Essen. Iren ohne Grenzen: Fontaines D.C. lassen auf „Romance“ ihre irischen und postpunkigen Wurzeln zurück. Dafür erschließen sie sich eine neue Welt.
Was man über Rockbands so gut wie nie sagen kann? Den Satz: „Die werden ja mit jedem Album besser!“ Aber auf die Brit-Awards-Träger von Fontaines D.C. trifft das (mit Ausnahme des etwas schwierigeren zweiten Albums „A Heroes Death“) vollkommen zu: Auf dem neuen „Romance“ klingen die Indie-Rocker aus Dublin vielseitiger, eingängiger und kompromissloser als je zuvor.
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Davon konnte man sich schon im vorab ausgekoppelten, atemlos hingerappten Song „Starburster“ überzeugen, der stellenweise klingt, als hätten The Streets sich von Kasabians Hit „Club Foot“ inspirieren lassen. Kein Wunder, denn die Idee dazu kam Sänger Grian Chatten durch eine Panikattacke an der Londoner St. Pancras Station. Durchbrochen wird der Song von einem schwermütigen Zwischenspiel – ein perfekter emotionaler Kontrast.
Fontaines D.C. haben sich vor der Aufnahme von „Romance“ in alle Winde zerstreut, nach Los Angeles, Paris, Spanien und London. Und im musikalischen Exil haben die fünf Iren offenbar ihren Horizont so erweitert, dass sie aus der vollen Bandbreite dessen schöpfen, was den Indie- und Britpop-Kosmos in den 90ern und den frühen 2000er-Jahren großartig gemacht hat. Allein das überschwängliche „Here‘s The Thing“ versprüht so viel gute Laune, wie es einst Mansun mit „Being A Girl“ gelang, eben eine melodiöse Indie-Hymne zum Ausrasten auf der Tanzfläche.
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Dass sie aber auch ganz anders können, zeigt gleich im Anschluss daran der Song „In The Modern World“, dem von vielen eine opulente Retro-Melancholie bescheinigt wird, die man sonst nur in den Songs von Lana Del Rey findet.
Wer sich im Alternative-Sektor auskennt, ist bei jedem Track versucht zu mutmaßen: „Das habe ich doch so ähnlich schon mal gehört bei . . .“ Und doch klingen die Songs auf „Romance“ nicht nur frisch, sondern auch wie aus einem Guss. Und klar gibt es auch Referenzen zu Fontaines D.C. selbst, die mit „Sundowner“ eher ihren eigenen, verträumten Shoegaze-Sound herbeizitieren. Oder mit „Horseness Is The Whatness“ in einen balladenhaften 60er-Jahre-Streicherozean eintauchen.
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Man konnte schon beim Album „Skinty Fia“ von 2022 feststellen, dass Fontaines D.C. über ihre Grenzen hinausgewachsen sind. Aber nun haben sie bewiesen, dass „Post-Punk“ für sie nur eines von vielen Etiketten ist, die man ihnen angeheftet hat. Und dass man bei all der Melancholie, Coolness und Rotzigkeit, die ihren Sound in der Vergangenheit geprägt haben, durchaus mal schwärmerisch und fröhlich werden darf.
Und so ist „Romance“ ein sehr komplexes und breit aufgestelltes Album geworden, dessen Songs sich dennoch im Ohr festsetzen. Viel besser können Fontaines D.C. kaum noch werden.
Fontaines D.C.: Romance, XL/Beggars/Indigo (ab 23.8.). Live: 12.11. Köln, E-Werk