Dortmund. Mit der Re-Edition von „Copperfield“ klettert Phillip Boa auf Platz 12 der Charts, höher als damals. Dazu gibt‘s fünf brillante, neue Songs.
Es war ein wahres Trommelgewitter, ein Meilenstein in der deutschen Independent-Geschichte: Phillip Boa bringt sein Album „Copperfield“ in einer sorgsam überarbeiteten Re-Edition heraus, sorgfältig remastert. Das allein wäre schon eine wertschätzende Erwähnung wert, wenn Boa dieser Wiederveröffentlichung nicht noch fünf neue Songs hinzugefügt hätte, die den Geist der „Copperfield“-Ära atmen. Mindestens zwei von ihnen haben sogar das Zeug dazu, neue Hits zu werden. Das Album ist gerade auf Platz 12 der Charts eingestiegen – und damit wesentlich erfolgreicher als im Erscheinungsjahr.
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Im Jahr 1988 glückte dem Dortmunder mit dem brachialen „Kill Your Ideals“ ein pogotauglicher Tanzflächenhit und ein großer Schritt heraus aus dem Underground. Eingebettet in ein Album, das zugleich im Rock der 60er-Jahre, im Punk und in der Avantgarde verwurzelt zu sein schien. Es kombinierte die düster-drohenden Voodoo-Drums mit hellen Gitarren, wie sie später von etwa von den Editors imitiert werden sollen. Er huldigte seinen Helden, unter ihnen Andy Warhol. Die Musik zog ihren Reiz auch aus einem genialen Gesangs-Kontrast: Die oft dissonant-raue Stimme Boas bildete den Gegenpart zur deliriös-entrückten Stimme Pia Lunds. Zwar wurden Songs wie „Lunatics Over Brighton“ und „Andy W.“ keine ganz so großen Hits, aber sie gehören bis heute zu den Voodoo-Klassikern. Und „Copperfield“ ebnete den Weg zum 1989er-Album „Hair“ mit dem auch kommerziell sehr erfolgreichen „Container Love“.
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Boa experimentierte im Laufe der Jahrzehnte mit zahllosen Stilen, blieb sich aber stets treu, machte nie Kompromisse – und war trotzdem ein Indie-Popstar. So ist auch der neue, ausgekoppelte Song „Rain Poets“ eine treibende, psychedelische Hommage an die 60s, gespickt mit freien Text-Assoziationen, die viele angenehm verwirrende Bilder vor dem geistigen Auge beschwören.
Noch herausragender ist aber „Il Corsaro“, bei dessen Gitarren man sich unwillkürlich an Johnny Marrs Akkorde zum Smiths-Hit „Ask“ erinnert fühlt. Hier gelingt Boa ein heiter-melancholischer Sommersong, der gleich die Vorfreude auf das wirft, was Boa vielleicht in einigen Jahren bei einer Re-Edition von „Helios“ produzieren wird.
Phillip Boa & The Voodooclub: Copperfield Re-Edition (Universal)