Hamburg. Das 800 Millionen Euro teure Mammutprojekt ist offiziell beendet. Doch eine Feier zur Freigabe der Fahrrinne gibt es nicht.

Es ist das größte Hafeninfrastrukturprojekt in Hamburg seit Jahrzehnten. Am Montag gaben die Behörden die tiefere Fahrrinne nach der Elbvertiefung frei. Künftig können die Schiffe nun im Schnitt 1000 Container mehr in den Hamburger Hafen bringen. Doch obgleich der Termin seit Wochen bekannt ist, erfolgte die öffentliche Ankündigung ganz verschämt.

Versteckt zwischen Informationen zu Hilfen bei Zeugnissorgen und neuen Anwohnerparkzonen kam am Mittag die Pressemeldung des Senats. Ab sofort können Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern unabhängig von Ebbe und Flut die Elbe befahren. Tideabhängig soll der Fluss für Schiffe mit einem Tiefgang von maximal 14,50 Metern passierbar sein (– nach annähernd 20 Jahren Planungen, Gerichtsprozessen und Umsetzung.

Elbvertiefung fertig, doch der Hamburger Hafen feiert nicht

Eigentlich sollte die Freigabe mit einer Feierlichkeit erfolgen. Warum diese ausblieb, gibt Anlass zu Spekulationen. Die Fahrrinne ist zwar freigegeben, die Arbeiten an dem knapp 800 Millionen Euro teuren Projekt sind aber noch nicht völlig abgeschlossen: Am Alten-brucher Bogen kurz vor Cuxhaven muss noch einmal der Kampfmittelräumdienst Munitionsüberreste aus dem Zweiten Weltkrieg beseitigen.

Außerdem sind noch ein paar Baggerarbeiten in der Begegnungsbox notwendig, wo sich erneut Schlick abgesetzt hat. Planmäßige Unterhaltungsarbeiten seien erforderlich, um die Vorteile für die Schifffahrt vollumfänglich und dauerhaft nutzen zu können, erklärt dazu der Senat.

Elbvertiefung: Dem Hafen droht juristischer Ärger

Schließlich droht neuer juristischer Ärger: Den Umweltverbänden BUND, Nabu und WWF zufolge sollen Sedimente ohne Genehmigung am Standort St. Margarethen in die Elbe verklappt worden sein. Das wollen sie rechtlich überprüfen lassen. An der Freigabe der neuen Tiefgänge ändert das freilich nichts. Sie waren schon Ende Dezember im „Amtlichen Anzeiger“ für diesen Montag angekündigt worden. Hafenkapitän Jörg Pollmann hat die Reedereien und Kunden des Hamburger Hafens weltweit über die neuen Tiefgänge informiert.

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) nennt dies einen „Meilenstein“ für den Schiffsverkehr nach Hamburg. „Für Deutschlands größten Hafen bedeutet das bessere Anlaufbedingungen, die den Reedereien ermöglichen, mehr Ladung nach Hamburg zu bringen.“

Warum dieser bedeutende Schritt nicht gefeiert werde?, fragte hingegen der FDP-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Michael Kruse. „Es ist bedauerlich, dass es heute keine Feierstunde anlässlich des Projektabschlusses in Hamburg gibt“, sagte er und verwies darauf, dass die Elbvertiefung von einem Teil des Hamburger Senats stets abgelehnt worden sei. „Es ist wohl dem Einfluss der Grünen im Senat zu verdanken, dass die Freude über den Abschluss dieses Projekts nicht angemessen mit allen Beteiligten zelebriert wird. Was für Hamburg ein Tag zur Freude ist, ist für diesen Senat offenbar nur eine Randnotiz wert.“ Im Rathaus stimmten die Prioritäten in Sachen Hafenpolitik nicht mehr, kritisierte Kruse.

Reedereien nehmen Elbvertiefung in Hamburg gut an

Dabei zeigt sich: Die Reedereien nehmen die Kapazitätserweiterungen an. Bereits Anfang Mai 2021 war die Tiefgangsgrenze der Elbe in einer ersten Stufe um 80 Zentimeter erweitert worden. Interne Zahlen aus der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), die dem Abendblatt vorliegen, belegen, dass die maritime Industrie darauf sofort reagierte.

Die Tiefgänge der großen Containerschiffe wuchsen innerhalb weniger Monate an. Lag der Tiefgang der Schiffe beim Anlauf in Hamburg vor der Freigabe im Schnitt bei 12,3 Metern, waren es anschließend 12,5 Meter. Noch deutlicher war die Entwicklung beim Auslaufen: Hier stieg der durchschnittliche Tiefgang von 11,6 auf 12,1 Meter. Das bedeutet, dass mehr Container auf dem Seeweg transportiert wurden.

Für die Hafenwirtschaft ist also die endgültige Freigabe ein Grund zum Jubeln. „Nach über 20 Jahren Projektlaufzeit ist dies eine positive Nachricht, die Hamburg den Kunden des Hamburger Hafens heute mitteilen kann. Mit der im letzten Jahr fertiggestellten Begegnungsbox und den ab heute nutzbaren Tiefgängen von bis zu 14,50 Metern ergeben sich eine bessere Planbarkeit und mehr zeitliche Flexibilität für die Schifffahrt zwischen Nordsee und Hamburg sowie eine bessere Auslastung für große Container- und Massengutschiffe“, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz.

Bis sich nun auch die Freigabe der zweiten Stufe in einem höheren Ladungsaufkommen widerspiegele, dauere es aber noch. „Die positiven Effekte werden sich erst im Laufe der kommenden Monate zeigen, da der Einsatz von Schiffen und ihrer Beladung langfristig geplant werden.“

BUND, Nabu und WWF: Elbvertiefung sei "Verrat an der Natur"

Die Umweltverbände sind froh, dass nicht gefeiert wird, schließlich haben sie bis zum Schluss versucht, die Elbvertiefung juristisch zu verhindern. Und der Montag zementiert ihre Niederlage. „Heute ist kein Tag zum Feiern“, heißt es von BUND, Nabu und WWF in einer Erklärung. Sie sprechen von einem „Verrat an der Natur“. Das Ökosystem Elbe sei für die Vertiefung „verraten und verkauft“ worden.

„Das Adersystem der Elbe mit all seinen wertvollen und geschützten Lebensräumen verstopft und verschwindet. Der Zusammenbruch des Stintbestands ist ein Vorbote, wie sich der Zustand des Flusses auch in Zukunft verschlechtern wird. Die Funktion der Tideelbe als natürlicher Lebensraum wird den Bedürfnissen des Hafens unterworfen“, sagen die Verbände.

Witte: Elbvertiefung führe auch zu weniger Emissionen

Zudem sei die freigegebene Tiefe aufgrund der Verschlickung faktisch nicht vollständig nutzbar. „Die Stadt Hamburg bekommt das Schlickproblem nicht in den Griff. Es sind ständig Baggerschiffe im Einsatz, um die Fahrrinne auf der entsprechenden Tiefe zu halten. Diese Unterhaltungsbaggerungen schädigen fortlaufend das Ökosystem und kosten die Steuerzahler bereits jetzt jedes Jahr 120 Millionen Euro.“

Dem Vorwurf des ökologischen Schadens widerspricht der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Heinrich Witte. Neben den nautischen Vorteilen bringe die erweiterte Tiefe auch einen ökologischen Mehrwert. „Mehr Tiefe bedeutet eine bessere Auslastung der Schiffe und führt damit zu weniger Emissionen pro transportierter Tonne.“ Die Zukunft wird zeigen, wer recht behält.