Hamburg. Das Start-up MyTaag begeisterte in der bekannten TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Seitdem geht ihr Weg stetig nach oben.

Es ist einer der wenigen sommerlichen Tage im August. Das Abendblatt trifft Davis Zöllner in einem Bergedorfer Café. Der 20-Jährige wird in Hamburgs Gründerszene als Wunderkind gefeiert, Selfies mit Firmenkunden bestimmen sein LinkedIn-Profil. Erst 17 Jahre war er alt, als er mit seinem Geschäftspartner Berkay Cankiran das Unternehmen MyTaag gründete. Als sie in der beliebten TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ im Herbst 2021 antraten, investierte der bekannte Unternehmer, Carsten Maschmeyer, 50.000 Euro in das Start-up. Seitdem geht es steil bergauf: Erst kürzlich haben neue Investoren eine halbe Million Euro in das Unternehmen gesteckt – ein wichtiger Schritt für das junge Unternehmen.

MyTaag stellt digitale Visitenkarten her, von denen es zwei Varianten gibt. Als Plastikkarte mit einem QR-Code und als Sticker, den man am Smartphone festkleben kann. Für Privatpersonen kostet die Karte knapp 10 Euro, der Sticker rund 15 Euro. Auf Englisch würde man den Sticker „Tag“ nennen, das ist der Grund für den Firmennamen. Karte und Sticker übertragen die Kontaktdetails mithilfe der NFC-Technologie (Near Field Communication), mit der man auch in Geschäften kontaktlos bezahlen kann. Mit MyTaag müssen Unternehmen und Selbstständige also höchstens eine einzige Visitenkarte drucken lassen.

Bei den Neuinvestoren handelt es sich laut Zöllner unter anderem um die auf Zypern ansässige Schoeller Holdings, die hauptsächlich in der Schifffahrt unterwegs ist. Er selbst spricht von einem „Meilenstein“, den er aber nicht alleine feiern möchte.

Höhle der Löwen: MyTaag entwickelt digitale Visitenkarten – in Hamburg

Normalerweise würde er stets mit Berkay Cankiran, seinem Kompagnon, auftreten, betont Zöllner im Gespräch mit dem Abendblatt mehrfach. Aktuell sei der 21-jährige Cankiran jedoch für die Firma in Süddeutschland unterwegs, deshalb erzählt er diesmal alleine, was MyTaag – abgesehen von dem eingesparten Papier – für Vorteile bietet. Beispielsweise könne die Marketingabteilung eines Unternehmens auf der digitalen Visitenkarte ein besonderes Hintergrundbild erscheinen lassen, zum Beispiel mit Firmenlogo. So könnten die Mitarbeiter nach außen hin einheitlich auftreten. Zudem würde MyTaag die Arbeit der Personalabteilungen erleichtern, so Zöllner. Wenn ein Mitarbeiter befördert werde, könnten die Personaler den neuen Titel schnell und zuverlässig auf der digitalen Visitenkarte anpassen.

Die größten Vorteile habe aber der Vertrieb eines Unternehmens, sagt der Gründer. Denn die Visitenkarte könne so programmiert werden, dass man die Kontaktdetails beidseitig überträgt. Sprich: Nicht nur der Gegenüber bekommt alle Informationen, sondern man selbst sammelt ebenfalls Kontaktdaten. Als würde man Visitenkarten austauschen.

Die Karten von MyTaag unterscheiden sich zu Konkurrenzprodukten dahingehend, dass Führungskräfte genau verfolgen und auswerten können, wie viele und welche Kontakte Vertriebsmitarbeiter knüpfen. Der Erfolg von Veranstaltungen könne so bewertet werden, aber auch die tägliche Arbeit. MyTaag würde diese Funktion nicht automatisch aktivieren, sagt Zöllner. Das hänge manchmal auch davon ab, ob Betriebsräte Einwände haben, sagt der junge Mann, der während der Gründungsphase in Schwarzenbek bei Hamburg sein Abitur gemacht hat.

Investor steckt eine halbe Million Euro in MyTaag

Auch andere Gründer haben digitale Visitenkarten entwickelt, doch der Erfolg scheint Zöllner zu bestätigen. Im April 2022 hat die BMW Niederlassung München die digitalen Visitenkarten von MyTaag eingeführt. Seit Juni dieses Jahres ziehen deutschlandweit alle Niederlassungen nach. Ein Geschäftsabschluss, zu dem Investor und Mentor Maschmeyer persönlich und medienwirksam gratulierte. Der Kontakt zu Maschmeyer sei noch enger geworden, sagt Zöllner. „Er ruft ein paarmal in der Woche an, um die nächsten Meilensteine zu besprechen.“

Zöllner und Cankiran beschäftigen mittlerweile vier Festangestellte und fünf Freiberufler. Die Angestellten programmieren die Software, sind im Vertrieb tätig – und sie sind alle kaum älter als 20 sowie männlich. Ein Zufall? „Wenn du jung bist und weißt, dass du in vier Wochen vor einem Millionenpublikum im Fernsehen zu sehen sein wirst, dann guckst du in dein persönliches Umfeld. Wir hatten keine Zeit, lange nach Bewerbern zu suchen, sondern haben in unserem Bekanntenkreis gefragt“, sagt Zöllner.

Die Höhle der Löwen: Nur Männer arbeiten bei MyTaag – aber warum?

Dass es sich dabei nur um Männer handelte, habe daran gelegen, dass sie diese schneller von der Idee überzeugen konnten. Die „Jungs“, wie Zöllner sagt, hätten schneller Feuer gefangen und seien genauso ehrgeizig wie er. Je nach Auftragslage soll das Team im nächsten Jahr auf 15 bis 25 Personen wachsen. Noch in diesem Jahr will das Start-up die Millionen-Euro-Marke knacken, beantwortet Zöllner die Frage nach dem Umsatz. 2022 hätten die Erlöse im mittleren sechsstelligen Bereich gelegen. Auch einen Gewinn würde die Firma bereits erwirtschaften – eher ungewöhnlich in den ersten Geschäftsjahren.

Die Geschichte des jungen Geschäftsmanns ist insgesamt kontrastreich. Zöllner spricht von einem unverändert bodenständigen Lebensstil, er wohne nach wie vor bei seinen Eltern. Auf LinkedIn berichtet er zugleich von Wochenendtrips nach London und posiert auf dem Dach der Elbphilharmonie. Im dortigen Westin Hotel bewohnte er gemeinsam mit Cankiran während der Gründungsphase ein Zimmer. Dort würden sich „quasi nur noch Geschäftsleute tummeln“, schreibt Zöllner im Internet. Im Café in Bergedorf blitzt außerdem eine Armbanduhr des Hamburger Juweliers Wempe unter seinem Hemdärmel hervor.

Ein anderes Klischee eines erfolgreichen Geschäftsmanns will er aber nicht erfüllen. Als es um den Großkunden BMW Niederlassungen geht, schwärmt er zwar von den Autos, fährt aber selbst keins – er hat keinen Führerschein. Zöllner sagt, dass er ohnehin nie ein Auto brauchen werde. An Urlaube oder Kinder denkt der 20-Jährige ebenfalls noch nicht. Und Bücher lesen? „Alles was ich lese, sind meine To-do-Listen“, sagt der Jungunternehmer, der sich voll auf MyTaag konzentriert.