Leipzig . Rüdiger Nolte hakt bei der Stadt als auch bei den Umweltverbänden detailliert nach – und bringt die Prozessteilnehmer in Bedrängnis.
Die Zustimmung zur Elbvertiefung gibt es anders als gewisse Brillen nicht zum Nulltarif, sondern sie muss erkauft werden. Auch am zweiten Tag der abschließenden Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig machten die Richter deutlich, dass der Umweltschutz zu seinem Recht kommen muss. So begann der Prozesstag mit einer weiteren Planergänzung, mit der die Stadt Hamburg und der Bund den gegen die Elbvertiefung klagenden Umweltverbänden BUND und Nabu entgegen kommt.
Zur Rettung der Finte, einer Heringsart, die ihre Laichgebiete in der Elbe zwischen Este und Schwinge hat, gaben die Beklagten zu Protokoll, dass sie künftig während der Laichzeit zwischen Mitte April und Mitte Juni auf Baggerarbeiten zur Freihaltung der Fahrrinne von Schlick verzichten werden und zwar ersatzlos. Auch die bisherige Wasserinjektion, bei der Wasser mit Hochdruck eingesetzt wird, um die Schlickberge wegzuspülen wird es in der Zeit nicht geben.
Damit folgten die Befürworter der Elbvertiefung einer Aufforderung des Gerichts, das eine Gefährdung des Finten-Laichs durch Baggerarbeiten ausschließen will. Zugleich bedeutet es für die Hafenwirtschaft, die ohnehin schon über zunehmende Verschlickung klagt, eine erhebliche Einschränkung. Denn das Zeitfenster für Baggerarbeiten in der Elbe wird damit eingeschränkt.
Nächtliche Krisensitzung
Nach einer nächtlichen Krisensitzung zuvor, waren die Vertreter der Stadt und des Bundes an diesem Verhandlungstag besser vorbereitet. Während die Umweltverbände den Vorabend nutzten, ihre Taktik auszufeilen, saßen die Prozessvertreter der Beklagten bis zwei Uhr zusammen, um Fragen zu beantworten, die ihnen das Gericht als „Hausaufgabe“ mitgegeben hatte. Den Versuch der Gegenseite, das im Rahmen der Elbvertiefung vorgesehene Strombaukonzept der Bundesanstalt für Wasserbau durch ein Gegengutachten zu torpedieren, konnten Stadt und Bund damit abbiegen. Allerdings erst nach einer Ehrenrunde vor Gericht.
Zunächst versuchten die Anwälte mit markigen Worten, das Berechnungsmodell der Umweltverbände in Zweifel zu ziehen. Darauf ließ sich der Vorsitzende Richter, Rüdiger Nolte, gar nicht ein. „Es geht dem Gericht gar nicht um das Berechnungsmodell der Kläger, sondern um die Validität der Berechnungen der Beklagten“, sagte Nolte und zitierte die Ingenieure der Bundesanstalt für Wasserbau nach vorne, die sich in den hinteren Reihen niedergelassen hatten. „Kommen Sie hier nach vorne, damit wir miteinander reden können“, sagte der Richter und forderte die Vertreter der Bundesanstalt dazu auf, ihre Methoden zu verteidigen.
Nebelsieck bekam Noltes Autorität zu spüren
Schon beim nächsten Thema, nämlich welche Ausgleichsmaßnahmen die Stadt und der Bund für ihren Eingriff in die Natur vorsehen, bekam der Anwalt der Umweltverbände, Rüdiger Nebelsieck, Noltes Autorität zu spüren. Dieser las aus einem Schreiben der Europäischen Kommission vor, das in der ganzen Verhandlung bisher keine Rolle gespielt hatte.
Nolte schien das nicht zu gefallen: „Jetzt muss ich mal fragen, warum Sie dieses nicht vorher angemeldet haben“, sagte der Vorsitzende Richter mit strengem Blick zum Anwalt der Umweltverbände. „Weil ich es erst so spät erhalten habe“, lautete dessen Antwort. Nolte fasste nach: „Sagten Sie nicht, Sie hätten das Ende November bekommen?“ Das musste Nebelsieck bejahen. „Da sind wir doch jetzt drei Wochen weiter. Sie hätten schon längst das Gericht informieren können“, brummte Nolte und Nebelsieck gab kleinlaut bei: „Das verstehe ich.“
Nadelstiche gegen die Vertreter der Stadt
In der Sache gelang es dem Kläger-Anwalt indes, empfindliche Nadelstiche gegen die Vertreter der Stadt zu setzen. Und zwar in einem Maße, die Rüdiger Nolte zu deutlicher Kritik an der Planung der öffentlichen Hand veranlasste. Im Zusammenhang mit den Ausgleichsmaßnahmen für den Natureingriff warf er den Planern „Etikettenschwindel“ vor. „Da machen Sie es uns schwer“, sagte Nolte. „Maybe“ (vielleicht) sagte der Anwalt der Stadt. Was war passiert?
Die Stadt hat den Kreetsand, eine durch Rückdeichung entstandene Auenlandschaft in Moorwerder als Ausgleichsfläche für Schäden benannt, die durch die Elbvertiefung an der Natur entstehen. In der Verhandlung zeichnete sich aber ab, dass dieses Gebiet im Rahmen der europäischen Richtlinie Natura 2000 ohnehin aufgewertet werden soll. Damit handelt es sich also nicht mehr um eine zusätzliche Schutzmaßnahme, sondern um eine, die sowieso erfolgen soll.
Planer im Stich gelassen
Die Prozessbevollmächtigten der Stadt und des Bundes mussten die Kritik des Gerichts hinnehmen und hatten darauf keine Erwiderung. Nolte kritisierte zudem, dass in den Planunterlagen keine klare Abgrenzung zwischen zusätzlichen und üblichen Naturschutzmaßnahmen besteht. Da wurden die Planer von Stadt und Bund allerdings von einzelnen Fachbehörden, vor allem aus Niedersachsen im Stich gelassen: Diese wollen erst 2018 ihre Naturschutzflächen benennen.
Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, lobte die Verhandlungsführung von Nolte: „Das Gericht hat sich in einer Tiefe in das Verfahren eingearbeitet, die höchsten Respekt verdient.“ Das genaue Vorgehen der Richter und immer neue Einwürfe der Umweltschutzverbände führten dazu, dass am Nachmittag des zweiten Verhandlungstages erst die Hälfte der Themen abgearbeitet worden waren. Fortsetzung folgt heute.