Hamburg. Roland Harings, Chef des Kupferkonzerns, stellt Batterie-recycling in Hamburg infrage und kritisiert Bundesregierung scharf.
In der Zukunftsstrategie des Hamburger Kupfer- und Metallherstellers Aurubis spielt der Einstieg in das Recycling ausgedienter Batterien von Elektroautos eine zentrale Rolle. Aurubis werde im Batterierecycling „eine führende Rolle spielen“, kündigte Konzernchef Roland Harings vor knapp eineinhalb Jahren an.
Seitdem gilt das Stammwerk auf der Veddel inHamburg als klarer Standortfavorit für die Errichtung eines Batterierecyclingwerks mit geschätzten Investitionskosten in Höhe von 200 Millionen Euro. Ausgediente Lithium-Ionen-Akkus sind eine hervorragende Rohstoffquelle für die Produktion neuer Batterien. Doch dass das neue Werk tatsächlich in der Hansestadt errichtet wird, ist wegen der hohen Energiepreise in Deutschland und der Energiepolitik der Bundesregierung seit Dienstag keineswegs mehr sicher.
Hohe Energiepreise: Aurubis-Chef stellt neues Werk in Hamburg infrage
Harings selbst hatte die Hansestadt immer wieder als Standort ins Gespräch gebracht. Hamburg sei „ein starker Standort und liegt gut im Rennen“, betonte er bei der Bilanzpressekonferenz im Dezember 2021. Wenige Monate später nahm auf dem Werksgelände auf der Peute eine Pilotanlage für Batterierecycling den Betrieb auf. Im ersten Quartal 2024 soll dort ein Demonstrationswerk die Arbeit aufnehmen, in dem eine 50-fach größere Menge an wertvollen Batteriemetallen zurückgewonnen werden kann. Auch deshalb und noch vor der endgültigen Standortentscheidung galt die Hansestadt als quasi gesetzt als Standort für das geplante Werk.
Am Dienstag allerdings vollzog Harings bei einem Kapitalmarkttag des Konzerns in London vor Aktienanalysten und Anlageexperten eine Kehrtwende. Zwar sagte er auch dort: „... Hamburg ist die erste Wahl für ein erstes Werk für Batterierecycling.“ Begonnen hatte er diesen Satz allerdings mit den Worten: „Am Anfang haben wir gesagt, ...“
Aurubis-Chef Roland Harings übt harsche Kritik an Bundesregierung
Es folgte ein Satz des Konzernchefs, der als harsche Kritik an der Ampelkoalition in Berlin verstanden werden muss und zugleich die Begründung liefert, warum Harings Hamburg als Standort des neuen Werks nun infrage stellt: „Mit Blick auf die aktuelle Politik- und Energiesituation müssen wir dahinter ein Fragezeichen setzen“, sagte er.
Aurubis schaue sich mittlerweile in ganz Europa um, so Harings. Der Konzern betreibt Werke auch in Belgien, Bulgarien und Spanien. Der Vorstandschef ließ die Tür für Hamburg allerdings geöffnet. „Wir reden mit der Politik, und sie hört zu und will diese Technologie auch in Deutschland“, sagte er.
Noch gebe es aber nicht ausreichend Beweggründe für die Wahl eines Standorts hierzulande, weshalb Aurubis sich nun nach Alternativen umsehe. „Wir sind auch offen für einen ganz neuen Standort, an dem Aurubis bislang nicht präsent ist“, sagte Harings dem Abendblatt am Mittwoch.
