So haben fast 30 Prozent der Achtklässler mit „hohem kulturellen Kapital“ – gemessen etwa daran, wie viele Bücher eine Familie besitzt – geringe IT-Kenntnisse. Bei den Schülern aus ärmeren Familien sind es hingegen fast doppelt so viele (56,3 Prozent).

Das zeigt sich auch beim Vergleich der Schulformen: Vor allem bei Jugendlichen, die nicht aufs Gymnasium gehen, ist der Anteil jener, die sehr schlechte IT-Kenntnisse haben, „besorgniserregend“ hoch.

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„Unser Bildungssystem ist derzeit nicht in der Lage, herkunftsbedingte Nachteile aufzufangen und abzufedern“, kritisiert daher Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW.

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Wie gut sind NRW-Schulen digital ausgestattet?

2018, als die letzte ICILS-Studie durchgeführt wurde, teilten sich im Schnitt noch 13 Schüler ein digitales Gerät (Computer, Laptop, Tablet). Mittlerweile sind es 3,5 Jugendliche pro Gerät. Damit ist die Ausstattung in NRW und Deutschland (4,5 Schüler pro Gerät) deutlich besser als in vielen anderen europäischen Ländern.

Außerdem gehen fast 70 Prozent der jungen Menschen in NRW auf eine Schule mit WLAN. 2018 traf das nicht mal auf jeden fünften Achtklässler (18,7 Prozent) zu. „Die Entwicklung ist zwar positiv, aber wir dürfen nicht vergessen, dass ein Drittel aller Achtklässlerinnen und Achtklässler immer noch eine Schule ohne WLAN besucht“, sagt Bildungsforscherin Drossel.

Wenig überraschend: Rund zwei Drittel der Schulleitungen in NRW sagen, dass sie dringend weitere Mittel für die Digitalisierung benötigen. Das zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). So haben der Umfrage zufolge 330 Einrichtungen in NRW keine Klassensätze an digitalen Geräten. „In der Praxis bleibt es frustrierend, Jugendlichen eine moderne Bildung ermöglichen zu wollen, ohne dass dafür ausreichend Zeit, Fachkräfte und Technik vorhanden sind“, sagt die VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel.

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Wie steht es um die digitalen Fähigkeiten der Lehrkräfte in NRW?

Digitale Angebote spielen auch für Lehrkräfte eine immer größere Rolle. Mehr als 70 Prozent der Pädagogen nutzen mindestens einmal am Tag digitale Medien im Unterricht. 2018 war es lediglich ein Viertel, bei der ersten ICILS-Studie 2013 sogar nur jeder zehnte.

Allerdings kritisieren viele Lehrerinnen und Lehrer, dass es zum einen zu wenig Fort- und Weiterbildungen gibt und zum anderen die Zeit fehlt, um einen innovativen, digitalen Unterricht überhaupt vorzubereiten. „Es reicht nicht, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte mit Tablets und Laptops auszurüsten, wenn sie nicht angeleitet und geschult werden, wie ein sinnvoller Umgang damit aussehen könnte“, betont Ayla Çelik von der GEW.

Außerdem sind immer noch viele Pädagogen nicht davon überzeugt, dass Unterricht durch digitale Angebote wirklich besser werden kann. Kerstin Drossels ernüchterndes Fazit: „Das hat sich seit der letzten Studie kaum geändert.“

Ministerin Feller besucht Grundschule im Dichterviertel / Mülheim an der Ruhr
„Es ist erfreulich, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, die digitale Ausstattung der Schulen deutlich zu verbessern“, sagt Dorothee Feller (CDU).  © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Das sagt die NRW-Schulministerin zur ICILS-Studie 2023

„Es ist erfreulich, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, die digitale Ausstattung der Schulen deutlich zu verbessern“, sagt Dorothee Feller (CDU). Ebenso optimistisch stimme sie, dass die Lehrkräfte hierzulande „mit großem Engagement und deutlich intensiver“ als noch vor fünf Jahren digitale Medien zum Unterrichten nutzen.

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Gleichzeitig gesteht sie ein: „Zu viele Schülerinnen und Schüler verfügen nur über oberflächliche digitale Kompetenzen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.“ Laut Schulministerin kommt es vor allem darauf an, „verbindliche und systematische“ Fortbildungen für Lehrkräfte anzubieten: „Wichtig ist, dass wir unsere Lehrkräfte so gut qualifizieren, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler noch gezielter fördern können.“

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