Hamburg. Anfang Juli erfolgt ein wichtiger Richterspruch zum umstrittenen Projekt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Anfang Juli fällt eine wichtige Vorentscheidung zur Elbvertiefung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verkündet dann ein Urteil, das für die Klagen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und weiterer Naturschutzorganisationen gegen den Ausbau von Elbe und Weser von großer Bedeutung ist. Welche Folgen dieser Richterspruch haben könnte und wie es mit der Elbvertiefung danach weitergeht, erklärt das Abendblatt.

Was hat der Europäische Gerichtshof mit der Elbvertiefung zu tun?

Ausgangspunkt des Verfahrens ist der Antrag zur Vertiefung der Weser, der zeitlich vor den Anträgen zur Elbvertiefung bei den Behörden gestellt wurde. Die Weser soll wie die Elbe für größere Schiffe ausgebaut werden. Der BUND hatte dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklagt. Das Gericht entschied im Juli 2013, das Verfahren auszusetzen, weil es sich nicht sicher war, wie eine neue Umweltrichtlinie der EU über den Umgang mit Binnengewässern zu verstehen ist. Die Leipziger Richter wandten sich deshalb an den EuGH, der erklären soll, wie die europäische Regel auszulegen ist. Im Oktober 2014 bekam das Bundesverwaltungsgericht dann zusätzlich zur Weser die Klage der Umweltverbände gegen die Elbvertiefung. Das Gericht stellte das Verfahren zurück bis ein Richterspruch des EuGH erfolgt, weil auch die Elbvertiefung vom selben Umweltgesetz berührt wird.

Um welches Gesetz geht es?

Im Jahr 2000 hat die EU die Europäische Wasserrahmenrichtlinie erlassen. Diese regelt die Gewässerbewirtschaftung in allen Ländern der Union und hat das Ziel, die ökologische Qualität von Flüssen, Bächen und Seen zu verbessern. Deshalb gehört zu dieser Richtlinie ein Verbot von Maßnahmen, die die Qualität der Gewässer verschlechtern könnten. Die Umweltverbände behaupten, dass die Elbvertiefung zu jener verbotenen Verschlechterung der Wasserqualität führt.

Was soll der EuGH entscheiden?

Der EuGH soll entscheiden, ob das Verschlechterungsverbot eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer darstellt oder ob Eingriffe in die Gewässer, wie Baggerarbeiten in der Elbe, grundsätzlich zu verbieten sind, wenn sie eine Verschlechterung des Gewässerzustands verursachen können.

Worüber wird konkret gestritten?

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU ist relativ ungenau formuliert. Handelt es sich bereits um eine Verschlechterung, wenn jemand ein Glas Bier in die Elbe schüttet oder bedarf es dazu schwerwiegendere Eingriffe? Das ist nicht klar geregelt. Der Hamburger Senat warnt vor den wirtschaftlichen Folgen des Richterspruchs. Wird die Richtlinie ganz eng ausgelegt, ist praktisch kein Bauprojekt in Europa mehr möglich, bei dem beispielsweise eine Industrieanlage Flusswasser zur Kühlung benötigt oder Flüsse eben für große Schiffe befahrbar gemacht werden sollen.

Lässt die Wasserrahmenrichtlinie Ausnahmen zu?

Ja. Es kann nämlich Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot geben. Dabei ist der Eingriff in seiner Schwere zu bewerten und zu prüfen, ob es Ausgleichsmöglichkeiten gibt. Genau dar­auf berufen sich nun die Antragsteller zur Elbvertiefung, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und die Stadt Hamburg. Sie räumen ein, dass die Elbvertiefung zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen kann. Sie sagen aber auch, dass das Projekt von so überragendem öffentlichen Interesse ist, dass in diesem Fall eine Ausnahme von der Wasserrahmenrichtlinie zu machen ist. Schließlich muss der Zugang zum Hamburger Hafen für große Schiffe frei bleiben, weil ein Großteil des deutschen Imports und Exports über diesen Hafen erfolgt. Das ist vom Bundesverwaltungsgericht und sogar von der EU-Kommission so bestätigt worden.

Was können die europäischen Richter am 1. Juli überhaupt entscheiden?

Es gibt drei Optionen, von denen die dritte beim Hamburger Senat als die wahrscheinlichste gilt. Erstens könnte der EuGH festlegen, der Eingriff in die Natur sei durch die Baggerarbeiten im Flussbett der Elbe so schwerwiegend, dass kein Ausgleich die Verschlechterung heilen kann. Dann dürfte der Antrag zur Elbvertiefung keine Aussicht auf Erfolg mehr haben. Das Gericht könnte auch feststellen, dass es sich bei der Wasserrahmenrichtlinie tatsächlich nur um eine bloße Zielvorgabe handelt, die in diesem konkreten Fall keine Rolle spielt. Davon gehen nicht einmal die Optimisten unter den Befürwortern der Elbvertiefung aus. Die dritte Variante ist, dass das Gericht die Beachtung der Wasserrahmenrichtlinie vorschreibt, aber mit Nachbesserungen eine Ausnahme zulässt.

Was bedeutet das für das weitere Verfahren der Elbvertiefung?

Sollte der EuGH diese dritte Option wählen, müssten Hamburg und der Bund ihren Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung um die geforderten Nachbesserungen ergänzen und mit den klagenden Umweltverbänden nochmals erörtern. Anschließend geht die Sache wieder vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass dann abschließend über die Elbvertiefung entscheiden muss.

Führt das zu weiteren Verzögerungen?

Ja. Ursprünglich hatte der Senat angenommen, der EuGH könnte schon im Frühling 2015 entscheiden, jetzt ist es schon fast Sommer. Danach bräuchten Stadt und Bund nochmals etwa zwei Monate, um ihren Plan zu ergänzen. Weitere zwei Monate bekämen anschließend die Umweltverbände Zeit, sich damit zu befassen. Und auch die Leipziger Richter bräuchten mindestens zwei Monate Zeit, um sich mit der neuen Sachlage auseinanderzusetzen. In diesem Fall hätte sich die Hoffnung zerschlagen, dass man noch in diesem Jahr mit den Baggerarbeiten beginnt.