Studie zählt weniger schwarze Schafe unter den Arbeitgebern. Der Verein Fairwork kritisiert dennoch schlechte Bezahlung und wenig Akzeptanz
Berlin. Er muss Kaffee kochen, das Archiv aufräumen und sich zwischendurch auch mal langweilen. Oder er darf eine volle Arbeitskraft ersetzen, den ganzen Tag versuchen, Kunden zu akquirieren, und das ohne entsprechende Bezahlung. So geht das Klischee vom Praktikanten. Doch wie weit ist es eigentlich her mit diesem (Vor-)Urteil?
Zehn Prozent der Absolventen-Praktika fallen nach der jüngsten Praktikanten-Studie der Hans-Böckler-Stiftung in diese Kategorie. "Es gibt noch immer schwarze Schafe, aber die Situation hat sich gebessert", sagt Boris Schmidt, Autor der Studie "Generation Praktikum 2011". In den meisten Fällen investiere auch der Arbeitgeber etwas.
Doch trotz sich bessernder Zahlen: Für Bettina König sind Praktika nach dem Studium weiter inakzeptabel. König hat 2004 gemeinsam mit Freunden Fairwork gegründet, einen Verein, der Praktikanten eine Stimme gibt. Natürlich müsse man auch nach Abschluss des Studiums noch dazulernen, sagt die Betriebswirtin. Aber das gehe auch als Trainee oder Honorarkraft. "Es kann nicht sein, dass man mit Diplom oder Master einen Hungerlohn bekommt." Dann sei der Abschluss nichts wert.
Nach Zahlen des Hochschulinformationszentrums (HIS) entschieden sich 2009 rund 20 Prozent Bachelor-Absolventen mit Uni-Abschluss und rund elf Prozent der FH-Abgänger für ein Praktikum nach dem Studium.
Während der Studienzeit sind Praktika sogar die Regel. Waren sie vor der Studienreform meist freiwillig, so werden neue Bachelor-Studiengänge kaum noch akkreditiert, wenn keine Praktika während des Studiums vorgesehen sind.
Für Thomas Weirich stand schon zu Studienbeginn fest, dass er bis zum Ende seines Bachelor-Studiums zwölf Wochen Praktika würde nachweisen müssen. Der angehende Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule Hagen hat mit 22 schon mehr Firmen von innen gesehen, als manch 60-Jähriger. Weirich sieht das positiv: Besonders sein kaufmännisches Praktikum beim Mittelständler Stahlkontor fand er gut: "Ich hatte zwar noch nicht viel Erfahrung, konnte aber leichte Tätigkeiten selbstständig erledigen. Zum Beispiel Rechnungen schreiben." Gefallen hat ihm, dass ihm Mitarbeiter auch Einblicke in andere Bereiche des Unternehmens gewährt haben.
Das ist der Sinn und Zweck von Praktika: Orientierung zu bekommen, etwas über die Praxis zu erfahren, herauszufinden, ob die Studienrichtung zu einem passt. Nina Feltz vom Career Service der Uni Hamburg rät, sich vorab umfassend über die Firma oder die Organisation, bei der man als Praktikant anfangen will, zu informieren. "Ich muss schon wissen, in welchen Bereich ich überhaupt will", sagt sie. Gerade bei Praktika nach dem Studium sollten sich Bewerber fragen, ob sie diese Erfahrung wirklich brauchen.
"Wer zum Beispiel weiß, dass er im Anschluss eine Trainee-Stelle bei dem Unternehmen haben möchte, sollte das von Beginn an kommunizieren", sagt Feltz. "Wenn ich weiß, dass die eine supertolle Trainee-Ausbildung haben, und ich das Glück habe, zu einem Vorstellungsgespräch für ein Praktikum eingeladen worden zu sein, tue ich nur gut daran, wenn ich sage: Ich würde später gern versuchen, in Ihr Trainee-Programm zu kommen."
Ein Blick ins Internet kann helfen, die angepeilte Praktikumsfirma einzuschätzen: Auf der Seite von Fairwork (s. Text rechts) können Praktikanten anonym berichten, wie fair ihr Praktikum war. Viele Berichte lesen sich aber nicht wie eine Einladung an Bewerber. Da gibt es Firmen, die keinen Cent zahlen und nicht einmal Fahrtkosten übernehmen. Bettina König hält 400 Euro für Praktika während des Studiums für angemessen. Wer nach dem Abschluss Praktikant wird, solle etwa 1000 Euro bekommen. "Man sollte sich nicht unverschämt vorkommen, wenn man im Vorstellungsgespräch nach der Vergütung fragt. Irgendwie muss man seinen Lebensunterhalt ja finanzieren."
Seit der Umstellung auf Bachelor und Master sei die Situation für Studenten nicht besser geworden, sagt die 32-Jährige. Bei einer Diskussion mit Arbeitgebervertretern habe sie festgestellt, dass der Bachelor-Abschluss eher zu größeren Problemen führe: "Weil die Unternehmen argumentieren, so junge Absolventen könne man nur als Praktikanten beschäftigen." Bettina König findet das unfair. "Es waren ja gerade die Arbeitgeber, die die Umstellung auf Bachelor und Master massiv gefordert haben. Jetzt wird den Studenten ein Strick draus gedreht."
Thomas Weirich, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert, ist noch guter Dinge. Die nächsten beiden Semester wird er an einer englischen Uni verbringen, danach will er ein Praktikum bei einer großen Unternehmensberatung machen. "Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, die Bachelor-Arbeit bei denen zu schreiben." Und danach dort anzufangen. Aber das ist noch Zukunftsmusik für den angehenden Ingenieur.