Hamburg. Anleger, die auf DAX-Werte setzen, haben viel Freude – bei Aktien Hamburger Firmen nicht unbedingt. Die Gewinner, die Verlierer.

Trotz des enormen Gegenwinds hat der Deutsche Aktienindex (DAX) vor wenigen Tagen ein neues Allzeithoch erklommen: Mit knapp 16.332 Punkten konnte die vorherige Bestmarke aus dem November 2021 klar verbessert werden.

Wie es am Markt heißt, haben viele professionelle Investoren jedoch den Aufschwung verpasst, denn vordergründig spricht eher wenig für steigende Kurse: Die Phase der Leitzinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist noch nicht vorüber, und die Konjunkturaussichten sind allenfalls mäßig. „Die Unternehmen haben die schwierigen Rahmenbedingungen aber besser gemeistert als erwartet, wie sich in den jüngsten Quartalsberichten gezeigt hat“, sagt Marco Günther, Wertpapierexperte bei der Haspa.

DAX auf Allzeithoch: Langfristig sind Hamburger Titel sogar stärker

Blickt man auf die vergangenen fünf Jahre zurück, hat der DAX trotz der zwei drastischen Abschwünge in dieser Zeit – 2020 wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie und 2022 infolge des Ukraine-Krieges und des drastischen Zinsanstiegs – um immerhin gut 23 Prozent zugelegt. Die im HASPAX zusammengefassten Titel aus der Metropolregion Hamburg schnitten sogar noch deutlich besser ab: Sie kamen um 34 Prozent voran. Die eher mittelständisch geprägte Struktur der Index-Mitglieder hat sich in den zurückliegenden Krisenjahren offenbar gut bewährt.

Allerdings hat der HASPAX zuletzt erheblich an Schwung gegenüber dem Leitindex verloren. Seit Jahresbeginn ging es bei den Hamburger Werten um 7,8 Prozent nach oben, während der DAX ein Plus von 16,5 Prozent verzeichnen konnte.

Marco Günther erwartet nicht, dass es in den nächsten Monaten noch sehr viel weiter aufwärtsgeht. „Das Pulver der Quartalsberichte ist erst einmal verschossen“, sagt er. „In der jetzt erreichten Flughöhe wird die Luft für die Kurse sehr dünn.“ Nach Einschätzung des Haspa-Wertpapierteams ist der DAX bei 16.000 Punkten „fair bewertet“, und dies sei auch das Kursziel zum Jahresende: „Dahinter stehen wir immer noch felsenfest.“

Zwar setzen manche Marktteilnehmer schon darauf, dass die US-Notenbank Fed im vierten Quartal die Leitzinsen sogar schon wieder senkt. „Diese Hoffnung teilen wir aber nicht“, so Günther. Sollte sich erweisen, dass die US-Zinsen tatsächlich nicht sinken, könne es bei den Investoren zu Enttäuschungen kommen.

Und so haben einzelne Hamburger Titel seit Anfang Januar abgeschnitten:

Fielmann

Unter den Titeln mit besonders guter Kursentwicklung in diesem Jahr stehen Aktien der Optikerkette Fielmann mit einem Plus von mehr als 31 Prozent an der Spitze, nachdem sie im vorigen Jahr wegen der gedrückten Konsumstimmung – nicht zuletzt angesichts der hohen Inflationsraten – sehr stark gelitten haben. Neue Prognosen im Bericht über das erste Quartal 2023 sorgten jedoch für einen regelrechten Kurssprung: Der Umsatz soll um bis zu zehn Prozent steigen, und die Profitabilität soll sich auch dank des laufenden Sparprogramms verbessern. Fielmann habe die Talsohle durchschritten, urteilte Analyst Thomas Maul von der DZ Bank. Allerdings habe man im ersten Quartal auch von Nachholeffekten profitiert.

Evotec

Auch beim Pharma-Wirkstoffforscher Evotec ist seit Januar eine kräftige Gegenreaktion nach den empfindlichen Kursverlusten des vergangenen Jahres zu beobachten. Dabei hatte das Unternehmen aufgrund der durch einen Cyberangriff verzögerten Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2022 sogar den MDax verlassen müssen. Doch die neue Partnerschaft von Evotec mit der Novartis-Tochter Sandoz zur Entwicklung und anschließenden Herstellung mehrerer Nachahmermedikamente ist aus Sicht des Analysehauses Jefferies ein sehr positives Signal. Evotec zeige eine „beeindruckende Wachstumsdynamik“ bei einer gleichzeitig vergleichsweise günstigen Bewertung.

Zeal Network

Das Hamburger Unternehmen ist bisher unter den Marken Lotto24 und Tipp24 als Vermittler für die staatlichen Landeslotteriegesellschaften aktiv und konnte im ersten Quartal den Umsatz um sechs Prozent erhöhen. Zeal setzt für die Zukunft aber zusätzlich auf Online-Automatenspiele, für die in Deutschland Mitte 2022 die erste Lizenz vergeben wurde. Vor einigen Tagen empfahl das Analysehaus Jefferies die Zeal-Aktie mit einem Kursziel von 42 Euro zum Kauf.

Alstria Office

Auf der Verliererseite des HASPAX ragt die Aktie des Büroimmobilien-Investors Alstria Office mit einem Minus von fast 31 Prozent heraus. Hier kam es nach dem bereits drastischen Kursverfall des vorigen Jahres nicht zu einer Gegenbewegung – der Abwärtstrend hält an. Zwar lagen der Umsatz und die Neuvermietungen im ersten Quartal auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums, nach dem Urteil von Andreas Pläsier vom Hamburger Analysehaus Warburg Research hat das Jahr für das Immobilienunternehmen stark begonnen. Dem Kurs half das jedoch nicht.

Basler

Im bisherigen Jahresverlauf hat Basler mit Hauptsitz in Ahrensburg, nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Industriekameras, die unter anderem in der Fabrikautomation, der Medizintechnik und für die Verkehrsüberwachung eingesetzt werden, bereits mehr als ein Viertel des Börsenwerts verloren. Wie das Unternehmen mitteilte, hat der Auftragseingang im vorigen Jahr um 23 Prozent abgenommen. Der Vorstand reagierte darauf mit einem Sparprogramm und kürzte die Dividende. Zwar sei die Bewertung der Basler-Aktie nach den Kursrückgängen allmählich wieder etwas attraktiver, schrieb Analyst Lasse Stüben vom Hamburger Privatbankhaus Berenberg in einer Studie. Anleger sollten aber abwarten, bis sich die weitere Nachfrageentwicklung in der Region Asien/Pazifik etwas besser vorhersagen lasse.

DAX auf Allzeithoch: About You gehört zu den großen Verlierern aus Hamburg

Ähnlich wie bei Alstria Office hat sich auch beim Online-Modehändler About You der Kursrutsch des vergangenen Jahres nahezu ungebremst fortgesetzt. Anlässlich des Quartalsberichts hatte der Analyst Richard Edwards von der US-Investmentbank Goldman Sachs die Prognose für das Umsatzwachstum im Geschäftsjahr 2023/24 von neun auf sechs Prozent gesenkt – für 2022/23 hatte About You noch ein Umsatzplus von zehn Prozent ausgewiesen. Allerdings will das vom Versandhandelskonzern Otto gegründete Unternehmen im aktuellen Geschäftsjahr auf Basis des Betriebsergebnisses (bereinigtes Ebitda) die Gewinnschwelle erreichen.