Düsseldorf. Lehrermangel, marode Gebäude, zu viel Bürokratie: „Alarmierend“ viele Schulleitungen in NRW würden ihren Job nicht weiterempfehlen. Die Folgen.
Mehr als die Hälfte der Schulleitungen in NRW hält es nicht für machbar, jedem Grundschulkind ab 2026 einen OGS-Platz anzubieten. So sagen 52 Prozent der Grundschulleitungen, dass sowohl Personal als auch Räume fehlen, um den Rechtsanspruch auf Ganztag umzusetzen. Das zeigt eine repräsentative Forsa-Befragung von bundesweit gut 1300 Leitungen aller Schulformen, darunter 253 aus NRW. Sie wurde beim Schulleitungskongress am 8. November in Düsseldorf vorgestellt.
„Es reicht leider nicht, gute Absichten in Gesetzen festzuhalten“, kritisiert Stefan Behlau. Er ist Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, der die Umfrage jedes Jahr in Auftrag gibt. Ganztagsbetreuung kann nur mit einer umfassenden Ausstattung an Personal, Räumen und Materialien gelingen, so Behlau. Doch genau daran mangelt es der Umfrage zufolge.
So sehen gut zwei Drittel der Schulleitungen in NRW den Lehrkräftemangel weiterhin als das größte Problem. 55 Prozent gaben an, dass an ihrer Schule mindestens eine Stelle nicht besetzt ist. Bei jeder fünften Schulleitung sind sogar drei oder mehr Stellen vakant.
Der OGS-Rechtanspruch
Vom 1. August 2026 an haben bundesweit alle neuen Grundschüler einen Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz. Ab 2029 ist die Nachmittagsbetreuung dann für alle Grundschul-Jahrgänge obligatorisch, wenn Eltern für ihre Kinder einen Platz wünschen. Bislang gingen viele Familien leer aus. Die Landesregierung hatte zuletzt das angekündigte Ausführungsgesetz zurückgestellt und lediglich „fachliche Grundlagen“ für den Nachmittagsbetrieb in den Grundschulen beschlossen. Dahinter steckt womöglich das Kalkül, keine Vorgaben zu schaffen, für die das Land finanziell aufkommen müsste.
Immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger unterrichten an NRW-Schulen
In ihrer Not setzen immer mehr Schulen auf Quer- und Seiteneinsteiger. So beschäftigen 80 Prozent der Schulleitungen mittlerweile Personen ohne Lehramtsqualifizierung. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen: 2018 hatten nur 53 Prozent der Schulleitungen angegeben, Seiteneinsteiger einzustellen. NRW liegt damit auch in diesem Jahr wieder deutlich über dem Bundesdurchschnitt (68 Prozent).
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Ein großes Problem ist laut VBE dabei, dass mehr als die Hälfte der Quer- und Seiteneinsteiger in NRW Studierende sind. „Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn genau diese Studierenden werden dringend als fertig ausgebildete Lehrkräfte an den Schulen gebraucht“, sagt Stefan Behlau. „So vertreten sich die Studierenden quasi in der Not selbst.“
Doch es gibt offenbar noch andere Herausforderungen: Rund ein Drittel der Schulleitungen nannte Probleme mit dem Gebäude oder den Räumlichkeiten als größte Schwierigkeit. Zum Vergleich: Bundesweit kritisiert nur jede vierte Schulleitung die Schulgebäude.
29 Prozent der Schulleitungen klagen außerdem über Herausforderungen bei der Inklusion und Integration. Jede fünfte Schulleitung (19 Prozent) hat Probleme mit den Eltern, 16 Prozent mit dem Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler.
Hälfte der Schulleitungen in NRW würde Job nicht weiterempfehlen
Als sehr starke Belastung nannten fast alle Schulleitungen (95 Prozent) zudem die Erwartungshaltung, dass Schule alle gesellschaftlichen Probleme lösen solle sowie die steigenden Verwaltungsaufgaben (95%) und die Überlastung des Kollegiums (91 Prozent).
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Trotz aller Belastungen übt die große Mehrheit der befragten Schulleitungen (83 Prozent) ihren Beruf immer noch sehr gern oder eher gern aus. Nur 17 Prozent gehen ungern zur Arbeit. Allerdings würden immer mehr Schulleitungen ihren Beruf nicht weiterempfehlen. Während sich 2018 nur 14 Prozent dagegen aussprachen, ist es mittlerweile fast die Hälfte (46 Prozent).
Immer noch viele Schulleiter-Stellen in NRW unbesetzt
Dabei fehlen schon jetzt Hunderte Schulleiterinnen und Schulleiter. Laut NRW-Schulministerium sind 328 Schulleitungen hierzulande unbesetzt. Die Besetzungsquote habe sich aber positiv entwickelt, hieß es aus dem Ministerium. Sie liege mit rund 93,21 Prozent zum Stichtag am 7. Juli 2024 um 1,27 Prozentpunkte höher als im Vorjahr (91,94 Prozent).
Besonders viele Schulleiter fehlen an Grundschulen: 229 Posten sind unbesetzt. Damit fehlt fast jeder zehnten der 2719 Grundschulen im Land eine Schulleitung. „Der Lehrkräftemangel, der sich auch in der Besetzung von Schulleitungen zeigt, ist nicht von heute auf morgen entstanden und er ist genauso wenig von heute auf morgen zu beheben. Die Schulministerin hat wiederholt betont, dass es dazu einen langen Atem braucht“, teilte das Ministerium mit.
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Für Stefan Behlau vom VBE ist es angesichts des Personalmangels ein „alarmierendes Signal“, dass immer mehr Schulleitungen ihren Job nicht weiterempfehlen würden. Überraschen würde ihn das aber nicht: „Schulleitungen stehen seit Jahren vor Dauerbaustellen, die frustrierend wirken.“