Hamburg. Während das geplante Werk in Heide immer noch nicht beschlossen ist, legen die Schweden in Billbrook nun los.
Es ist ein Geschäftsfeld mit einer derzeit noch recht überschaubaren Größenordnung, das aber binnen weniger Jahre zum Multi-Milliardenmarkt werden wird: Das Recycling ausgedienter Batterien von Elektroautos gilt als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien der nahen Zukunft. Und Hamburg ist auf dem Weg zu einem der bedeutenden Standorte für die Wiedergewinnung der wertvollen Rohstoffe aus den Batterien zu werden.
Heute wird in der Hansestadt ein bedeutender Schritt in diese Richtung getan. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt startet die erste kommerzielle Anlage für das Recycling der sogenannten Traktionsbatterien in Hamburg. „Es ist nach unserer Kenntnis die größte Anlage dieser Art in Deutschland“, sagt Northvolt-Sprecher Martin Höfelmann. Zur Einweihung an der Halskestraße in Billbrook kam Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Das kann als Zeichen gedeutet werden, dass die Stadt dem Industrieprojekt größere Bedeutung zumisst – über Hamburg hinaus. Die Anlage sei „ein wichtiges Projekt für die Zukunft der E-Mobilität in Deutschland“, sagte Tschentscher, und betonte: „Damit erhält die deutsche Automobilindustrie eine bessere Zukunftsperspektive.“
Batteriegigant Northvolt setzt überraschend auf Hamburg
In Sichtweite des italienischen Lebensmittelhändlers Andronaco und des schwedischen Möbelhauses Ikea arbeitet Northvolt mit der Metall-Recyclingfirma EMR zusammen. In den Werkhallen und auf dem Gelände, die zuvor von einem Autoverwerter genutzt wurden, werden dort künftig die ersten Schritte des komplexen Batterierecyclings unternommen. Die Anlage hat eine Kapazität von bis zu 10.000 Tonnen pro Jahr. Das heißt: Etwa 20.000 bis 30.000 Batterien pro Jahr können verarbeitet werden.
Der schwedische Konzern hat für die Anlage seine Technologie bereitgestellt und sorgt für den Nachschub ausgedienter Batterien. „Sie kommen von der deutschen Autoindustrie“, sagt Höfelmann. Konkreter möchte er nicht werden. EMR legt die Rohstoffe für die Produktion neuer Batterien aus den alten frei. An der Halskestraße wird vornehmlich die Hülle und sonstige Metallteile der Alt-Batterien entfernt. Kupfer und Aluminium können einfach eingeschmolzen und zu neuen Teilen verarbeitet werden.
Northvolt: In Billbrook werden die Gehäuse alter E-Auto-Batterien demontiert
Die Batteriezellen selbst gehen dann von Hamburg in ein Northvolt-Recyclingwerk in Nordschweden, werden dort zerkleinert, abermals von Kupfer, Aluminium und Kunststoffen befreit, bis ein Material übrig bleibt, das Fachleute so nennen, wie es aussieht: schwarze Masse. Aus der wiederum werden dann Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt gewonnen.
Northvolt hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr bei der Batterieproduktion sechs Prozent der Rohstoffe aus Recyclingmaterial eingesetzt. „Das Ziel ist, im Jahr 2030 bei der Zellproduktion bereits 50 Prozent Recycling-Material zu nutzen“, sagt der Unternehmenssprecher. Die Schweden haben testweise sogar bereits Batteriezellen ausschließlich aus wiedergewonnenen Rohstoffen produziert.
Dafür gibt es nicht nur Kosten- und Umweltschutzgründe. Die aus natürlichen Quellen gewonnenen Batterierohstoffe sind rar und stammen zum größeren Teil aus Ländern, von denen die europäischen Hersteller und Regierungen nicht abhängig sein möchten. Auch deshalb sind mit dem Recycling in Deutschland große Hoffnungen verbunden.
Batterierecycling – Aurubis gewinnt in Hamburg bereits wertvolle Rohstoffe
Einige Kilometer von der Halskestraße entfernt, wird ebenfalls intensiv am Thema gearbeitet. Roland Harings, der Vorstandschef des Kupfer- und Metallkonzerns Aurubis, hat die Wiederverwertung von E-Auto-Batterien zu einem wichtigen Teil der Unternehmenszukunft erklärt. Auf dem Gelände des Stammwerks auf der Veddel läuft bereits seit geraumer Zeit eine Pilotanlage. Im kommenden Jahr soll eine sogenannte Demonstrationsanlage in Betrieb gehen, die im kleineren industriellen Maßstab produzieren und im ersten Verarbeitungsschritt vornehmlich Lithium zurückgewinnen soll.
Bei Aurubis setzen sie dabei an einem Punkt an, der bei Northvolt nach der Zerlegung der Batterien an der Halskestraße erst in seiner Recyclingfabrik in Nordschweden passiert: Der Verarbeitung von schwarzer Masse. Nach der Demonstrationsanlage soll bei Aurubis in naher Zukunft eine industrielle Großanlage folgen. Lange galt als sicher, dass die Investition von mehreren Hundert Millionen Euro in Hamburg realisiert wird. Vor einigen Wochen hatte Konzernchef Harings gesagt, die Standortentscheidung sei noch nicht gefallen. Wegen der hohen Energiekosten in Deutschland kämen auch andere europäische Länder infrage.
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Bei Northvolt steht eine richtungsweisende Entscheidung ebenfalls noch aus: Anfang 2022 hatte das Unternehmen angekündigt, in Heide (Kreis Dithmarschen) eine Batteriezellfabrik mit mehreren Tausend Beschäftigen errichten zu wollen. Inzwischen allerdings ist auch ein Standort in den USA im Gespräch. Nachdem jetzt in Deutschland deutlich höhere Zuschüsse als ursprünglich zugesagt geplant sind, könnte es auf den Bau von zwei Fabriken hinauslaufen – in Heide und in den USA. Wann die Entscheidung fällt? „Wir hoffen schnellstmöglich noch in diesem Jahr“, sagt Sprecher Höfelmann.
Northvolt will schnellstmöglich über Werk in Heide entscheiden
In Heide – so hatten es die Schweden angekündigt – soll neben der Zellfertigung auch Batterierecycling betrieben werden. Ob es so kommt und ob sich das Unternehmen dann womöglich aus Billbrook wieder zurückziehen würde, ist vorerst völlig offen.
Sicher ist dagegen, dass die Hamburger künftig einen kleinen Teil ihres elektrischen Stroms aus der Halskestraße erhalten werden. „Die meisten der angelieferten Batterien sind noch geladen“, sagt Martin Höfelmann. Bevor die Zerlegung beginnt, werden sie zunächst entladen. Die elektrische Energie fließt ins Hamburger Stromnetz.