Berlin. Deutschlands Firmen geht es schlecht, aber die Börse läuft. Der Leitindex hat sich von der wirtschaftlichen Entwicklung im Inland entkoppelt.

Deutschlands Wirtschaft kränkelt, die Börse boomt. In diesem Jahr hat der deutsche Aktienindex Dax um satte 19 Prozent zugelegt. Am Dienstag kletterte das Leitbarometer sogar auf ein Rekordhoch und übersprang die Marke von 20.000 Punkten.

Angesichts dieser Entwicklung könnte man meinen, dass es den deutschen Firmen gerade richtig gut geht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Dax-Entwicklung hat nichts mit dem Darben der Wirtschaft im Inland zu tun. Vielmehr zeigt sich, dass sich viele Konzerne längst von der schwachen Inlandskonjunktur entkoppelt haben und in der Lage sind, schwierige deutsche Rahmenbedingungen und Unzulänglichkeiten des Standorts zu umgehen.

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Die Gründe für den Höhenflug an den Börsen liegen zum Teil auch weit weg von Deutschland: Die Aussicht, dass Donald Trump wieder das Ruder im Weißen Haus in Washington übernimmt, scheint Anleger zu euphorisieren. Ebenso, dass die großen Zentralbanken wohl weitere Zinssenkungsschritte einleiten werden und die Inflation sowohl in den USA als auch in Europa im Griff zu sein scheint. Kredite werden so billiger, Investitionen könnten wieder zunehmen, so die Lesart der Investoren. Dass in Deutschland vieles nicht stimmt, ist an den Börsen da nur ein Nebenschauplatz.

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    Vor allem SAP, Siemens und der Allianz ist es in diesem Jahr ziemlich gut gelungen, den allgemeinen Bremsspuren der hiesigen Wirtschaft aus dem Weg zu gehen. Der Mannheimer Softwarekonzern ist mittlerweile so viel wert, dass sein Anteil am Dax auf fast 13 Prozent gewachsen ist. Die kriselnden Autohersteller Volkswagen, Mercedes & Co. machen hingegen nur noch acht Prozent vom deutschen Leitindex aus, sind aber mit ihrer Dauerschleife an schlechten Nachrichten tief in das Gemüt vieler Deutscher vorgedrungen.

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    Fast tagtäglich müssen sich die Bundesbürger mit neuen Plänen zu Stellenabbau oder Standortverlagerungen auseinandersetzen. Vor allem rund um die Automobilindustrie sind Hunderttausende Beschäftigte und ihre Familien davon betroffen. Es ist diese Lage, die Diskussionen am Küchentisch bestimmt. Das Börsen-Feuerwerk ist bislang also kaum in die Köpfe vieler Deutscher hervorgedrungen.

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    Lehren könnten die immer noch als börsenfaul geltenden Verbraucher hierzulande trotzdem aus der aktuellen Lage ziehen. Eine könnte sein: Die Wirtschaft findet trotz Unwägbarkeiten und Standortnachteilen ihren Weg. Eine weitere: Wer an der Börse Geld anlegt, ist kein Zocker, sondern betreibt langfristig Vermögensaufbau – und das sogar in Krisenzeiten.

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    In dieser Hinsicht kann man nur hoffen, dass eine neue Bundesregierung den Weg weitergeht, den der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jüngst noch eingeschlagen hatte. Lindner wollte mit einem geförderten und steuerbegünstigtem Altersvorsorgedepot das Aktiensparen in die Breite der Gesellschaft tragen. Von Fachleuten gab es dafür viel Lob – doch nach der geplatzten Ampel liegt der Referentenentwurf nun nur noch in irgendeiner Schublade im Finanzministerium.

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    Die Politik freilich wird nach der Wahl zunächst die reale Wirtschaft im Blick haben. Anders als SAP & Co. haben der Handwerker oder der 300-Mann-Betrieb in der Nachbarschaft meist kein florierendes Auslandsgeschäft. Gerade sie sind also darauf angewiesen, dass der Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird.

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    Dominik Bath ist Redakteur für Politik & Wirtschaft in der FUNKE Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

    Notfallmaßnahmen müssen also schnell erfolgen und die Breite der Firmen treffen – das heißt, nicht nur Konzerne, sondern auch den Mittelstand und kleinere Betriebe. Ansonsten ist es durchaus denkbar, dass sich der Dax noch mehr von der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands abkoppelt.