Hamburg. Dänische Reederei mit Tochter Hamburg Süd verhandelt direkt mit Lieferanten. Hafenpräsident sieht in dem Streit eine große Gefahr.
Der Hamburger Spediteur Reinhard Hornung staunte nicht schlecht, als er Anfang Januar seinen langjährigen Partner, die Reederei Hamburg Süd, um die neuen Frachtraten für ein Transportgeschäft bat. Denn die Antwort lautete: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider dürfen wir als Hamburg Süd ab 01.01.2022 keine Raten mehr an Spediteure herausgeben, sodass ich Ihnen hierfür leider nichts mehr anbieten darf.“ Hamburgs Traditionsreederei hatte die Zusammenarbeit mit der Spedition kurzerhand eingestellt – und zwar auf Weisung des dänischen Mutterkonzerns Maersk, wie Hornung bei telefonischer Nachfrage erfuhr.
Für Hamburg Süd, die sich bisher mit den engen, fast freundschaftlichen Beziehungen zu ihren Kunden und Handelspartnern von vielen anderen Reedereien unterschied, war das ein ungewöhnlicher Schritt – und zwar einer mit dem der Branchenriese Maersk, zu dem die Hamburger seit 2017 gehören, die Kontrolle über die Geschäfte von der Elbe nach Kopenhagen abzieht.
Knallharte Unternehmenspolitik von Maersk sorgt für Ärger
Die Erlebnisse der Spedition Hornung sind kein Einzelfall. Es ist vielmehr so, dass Hamburg Süd systematisch Transportgeschäfte mit den Hamburger Spediteuren – und auch denen von außerhalb – ablehnt. Dahinter steht eine knallharte Unternehmenspolitik von Maersk, wonach die Zwischenhändler ausgeschaltet werden und die Reederei direkt in Beziehungen zu den Lieferanten und Handelskonzernen tritt. Die Spediteure verlieren ihre Funktion als Ladungsvermittler. Zwar dürfen sie noch weiter im Geschäft mitmischen, indem sie sich auf einer elektronischen Buchungsplattform namens Spot von Maersk registrieren und um Aufträge bewerben, allerdings zu Bedingungen und Preisen, welche die Dänen diktieren.
Als einer der größten Seetransporteure mit den meisten Schiffen auf den Weltmeeren kann sich Maersk das erlauben. Der Konzern verfolgt seit Längerem die Strategie, die Transportketten insgesamt von Tür zu Tür in die Hand zu bekommen. Die derzeitige Situation im Seegütertransport spielt den Dänen dabei in die Hände. Denn es gibt – ausgelöst durch die Pandemie – weit mehr Nachfragen nach Seetransporten, als Stellplätze auf Schiffen.
Maersk und Hamburg Süd booten Spediteure aus
Maersk muss sich also kaum darum bemühen, neue Ladung zu akquirieren, und kann auf die klassischen Ladungsbringer, die Spediteure, verzichten. Die Empörung darüber ist groß, nicht nur in Hamburg. Der europäische Spediteursverband Clecat, dessen Präsident der Hamburger Spediteur und Vizepräses der Handelskammer, Willem van der Schalk, ist, hat die EU in Brüssel bereits aufgefordert, auf die neue Geschäftspolitik von Maersk zu reagieren, und lässt juristisch prüfen, ob die Ablehnung von Spediteuren gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt.
„Es ist schon sehr bedenklich, wie Maersk und Hamburg Süd die Spediteure ausbooten wollen. Sie nehmen ihnen ihre langjährigen Kundenbeziehungen weg und greifen dabei auf deren Kundendaten zurück“, sagt van der Schalk. Das liege an der Oligopolsituation auf dem Markt, und die EU habe bisher keine Schritte unternommen, um den Markt zu regulieren.“
Reedereien schalten Zwischenhändler aus – Vertragsbruch?
Carsten Schryver, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition, verweist auf einen allgemeinen Trend: Zum einen gebe es die Tendenz – auch in anderen Branchen –, Zwischenhändler auszuschalten. Zum anderen führe die Digitalisierung dazu, dass die Reedereien Buchungen gerne elektronisch über ihre Plattformen abwickeln wollen. Für die Spediteure führe diese Praxis zu Problemen.
„Es ärgert mich, dass einige Reedereien so vorgehen und nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit nun direkt mit Wissen und Daten über den Markt an unsere Kundschaft herantreten möchten. Im Grunde könnte man das sogar als Vertragsbruch bezeichnen“, sagt er. Noch sei dies nicht existenzgefährdend. „Zumindest nicht für uns“, so Schryver Seine Hoffnung: „Die Reedereien werden im Großen und Ganzen auch erkennen, dass sie auf unsere Expertise, etwa bei Zollthemen, der Rechnungsabwicklung und Bezahlung nicht so ohne Weiteres verzichten können. Die Welt ist auf lokaler Logistikebene eben alles andere als standardisiert, sondern höchst bürokratisch und kompliziert.“
Bonz: „Der Dinosaurier frisst und frisst, bis er platzt.“
Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, sieht in der Auseinandersetzung eine Gefahr für den maritimen Standort an der Elbe. „Für Hamburg als den wichtigsten deutschen Außenhandelsstandort ist der Streit von hoher Bedeutung. Wird sich die Strategie eines großen dänischen Konzerns durchsetzen, würde weniger Ladungsverkehr vom Standort Hamburg aus gesteuert werden“, sagt er. Zugleich kritisiert Bonz die Haltung von Maersk, weil die Reederei ihre Marktmacht ausspiele: „Der Dinosaurier frisst und frisst, bis er platzt.“
Hamburg Süd selbst begründet die Verdrängung der Spediteure mit der hohen Kundennachfrage. „Es gibt leider noch immer in so gut wie allen Fahrtgebieten zu wenige Schiffskapazitäten, um allen Kundennachfragen gerecht zu werden. Daher verstehen wir, dass unsere strategische Fokussierung auf Kundengruppen, die wir mit unserem persönlichen Service am besten bedienen, nicht überall begrüßt wird“, so ein Sprecher.
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Streit mit Spediteuren: Hamburg Süd verweist auf Spot-Markt
Zugleich könnten Speditionen weiter bei Maersk über das Produkt Spot Seetransporte buchen. „Spot ist ein Angebot, das den Bedürfnissen der Kunden noch besser entgegenkommt als unser sehr ähnliches Hamburg-Süd-Produkt Instant, das zum Jahreswechsel weitgehend eingestellt wurde.“ Bei Spot kämen vor allem kleinere Spediteure besser an Stellplätze, und das Produkt enthalte auf Wunsch auch eine Verladegarantie.
Nur eines gibt es bei Spot nicht: langfristige Verträge. Denn das Buchungsportal bedient, wie der Name schon sagt, den kurzfristigen Spot-Markt. Ein wirklicher Ersatz für frühere, verlässliche Vereinbarungen ist das für viele Spediteure nicht.