Hamburg. Kunde kann seit zehn Wochen nicht auf das Konto seines Vaters zugreifen. Beschwerden über das Geldinstitut haben sich verdoppelt.

Immer wieder neuer Ärger bei der Postbank. Seit Wochen kämpft Leser Thomas A. darum, an die Giro- und Sparkonten seines Vaters bei der Postbank zu kommen. „Ich muss an das Geld, um Rechnungen vom Pflegeheim bezahlen zu können“, sagt A. Dafür besitzt er eine notariell beglaubigte Generalvollmacht. Das ist die umfassendste Berechtigung, wenn jemand anders als man selbst sich zum Beispiel um Finanzgeschäfte kümmern soll.

In seiner Norderstedter Postbankfiliale wurde Thomas A. von einer neuen Forderung überrascht: Die Vorlage der Vollmacht reiche nicht mehr aus. Sie müsse in der Zentrale eingescannt werden und dort auch dauerhaft hinterlegt werden. „Zum Glück habe ich zwei Exemplare, so dass ich eines davon abgeben konnte“, sagt A.

Postbank: Zehn Wochen sind seit Abgabe der Vollmacht vergangen

Doch ein schneller Zugriff auf die Konten des Vaters war damit nicht verbunden. Es vergingen Wochen, bis die Urkunde eingescannt war. „Zugreifen auf die Konten konnte ich deshalb aber immer noch nicht, weil mein Fall noch nicht bearbeitet wurde“, sagt A. Er hat inzwischen mit seiner Rechtsschutzversicherung gesprochen, der Postbank eine Frist gesetzt und droht mit Schadenersatz, wenn wichtige Zahlungen nicht geleistet werden können.

Ein Sprecher der Postbank sagt dazu: „Wir bemühen uns, eingereichte Vollmachten zügig zu bearbeiten, nach Posteingang in der Bearbeitung möglichst innerhalb weniger Tage.“ Das hat A. aber ganz anders in Erinnerung: Seit er die Generalvollmacht in der Norderstedter Filiale abgegeben hat, sind mittlerweile knapp zehn Wochen vergangen.

Postbank: Beschwerden bei der Verbraucherzentrale haben sich verdoppelt

„Alle Vorgänge dauern bei der Postbank nach der IT-Umstellung auf die Plattform der Deutschen Bank deutlich länger, wie die vielen Beschwerden der Verbraucher zeigen“, sagt Kerstin Föller, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. „Die Zahl der Beschwerden über die Postbank hat sich bei uns in den letzten Monaten verdoppelt.“ Die Deutsche Bank hatte die Postbank bereits zwischen 2008 und 2015 vollständig übernommen.

Eine Generalvollmacht regelt nicht nur Bankgeschäfte und Vermögensangelegenheiten. Sie ermöglicht die Vertretung in allen denkbaren Angelegenheiten wie gegenüber Gerichten und Behörden oder auch den Abschluss eines Heimvertrags. Es gibt nur wenige Dinge, die mit einer Generalvollmacht nicht möglich sind wie das Wahlrecht auszuüben oder ein Testament aufzusetzen.

Postbank bestätigt Einbehaltung der Generalvollmacht

Im Gegensatz zur Kontovollmacht, die stets nur für ein bestimmtes Konto gilt, erstreckt sich die Generalvollmacht üblicherweise auf sämtliche Konten, egal bei welcher Bank sie unterhalten werden. Die Berechtigungen des Bevollmächtigten reichen dabei weit über das Recht zur unmittelbaren Kontoführung hinaus. Der Generalbevollmächtigte darf beispielsweise im Namen des Vollmachtgebers auch Kredite aufnehmen, Grundstücksgeschäfte tätigen oder Konten eröffnen oder löschen.

