Kiel/Berlin. EU verspricht hohe Subventionen. Schwedisches Unternehmen bekennt sich zu Fabrik in Heide. Viereinhalb Milliarden Euro Investition.

Ob das jetzt ein „Meilenstein“ war oder sogar schon der „Durchbruch“, ist noch nicht ganz klar. Fest aber steht: Der Bau einer Batteriezellenfabrik im schleswig-holsteinischen Heide ist seit Freitag sehr viel wahrscheinlicher geworden. Der schwedische Konzern Northvolt hat sich klar zu dem Projekt bekannt, will den Bau weiter vorantreiben. Ministerpräsident Daniel Günther sprach von einem „bedeutenden Schritt“ für das größte Industrievorhaben in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten.

Neben 3000 direkten Arbeitsplätzen in der Fabrik, die das schwedische Unternehmen Northvolt in Dithmarschen plant, sollen weitere Tausende neuer Jobs in der Industrie und bei Dienstleistungsunternehmen an der Westküste des Landes entstehen.

Northvolt: EU macht Weg für massive Subventionen frei

Was war passiert? Neben den bereits zugesicherten Zuschüssen durch Bund und Land – allein Schleswig-Holstein hat 50 Millionen Euro versprochen – macht die EU jetzt den Weg frei für massive Subventionen für das Projekt. Das spezielle Verfahren auf Basis des „Temporary Crisis and Transition Framework“ (TCTF) wendet die EU erstmals in Deutschland an. Wie viel Geld genau fließen werde, darüber hüllen sich alle Beteiligten noch in Schweigen.

Die Wettbewerbskommission der EU muss der Millionen-Förderung jetzt noch zustimmen. Insider rechnen mit einer Entscheidung noch in diesem Jahr. „Es ist großartig, dass die EU die Ansiedlung von Northvolt unterstützt und somit binnen kürzester Zeit eine Antwort auf die massiven Subventionen in den USA gegeben hat“, sagte Günther.

Heide hat 140 Mitbewerber hinter sich gelassen

Northvolt hatte ursprünglich den Standort in Heide als geradezu perfekt ausgemacht, um hier rund viereinhalb Milliarden Euro in den Bau einer Fabrik zu investieren. Die Batterien sind für E-Autos gedacht, die in Kerneuropa hergestellt werden. Und so sollen auch hier die Batteriezellen produziert werden. Auf der Suche nach dem richtigen Standort hat Heide 140 Mitbewerber hinter sich gelassen, vor allem, weil es hier genügend grüne Energie gibt. Batteriezellen herzustellen ist extrem energieintensiv. Trotzdem will der schwedische Konzern dafür nur regenerativen Strom nutzen. Und Windenergie gibt es an der Westküste reichlich. Was zudem für Heide sprach: die Nähe zu Hamburg, seinem Arbeitsmarkt und seinem Hafen.

Monate nach der grundsätzlichen Einigung des Unternehmens, von Schleswig-Holstein und der Bundesregierung signalisierte Northvolt-Chef Peter Carlsson plötzlich, der Bau könne sich verzögern. Als Gründe nannte er die vergleichsweise hohen Strompreise in Deutschland und höhere Subventionen in den USA. Deshalb könnte sich das Unternehmen zunächst dort ansiedeln. Nach der Zusage auf deutlich mehr Subventionen durch die EU prüft Northvolt nun, zwei Bauprojekte in Angriff zu nehmen. Zur Auswahl stehen neben Heide Standorte in den USA und Kanada.

CDU-Politiker Daniel Günther lobte den grünen Bundesminister Habeck

Deutschland könne sich auf eines der wichtigsten Leuchtturmprojekte der Energie- und Verkehrswende freuen, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Mit dem neuen TCTF hat die EU-Kommission einen klaren Weg zur Sicherung wichtiger industrieller Investitionen in Europa in grüne Schlüsseltechnologien eröffnet.“

Die Bemühungen von Region, Land und Bund hätten sich gelohnt, sagte Ministerpräsident Daniel Günther. „Alle Beteiligten in Schleswig-Holstein haben sich für das Projekt eingesetzt, und gerade Robert Habeck hat es auf Bundesebene in hervorragender Weise unterstützt.“ Der CDU-Politiker lobte den grünen Bundesminister: Ohne Habecks „beherztes Handeln auch innerhalb der Bundesregierung wäre es nicht möglich gewesen“.

Einen Großteil des Areals hat Northvolt schon gekauft

Northvolt-Chef Peter Carlsson versicherte am Freitag, die Vorbereitungen für den Bau in Heide vorantreiben und die endgültige Baugenehmigung einholen zu wollen. Einen Großteil des Areals hat das schwedische Unternehmen schon gekauft. Lediglich ein Streifen fehlt noch – ohne dass das „Implikationen auf die Fabrikplanung“ hätte, hieß es. Man habe das Fabriklayout halt etwas verdichtet.

Möglichst noch in diesem Jahr soll der Bau beginnen. Ziel ist, dass die Fabrik 2026 die ersten Batteriezellen produziert. Ist die Produktion erst einmal hochgefahren, sollen jährlich rund eine Million Elektrofahrzeuge mit Batteriezellen aus deutscher Produktion versorgt werden.

Begeisterung in Schleswig-Holstein bei Ankündigung der grundsätzlichen Einigung

Die Ankündigung der grundsätzlichen Einigung löste in Schleswig-Holstein regelrechte Begeisterung aus. Die IHK schwärmte, die „geplante Giga-Fabrik mit ihren 3.000 Arbeitsplätzen würde einen Innovations- und Entwicklungsschub auslösen“. CDU-Fraktionschef Tobias Koch sprach von einem „historischen Erfolg für den ganzen Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein“, der zeige, „dass unsere Vision vom klimaneutralen Industrieland zunehmend real wird“.

Für die Grünen beginnt mit der Entscheidung gleich „ein neues Kapitel schleswig-holsteinischer Wirtschaftsgeschichte“. „Die Ansiedelung von Northvolt ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zum klimaneutralen Industrieland“, so Fraktionschef Lasse Petersdotter. Grünen-Bundeschef Omid Nouripour sprach von einer Bestätigung für den Standort Deutschland. „Die Batterien des Unternehmens für Elektroautos und Energiespeicher sind eine Schlüsseltechnologie für den klimagerechten Umbau unserer Wirtschaft.“

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Northvolt: Gewerkschaften fordern schnelle Organisation der Infrastruktur

Als SPD-Politiker sah Oppositionsführer Thomas Losse-Müller vor allem einen in der Verantwortung: „Olaf Scholz und seine Bundesregierung haben geliefert. Gemeinsam haben sie dafür gesorgt, dass es eine europäische Antwort auf die US-Subventionen gibt, und die Pläne für den Industriestrompreis vorangetrieben.“

FDP-Chef Oliver Kumbartzky sieht den Bundeswirtschaftsminister jetzt in der Pflicht, noch nachzulegen. „Robert Habeck muss sein neu entdecktes Interesse für Schleswig-Holstein beibehalten und sich jetzt auch deutlich für den A-20-Weiterbau und den A-23-Ausbau aussprechen. Denn beides brauchen wir auch für Northvolt.“

Für die Gewerkschaften begrüßen die DGB-Nord-Chefin Laura Pooth und IG-Metall-Chef Daniel Friedrich die Entwicklung. Jetzt müsse die Landesregierung „schnell die Infrastruktur für das Unternehmen und die künftigen Northvolt-Beschäftigten organisieren. Es gilt, Wohnungen, Straßen, Schulen und Kitas zu bauen. Außerdem braucht die Region dringend neue Bus- und Bahnlinien.“