Leipzig/Hamburg. Gerichts-Krimi um Zukunft des Hafens: Bundesverwaltungsgericht will Positionen der mündlichen Verhandlung in Ruhe bewerten.
Hafenwirtschaft und Reeder in Hamburg müssen auf ein Urteil im Streit über die Elbvertiefung noch fast zwei Monate warten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nach drei Tagen Verhandlung angekündigt, am 9. Februar 2017 um 10 Uhr eine Entscheidung bekannt zu geben. Es wird erwartet, dass das Gericht dann auch in dem seit mehr als vier Jahre währenden Rechtsstreit mit den Umweltverbänden ein Urteil fällen wird.
Der Vorsitzende Richter des 7. Senats, Rüdiger Nolte, sagte dazu: „Nachdem das ganze Verfahren schon eine Weile dauert, bitten wir Sie, uns auch noch etwas Zeit zuzugestehen, die nun in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Punkte rechtlich zu bewerten.“ Zuvor hatten Nolte und seine Richter-Kollegen in einem dreitägigen Verhandlungsmarathon, der jeweils von morgens bis abends dauerte, einen umfangreichen Fragenkatalog an die Prozessbeteiligten abgearbeitet. Dabei richteten sie die meisten Fragen an die Beklagten, also an die Stadt Hamburg und den Bund, die die Elbvertiefung gemeinsam durchführen wollen.
Beide Seite versuchten zu überzeugen
„Es wurden alle offenen Punkte angesprochen – und wir konnten alle Fragen des Gerichts beantworten“, sagte Hamburgs Hafenchef Jens Meier. Zuvor hatten die klagenden Umweltverbände Nabu und BUND beantragt, den Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung aufzuheben oder hilfsweise als rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Stadt und Bund stellten hingegen den Antrag, die Klage abzuweisen. Beide Seiten hoffen, das Gericht von ihrer Sichtweise überzeugt zu haben.
Der Vorsitzende vom Nabu in Hamburg, Alexander Porschke, gab sich ebenfalls zuversichtlich. „Wir konnten dem Gericht vermitteln, welche drastischen Auswirkungen eine erneute Elbvertiefung haben würde. Das Gutachten von Professor Ulrich Zanke hat aufgezeigt, dass der Tidenhub nach den Maßnahmen dreimal so hoch ausfallen wird wie angegeben.“ Der Hamburger Geschäftsführer des BUND, Manfred Braasch, ergänzte: „Die Gegenseite kann sich keinesfalls sicher sein, dass sie gewinnt. Wir sind gespannt, was die Richter am 9. Februar sagen werden.“
Kritische Fragen der Richter
Diese hatten – wie schon zuvor – auch am letzten Verhandlungstag geschickt einige Löcher in der Argumentationskette der Stadt und des Bundes aufgespürt. So sahen sich die beklagten Behörden kurz vor Schluss des Prozesses dazu genötigt, ihre bereits dreimal überarbeiteten Planunterlagen noch einmal mündlich zu ergänzen. Zuvor hatte eine Wasserbauexpertin ausgeführt, wie die Auswirkungen der Elbvertiefung auf den Tidenhub abgemildert werden sollen. Dazu wird das beim Bauprojekt gewonnene Baggergut in einen Priel in der Elbmündung, die sogenannte Medemrinne, geschüttet. Dadurch sollen unter Wasser kleine Sandberge entstehen, die wie eine Bremse den Strom aufhalten. „Da ist doch auch mit Schadstoffen belastetes Baggergut dabei. Wie wollen Sie sicherstellen, dass das nicht verteilt wird?“, wollte der Vorsitzende Richter wissen. Antwort der Stadt: „Wir bauen unter Wasser einen fünf Meter hohen Schutzdamm, dahinter wird etwa ein Meter belastetes Baggergut aufgeschüttet, darauf kommt dann eine Abdeckung mit schadstofffreiem Baggergut.“
Das klang zwar plausibel, reichte dem Gericht aber nicht: „Das, was Sie hier erzählen, finden wir aber nicht so detailliert in Ihrem Antrag wieder“, sagte Richter Nolte. Also sahen sich die Anwälte genötigt, die Angaben zum Umgang mit dem belasteten Baggergut mündlich nachzureichen. „Das Gericht hat sehr intensiv und mit großer Tiefe viele Dinge abgeklärt“, sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), der der Verhandlung zuvor still gefolgt war. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Gericht jetzt noch etwas Zeit benötigt. Wir hoffen aber, dass wir im Februar ein Urteil bekommen, sodass wir unverzüglich mit den Baumaßnahmen beginnen können.“
Harsche Kritik von der FDP
Wie dringend diese Baumaßnahmen sind, hatte der wortführende Anwalt des Bunds, Wolfgang Ewer, in seinem Plädoyer zuvor noch einmal deutlich gemacht: Er verwies auf die schicksalhafte Bedeutung des 21. Dezember. 1872 sei an diesem Tag das Forschungsschiff „Challenger“ zur Tiefsee-erkundung aufgebrochen, 1901 habe eine Antarktisexpedition stattgefunden, und 1909 sei am 21. Dezember die größte Sechsmastbark der Welt vom Stapel gelaufen. „Das alles mutet museal an“, sagte Ewer. „Genauso museal werden die großen Containerschiffe für Hamburg sein. Wenn wir den Hafen nicht zeitnah tideunabhängig zugänglich machen, hat das nicht nur Auswirkungen für den Hafen und viele Tausend Menschen, sondern für den Exportweltmeister Deutschland insgesamt“, so Ewer. Der Anwalt der Kläger, Rüdiger Nebelsieck, stellte am Ende der Verhandlung fest, dass eine Ausnahmegenehmigung des Gerichts für die Elbvertiefung aus seiner Sicht gar nicht möglich sei: „Auch bei Ausnahmegenehmigungen müssen alle praktikablen Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen einer Elbvertiefung ergriffen werden. Das ist nicht der Fall.“ Bereits vor Jahren seien Ideen zur Rückverlegung von Deichen und zur Wiederanbindung von Nebenflüssen diskutiert worden. „In den Planungen der Vorhabenträger findet sich davon nichts“, so Nebelsieck.
Harsche Kritik kam nach Verhandlungsende von der Vorsitzendenden der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Katja Suding: „Wieder einmal ist der Senat völlig unzureichend vorbereitet in die Verhandlungen gestolpert. Wieder einmal blamiert sich der Senat, weil das Bundesverwaltungsgericht ihm nach 2014 erneut vorwerfen musste, wichtige Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.“ Positiver als Suding, die nicht vor Ort in Leipzig war, äußerte sich der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Die Hamburger Hafenwirtschaft blicke optimistisch auf das bevorstehende Urteil, sagte er. Bonz machte aber zugleich deutlich, dass dieses möglicherweise zu spät komme. Seine Angst: Reedereien könnten sich nun dafür entscheiden, große Schiffe an Hamburg vorbei zu lenken.