Hamburg. Die hohen Energiepreise vertreiben Firmen, jetzt schaut sich auch Aurubis nach einem alternativen Standort für das Batterie-Recyclingwerk um.
Es ist 14 Jahre her, da ritt der frischgebackene SPD-Landesvorsitzende eine heftige Attacke gegen den schwarz-grünen Hamburger Senat. Dieser, so kritisierte Olaf Scholz, sei der wirtschaftsfeindlichste Senat seit dem Krieg. Tatsächlich gaben viele Unternehmer dem Sozialdemokraten damals recht.
Befragt man heute Firmenlenker, bekommt man für die Bundesregierung aber ein ähnliches Urteil ausgestellt. Die Unzufriedenheit mit der Berliner Politik ist vom Mittelstand bis in die Chefetagen weiter verbreitet als jemals zuvor. Deutschland steckt in einer Rezession und die Perspektiven sind mau.
Viele Gründe sind für die Rezession verantwortlich
Dafür verantwortlich ist beileibe nicht nur die Ampel: Russlands Angriff auf die Ukraine hat einen Kostenschock ausgelöst, der die energieintensive deutsche Wirtschaft besonders hart trifft. Zugleich befindet sich der freie Welthandel auf dem Rückzug – für die Exportnation Deutschland eine weitere Hiobsbotschaft.
Auch für den bürokratischen Staatskapitalismus aus Brüssel darf man nicht die Ampel verantwortlich machen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist CDU-Mitglied, versteht aber von Ludwig Erhard so viel wie Pinocchio von Rammstein. Und die massive Standortförderung des US-Präsidenten Joe Biden für Industrieansiedlungen tut ein Übriges, um Investitionen nach Übersee zu saugen.
Energiepolitik der Ampel verschärft die Krise
In diesem schwierigen Umfeld wäre eine wirtschaftsfreundliche Regierung besonders wichtig – und dabei hat die Ampel zuletzt versagt. Allen voran die Energiepolitik der unterschiedlichen Partner: Wie man in einer Energiekrise auf die Idee kommen kann, die letzten drei Atommeiler abzuschalten, hat im Ausland kollektive Verwunderung ausgelöst.
Und warum gefracktes Gas aus den USA die Rettung und gefracktes Gas aus Niedersachsen Teufelszeug ist, konnte auch noch kein Vertreter der Ampel ernsthaft erklären. So vergrößert die Regierung die Energienot – und treibt die Preise in die Höhe.
Diese wiederum sind es, die ein Großunternehmen nach dem anderen ihrer Investitionen überdenken lassen. VW, immerhin mit Niedersachsen als Großaktionär, priorisiert seine Batteriewerke jetzt in Kanada statt in Europa; die große Zellenfabrik von Northvolt in Heide ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. Und nun warnt Aurubis, ein besonders heimatverbundenes Unternehmen.
Viele Konzerne schauen sich im Ausland um
Mit Blick auf den Standort für ein geplantes Batterie-Recyclingwerk ist Hamburg nicht mehr erste Wahl. Der Kupferkonzern schaut sich wegen der hohen Energiepreise in Deutschland nun in ganz Europa um . Unternehmenschef Roland Harings beklagt, es fehle an Argumenten für Hamburg.
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Die Liste ließe sich fortsetzen: Energieintensive Unternehmen – wovon Hamburg reichlich hat – rutschen in die Krise oder ziehen ins Ausland. Besonders beliebt bei den industriellen Auswanderern sind übrigens neben den USA die Kohlenation Polen, der Nachbar mit der schlechtesten Klimabilanz, und der Atomstaat Frankreich.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Problem erkannt
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Problem erkannt und drängt wie Teile der SPD auf einen subventionieren Strompreis. Auch wenn ordnungspolitisch der Widerstand der FDP nachvollziehbar ist, eine Ware zu verbilligen, die man selbst verteuert hat, führt an einem Industriepreis kein Weg mehr vorbei: Wer die Deindustrialisierung stoppen und das Reißen der deutschen Lieferketten verhindern will, muss jetzt handeln.
Die Ampel sollte ihren dritten Kompromiss nach dem Heizungsgesetz und dem EU-Migrationspakt schließen. SPD, Grüne und FDP ahnen längst, dass sie nur aus dem Umfragetief finden, wenn sie gemeinsam Lösungen finden und Fortschritt wagen. Die Krise ist zu groß, als auf Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Und Olaf Scholz weiß ja, wie man mit Wirtschaftspolitik Wahlen gewinnen oder verlieren kann. „It’s The economy, stupid“.