Aurubis-Chef: Energiepreis ist entscheidendes Standortkriterium
In Deutschland bereiten dem Chef des Konzerns, dessen Hamburger Werk einer der größten Stromverbraucher in der Stadt ist, vor allem die hohen Energiekosten, aber auch eine aus seiner Sicht nicht verlässliche Versorgungssicherheit große Sorge. „Die von uns entwickelte Technologie basiert auf Ozon. Für dessen Herstellung gibt es einen hohen Bedarf an Elektrizität. Was wir brauchen, ist die Gewissheit, dass wir an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr grünen Strom zu weltweit wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können. Und das ist in Deutschland derzeit nicht sichergestellt“, so Harings am Mittwoch. Er ergänzte: „„Solange wir in Deutschland keine Konzepte haben, die das sicherstellen, hat Aurubis natürlich die Verpflichtung vor der Standortentscheidung für eine solche Großinvestition alle Optionen zu prüfen.“
Warum aber galt Hamburg bis zuletzt als gesetzter Standort, obwohl die Energiekosten schon seit geraumer Zeit hoch sind? „Energie insgesamt ist für Aurubis bedeutend und ein entscheidender Kostentreiber. Spätestens seit der Energiekrise in Deutschland erhalt dieser Kostentreiber bei Standortentscheidungen eine höhere Aufmerksamkeit.“, sagte Harings dem Abendblatt. Dass unter den Beschäftigten in Hamburg wegen der Pilotanlage und dem künftigen Demonstrationswerk bereits viel Batterierecycling-Expertise vorhanden ist, spiele dagegen keine gewichtige Rolle, so Harings
Beim Thema Energie redet der Aurubis-Chef Klartext
Als Vorstandschef eines börsennotierten Unternehmens ist er mit politischen Aussagen und Bewertungen für gewöhnlich eher vorsichtig. Bei den Themen Energiepolitik und Energiepreise aber redet der Aurubis-Chef Klartext.
Das tat er auch am Mittwoch. „Die Energiepolitik der Bundesregierung ist ein Scherbenhaufen. Es existiert kein überzeugendes Konzept für die sichere und wettbewerbsfähige Versorgung der energieintensiven Industrie“, kritisierte Harings. Dies könne zu einer Deindustrialisierung Deutschlands führen, warnte er – oder eben dazu, dass sich Unternehmen bei der Entscheidung über Großinvestitionen gegen einen Standort hierzulande entscheiden.
Im Herbst vergangenen Jahres hatte Harings in einem Abendblatt-Interview die damals noch nicht vollzogene Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Deutschland als „Irrwitz“ bezeichnet, solange der Grundlastbedarf der Industrie nicht aus erneubaren Energiequellen sicher gedeckt werden könne. Zudem forderte der Vorstandschef einen niedrigen Industriestrompreis auch in Deutschland.
Hohe Energiepreise: Recyclingwerk soll spätestens 2027 in Betrieb gehen
Tatsächlich plant das Bundeswirtschaftsministerium die Deckelung der Kosten für energieintensive Industrieunternehmen. Minister Robert Habeck (Grüne) nannte unlängst das Frühjahr 2024 als möglichen und wünschenswerten Zeitpunkt.
Ebenfalls „im ersten Quartal 2024“, so Harings, stehe bei Aurubis die Standortentscheidung für das neue Werk an. Ob bis dahin die von ihm geforderte „überzeugende Energiepolitik“ der Bundesregierung vorliegt und Hamburg ein aussichtsreicher Kandidat bleibt, mochte der Konzernchef nicht prognostizieren, betonte aber: „Ich bleibe da Optimist. Es müssen allerdings ideologische Hürden überwunden und zum Beispiel die Einlagerung von Kohlenstoff ermöglicht werden.“
Auf die lange Bank, auch das machte Harings deutlich, will Aurubis den Einstieg in das aussichtsreiche Batterierecycling nicht schieben. „Wir haben eine verlässliche und wettbewerbsfähige Technologie entwickelt.“ Laut Prognosen werden etwa von 2028 an weltweit große Mengen ausgedienter E-Auto-Batterien anfallen. Nach den von Aurubis in London den Kapitalanlegern präsentierten Plänen soll deren Verarbeitung schon in wenigen Jahren eine neue Gewinnquelle des Konzerns sein. Das erste kommerzielle Batterierecyclingwerk soll spätestens 2027, besser schon 2026, den Betrieb aufnehmen. Wo auch immer.