Auf Nachfrage bestätigt die Postbank die neue Praxis. „Die Vollmacht wird bei der Postbank archiviert und kann bei Widerruf im Original zum Beispiel an den Notar zurückgegeben werden“, sagt der Postbank-Sprecher. „Wir sind als Bank zunehmend gefordert, Vollmachten jeglicher Form für eine dauerhafte Nutzung im Original vorzuhalten.“

Zu viele Abschriften von einer Vollmacht sind riskant

Lehne der Bevollmächtigte die Hinterlegung ab, muss er laut Postbank bei jeder Transaktion die gültige Vollmacht vorlegen. Doch das hat Thomas A. ganz anders in Erinnerung. Das reiche eben nicht mehr aus.

Das Original einer Generalvollmacht verbleibt beim Notar. Davon erstellt dieser beglaubigte Abschriften. In der Regel bekommt der Vollmachtgeber und der Bevollmächtigte jeweils eine beglaubigte Abschrift. Zwar können mehr Abschriften erstellt werden. Aber unabhängig davon, dass das mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, ist es auch riskant. Je mehr Abschriften in Umlauf sind, desto unübersichtlicher wird es für den Vollmachtgeber, wenn er seine Entscheidungen bezüglich des Bevollmächtigten ändern will und alle Abschriften wieder eingesammelt werden müssen.

Experten halten neue Praxis der Postbank für nicht gerechtfertigt

„Die Urkunde müsste von der Postbank an den Bevollmächtigten zurückgegeben werden“, sagt der Hamburger Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Achim Tiffe. Bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) wird die Generalvollmacht nicht einbehalten, wie eine Sprecherin auf Nachfrage sagt. Anwalt Tiffe: „Einen Anspruch, das Dokument dauerhaft zu besitzen, sehe ich nicht.“

Das sieht auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW) so. „Die Regelung ist schwer nachzuvollziehen und unpraktikabel, wenn Konten bei mehreren Banken unterhalten werden“, sagt David Riechmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Verbraucherzentrale NRW. Auch Schadenersatzansprüche des Kunden könnten gerechtfertigt sein. Das gelte erst recht, wenn es vorher eine andere Regelung gab.

Verbraucherschützer: Postbankfilialen verlieren immer mehr Kompetenzen

Verbraucherschützer Riechmann sieht die Tendenz, dass immer mehr Kompetenzen aus den Filialen der Postbank ausgelagert werden. Das zeige sich nicht nur beim Umgang mit Vollmachten, sondern auch bei der Auflösung von Sparbüchern, was ebenfalls nicht mehr in der Filiale möglich ist. „Inzwischen hat auch die Finanzaufsicht BaFin die Postbank auf dem Schirm“, so Riechmann.

Im Rahmen von insgesamt vier IT-Umstellungen wurden rund 19 Millionen Produktverträge von rund 12 Millionen Postbank-Kundinnen und -Kunden auf die IT-Plattform der Deutschen Bank übertragen. Dazu wurde vier Mal der komplette Bankbetrieb jeweils zum Quartalsende stark eingeschränkt, was die Kunden in den sozialen Medien besonders verärgert hat und zu zahlreichen Pannen auf den Konten der Postbankkunden führte. Mit der neuen Technik will die Deutsche Bank von 2025 an pro Jahr 300 Millionen Euro einsparen.

Postbank: Schon 600 Beschwerden über das Institut bei Verbraucherschützern

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat sich an die Finanzaufsicht BaFin gewandt. „Ein Vorfall wie bei der IT-Migration der Postbank darf sich bei keiner Bank wiederholen“, sagt Ramona Popp, Vorständin des vzbv.

Nach Angaben der Verbraucherschützer häuften sich im ersten Halbjahr 2023 die Beschwerden unter Postbank-Kunden, die angeben, nicht mehr auf ihre Konten zugreifen zu können oder Lastschriften nicht mehr eingelöst werden. Im ersten Halbjahr sind bei den Verbraucherschützern fast 600 Beschwerden von Kunden zur Postbank eingegangen. Das sind annähernd so viele wie im gesamten Vorjahr.