Hamburg. Nach Einschätzung von Dennis Hummelmeier, Manager des Hamburger Geldhauses, ist der große Aufschwung an der Börse vorerst gelaufen.

Um 2200 Punkte hat der Deutsche Aktienindex (DAX) seit Anfang Januar zugelegt. Das entspricht einem Plus von fast 16 Prozent – ungefähr doppelt so viel, wie das Börsenbarometer im langfristigen Schnitt in einem ganzen Jahr hinzugewinnen konnte.

Das ist umso erstaunlicher, als ein Ende des Ukraine-Krieges nicht absehbar ist, Deutschland in einer Rezession steckt und sich die Wirtschaftsperspektiven für andere Teile der Welt zuletzt eher eingetrübt haben.

Selbst Fachleute zeigen sich erstaunt über den kräftigen Aufschwung am Aktienmarkt. „Die Kursentwicklung spiegelt die Stimmungslage der Menschen da draußen nicht wider“, sagt Dennis Hummelmeier, der beim Hamburger Bankhaus Berenberg das Geschäft mit den vermögenden Kunden in der Region Nord leitet.

Berenberg: Zinsen werden gegenüber Aktien attraktiver

Bei genauerem Hinsehen zeige sich allerdings: „Der kräftige Kursanstieg wurde nicht zuletzt von den führenden US-Technologietiteln und dem ‚Hype‘ um die Künstliche Intelligenz getrieben“, sagt Hummelmeier. Dies habe manche andere Börsenwerte mit nach oben gezogen.

Nach Auffassung des Hamburger Wertpapierexperten gibt es aber Anzeichen dafür, dass das Kurssteigerungspotenzial an der Börse vorerst ausgeschöpft ist: „Aktien sind derzeit im historischen Vergleich nicht günstig, US-amerikanische können inzwischen sogar als eher teuer gelten.“

Vor diesem Hintergrund setze bei zahlreichen Anlegern derzeit ein Umdenken ein: „Nachdem die Anlageportfolien vieler großer Investoren, darunter auch Stiftungen, über die vergangenen Jahre immer aktien- und damit risikoorientierter geworden sind, fragt man sich jetzt, wie hoch der Aktienanteil denn wirklich sein sollte.“ Einige Anleger hätten ihren Aktienanteil schon reduziert, so Hummelmeier – „und wir halten es auch für vernünftig, jetzt mehr zu diversifizieren“.

Auch andere Experten sind nun für Aktien vorsichtiger gestimmt

Tatsächlich erwarten die Berenberg-Analysten, dass der DAX zum Jahresende bei etwa 16.200 Punkten steht, im zweiten Halbjahr also praktisch nicht mehr nennenswert zulegt. Mit seiner Skepsis im Hinblick auf die weitere Entwicklung an der Börse steht das Hamburger Geldhaus durchaus nicht allein.

So geht man etwa bei der Schweizer Großbank UBS für europäische und vor allem für US-amerikanische Aktienmärkte sogar von sinkenden Indexständen bis zum Jahresende aus und verweist auf die voraussichtliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den nächsten Monaten: „Eine solche Situation ist gut für Anleihen, im Allgemeinen aber nicht für Aktien.“ Auch der zur Deutschen Bank gehörende Vermögensverwalter DWS ist nun „vorsichtiger gestimmt für Aktien“.

Wie Hummelmeier sagt, beruhte der Kursaufschwung auch auf einer Erwartung, die sich bisher nicht erfüllt hat: „Anleger gingen zunächst davon aus, dass die Inflation schon 2023 deutlich nachlässt und damit die Zinsen nach den rasanten Erhöhungen schon bald wieder etwas sinken“, was gut für den Aktienmarkt gewesen wäre. „Wie es jetzt aussieht, kommt es aber wohl doch erst 2024 dazu.“

Hohe Immobilienzinsen: „Wie viele Menschen können sich das noch leisten?“

Auf jeden Fall machten festverzinsliche Anlagen dem Aktienmarkt nun immer stärkere Konkurrenz: „Der Zins gewinnt jetzt klar wieder an Relevanz.“ Zwar könne man mit festverzinslichen Papieren noch nicht die Inflationsrate ausgleichen. „Aber wir kommen von einem Nullzins, und das über lange Zeit – da erscheinen auch zwei Prozent schon gut.“

Aus der Sicht von Hummelmeier kann es sinnvoll sein, nicht nur kurz laufende Anleihen zu kaufen, „denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zinsen im nächsten Jahr wieder sinken“.

Immobilien sind nach Einschätzung des Berenberg-Managers angesichts der hohen Preise und des zuletzt kräftig gestiegenen Zinssatzes kaum eine verlockende Alternative. Er illustriert das aus der Sicht eines privaten Kaufinteressenten: „Bei einem Hypothekenzins von rund vier Prozent und einer Tilgung von zwei Prozent liegt die jährliche Belastung durch einen Kredit von 500.000 Euro bei 30.000 Euro, das sind 2500 Euro im Monat – und da sind Nebenkosten noch gar nicht berücksichtigt. Wie viele Menschen können sich das noch leisten?“

Harter Verdrängungswettbewerb um vermögende Kunden in Hamburg

In der Beratung vermögender Kunden, einem der Kerngeschäfte von Berenberg, bauen Wettbewerber aus dem In- und Ausland in jüngster Zeit ihr Angebot in Hamburg stark aus. „Hamburg hat unter den Bundesländern die höchste Dichte an Einkommensmillionären und die höchste Konzentration an Stiftungen. Schon daher ist es ein sehr attraktiver Standort“, sagt Hummelmeier dazu.

Der Markt wachse bundesweit um sechs bis zehn Prozent pro Jahr: „Der Kuchen wird also größer.“ Dennoch beobachte man einen harten Verdrängungswettbewerb. „Manche Häuser, nicht zuletzt solche aus dem Ausland, werben sehr offensiv Berater von Konkurrenten ab – in der Hoffnung, auch deren bisherige Klienten mit übernehmen zu können“, so Hummelmeier. „Das ist nicht unser Weg. Wir setzen darauf, jüngere Kolleginnen und Kollegen an diesen speziellen Markt heranzuführen.“

Eine Million Euro an frei verfügbarem Kapital müssen Kundinnen und Kunden aber schon mitbringen, um von Berenberg betreut zu werden.