Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Zukunft des Hafens

Mit Superlativen sollte man vorsichtig sein: Sie wirken meist übertrieben, ihr inflationärer Gebrauch stumpft ab. In dieser Sache aber scheint er gerechtfertigt: Das Bundesverwaltungsgericht muss über die Elbvertiefung befinden und damit das wohl wichtigste Urteil für die Hansestadt seit Langem fällen. Es geht hier nicht nur mittelfristig um Tausende Jobs und Hunderte von Millionen Euro, sondern um die Zukunft des Hafens. „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen“, heißt es in der Hamburger Verfassung.

Seit nunmehr 13 Jahren wird geplant, werden die Folgen des Eingriffs für die Flora und Fauna der Elbe untersucht. Es ist ein Hin und Her, das allen Beteiligten einiges abverlangt und schon unabhängig vom Ausgang eine Frage aufwirft: Wie sinnhaft sind Auseinandersetzungen über einen solchen Zeitraum – oder besser: Wie unzureichend sind politische Prozesse, wenn stets Gerichte entscheiden müssen? Hätte es nicht besser zu einem früheren Zeitpunkt eine Einigung geben können zwischen den klagenden Umweltverbänden und der Stadt?

Nun wird eine Seite als Verlierer aus diesem Prozess gehen. Man darf hoffen, dass es die Umweltverbände sind. Sie könnten eine Niederlage als wackeren Einsatz verkaufen – sie haben dagegengehalten, sich für Wasserfenchel, Löffelente, Knutt & Co. starkgemacht und Ausgleichsmaßnahmen erstritten. Ein Sieg hingegen könnte auch für BUND und Nabu schnell zum Pyrrhussieg werden. Der Kampf für die Umwelt ist vielen sympathisch, ein Triumph über den Hafen aber würden viele den Verbänden kaum verzeihen.

Denn die Folgen für die Stadt wären verheerend: Der Hafen schwächelt schon jetzt, auch weil sich die Elbvertiefung schon so lange hinzieht. Noch vertrauen viele Reedereien darauf, dass die Fahrrinnenanpassung am Ende kommt. Sollte sie ausbleiben, dürften viele Linien Hamburg bald den Rücken kehren. Das wird Jobs kosten. Natürlich hängen nicht alle 150.000 Arbeitsplätze des Hafens direkt an dieser Fahrrinnenanpassung – aber die Zahl dürfte deutlich sinken, sollte ein Gericht einen Welthafen zum Regional­hafen zurückstutzen.

Analysten von M.M. Warburg haben das Schreckensszenario einmal durchgerechnet und gehen von einem signifikanten Umschlagsrückgang allein bei der HHLA aus. Sie schätzen, dass zwischen einem schnellen Ja und einem kategorischen Nein zur Elbvertiefung pro Aktie fast zehn Euro Wertdifferenz liegen. Allein für die HHLA, die zu mehr als zwei Dritteln der Stadt gehört, stehen also bis zu 700 Millionen Euro im Feuer. Nicht nur der Finanzsenator, auch alle Steuerzahler sollten die Fahrrinnenanpassung in ihr Nachtgebet aufnehmen.

Ein Nein könnte Hamburg, Deutschland und Europa in aller Welt blamieren: die Stadt, die daran scheitert, gerichtsfest den Fluss schiffbar zu machen; den Exportweltmeister, der nicht einmal seine Handelswege wettbewerbsfähig hält; und den Krisenkontinent, der mit seiner Wasserrahmenrichtlinie die Lebensadern der Wirtschaft verstopft. Bürgermeister Olaf Scholz sprach von einer „schicksalhaften Entscheidung für ganz Europa“ – das mag pathetisch klingen, richtig bleibt es doch.

Scholz weiß, dass die Fahrrinnenanpassung für das Selbstverständnis Hamburgs auch eine psychologische Bedeutung hat. Der Hafen ist mehr als ein Hafen, er ist für Hamburg identitätsstiftend. Die Stadt lebt seit Jahrzehnten von der Elbe, verdient am Handel, profitiert vom internationalen Austausch und genießt den Blick auf die Schiffe. Hamburg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Fluss zurückgewendet, erfand sich am Elbufer neu. Aus diesem Grund sollte man die Warnung eines Stadtentwicklers nachklingen lassen: „Man kann sich die Verwüstung einer Stadt nicht vorstellen, wenn der Hafen trocken fällt.“

Über das Schicksal der Hansestadt wird nun am Leipziger Simsonplatz entschieden.