Hamburg. Hamburger Unternehmen arbeitet mit mehr als 30 regionalen Rinderzüchtern zusammen. Besuch bei einem Rancherpaar – inklusive Video.

Hut mit breiter Krempe, karierte Bluse, Arbeitsstiefel, über der Hose traditionelle Western-Chinks aus cognacfarbenem Leder: Gerade stand Florence Hallier noch neben ihrer Ponystute Cappuccina. Jetzt sitzt sie im Sattel und reitet vor ihrem Mann Leonard Emmel langsam auf eine Rinderherde zu, die auf einer Weide am Rand des Müritz-Nationalparks grast. „Das sind Aberdeen-Angus“, hat die 35-Jährige vorher erklärt. Etwa 20 junge Muttertiere und noch mal so viele ziemlich verspielte Kälber sollen weiterziehen, um ein paar Hundert Meter weiter frisches Futter zu finden.

Mecklenburg statt Argentinien: Landwirtin Florence Hallier treibt eine Herde mit Angus-Rindern auf einer Weide in Roggentin.
Mecklenburg statt Argentinien: Landwirtin Florence Hallier treibt eine Herde mit Angus-Rindern auf einer Weide in Roggentin. © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

In ruhigen Bewegungen treibt das Landwirtspaar die Rinder über das Weideland auf eine Senke zu. Über Kleegras, Löwenzahn und Luzerne. Leise streicht der Wind über die saftigen Halme. Ab und zu ein Muhen. Ein kurzer Pfiff. Bilder, wie man sie aus den Prärien Nord- und Südamerikas kennt. Als eins der Kälber aus dem Pulk ausbüxen will, passt Leonard Emmel von hinten auf und bringt es zurück. Seine Stute Bunny ist ein American Quarter Horse. Auch er trägt Hut, Hemd, Westernstiefel und als Schutz traditionelle Chaps, also Schutz für die Waden, mit langen Fransen. Der wilde Westen im Osten Deutschlands.

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Ernährung: Hamburger Block Gruppe denkt um – mehr Steaks aus Deutschland

Das ist schon ziemlich besonders. Und daran ist auch ein Hamburger Unternehmen beteiligt. Die jungen Rinderzüchter ziehen ihre Tiere für die Block Gruppe auf – als Partner eines regionalen Aufzuchtprogramms. Die Idee: Statt das Fleisch für das Firmen-Imperium von Gründer Eugen Block vor allem aus Argentinien oder Uruguay zu importieren, sollen künftig immer mehr heimische Erzeugnisse auf den Teller. Seit dem Start vor neun Jahren gewinnt das Projekt zunehmend an Bedeutung. „Rinder stehen im Fokus bei der aktuellen Klimadiskussion“, sagt Block-Vorstandschef Stephan von Bülow. „Mit unserem Rinderaufzuchtprogramm zeigen wir, dass Fleischgenuss mit einem gutem Gefühl möglich ist.“

Ortstermin in der mecklenburgischen Pampa: Vor gut einem Jahr haben Florence Hallier und Leonard Emmel ihre besondere Rinderzucht gestartet. Davor haben sie mehr als vier Jahre lang nach einem passenden Betrieb gesucht. Als sich die Chance bot, einen Biohof mit 200 Hektar Grünland in Roggentin in der Nähe des Müritz-Städtchens Mirow zu pachten, haben sie ihre Sachen gepackt und sind mit zwei kleinen Kindern umgesiedelt. Angefangen haben sie mit vier Hereford-Rindern, zusätzlich zu den 15 Fleckvieh-Kreuzungen, die sie übernommen hatten. Inzwischen gehören mehr als 100 Tiere zu ihrer Herde. „Den Kauf von 30 Aberdeen-Angus hat die Block Gruppe im Rahmen des Aufzuchtprogramms unterstützt“, sagt Florence Hallier. Außerdem ist die Abnahme für ihr Fleisch garantiert, und sie bekommen Preise, die über dem Marktniveau liegen.

Ernährung, Landwirtschaft und Klimakrise: Was sich ändern muss

Für das Gründerpaar eine wichtige Starthilfe in die Selbstständigkeit. Dass sie anders arbeiten als andere Betriebe, hat mit ihren Vorstellungen von zukunftsfähiger Landwirtschaft zu tun. „Ich wollte schon immer Rinderzüchter werden“, sagt Leonard Emmel. Der 28-Jährige kommt von einem Bauernhof im Westerwald. Auch seine Ehefrau Florence Hallier ist auf einem Hof aufgewachsen, hat in einem Bio-Betrieb gelernt und Ökologische Agrarwissenschaft studiert. Bei Arbeitsaufenthalten in den USA und in Kanada hat sie Weidehaltung unter Extremwetterbedingungen kennengelernt. „Auch in Deutschland verändert sich das Klima. Die Landwirtschaft muss sich wandeln“, sagt sie.

Wilder Westen in Mecklenburg: Rinderzüchter Leonard Emmel reitet und arbeitet mit Tieren, wie man es von Ranchern aus den USA kennt.
Wilder Westen in Mecklenburg: Rinderzüchter Leonard Emmel reitet und arbeitet mit Tieren, wie man es von Ranchern aus den USA kennt. © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Weg von der intensiven Tierhaltung, hin zu naturnahen Haltungsformen und nachhaltigem Weidemanagement. „Die Bauern in der Region haben erst mal ganz schön geguckt. Da kommen die Cowboys, haben sie am Anfang gesagt“, erzählt Leonard Emmel aus der Anfangszeit ihres Betriebs. „Aber es geht nicht um Show“, betont der junge Betriebsleiter. Dadurch, dass er und seine Frau nach traditioneller Rancherart mit Pferden statt mit Treckern und Elektrozäunen arbeiten, können sie ihre Tiere schnell und stressfrei auf immer neue Weideflächen bringen.

Mob Grazing, so der Fachbegriff, entwickelt sich gerade auch in Deutschland zu einem ernst zu nehmenden Trend. „Die kurzzeitige Beweidung mit einer hohen Tierdichte und einer längeren Erholungsphase für das Gras als üblich trägt zu einer enormen Verbesserung der Böden und gesünderen Rindern bei“, sagen die Züchter.

34 Landwirte mit 7500 Rindern im Block-Rinderaufzuchtprogramm

Das Landwirtspaar in Mecklenburg gehört zu den neuesten Vertragspartnern der Block Gruppe. „Angefangen haben wir 2014 mit sechs Höfen und 600 Rindern“, sagt Karl-Heinz Krämer, Vorstandsvorsitzender von Block Foods und Initiator des firmeneigenen Rinderaufzuchtprogramms. „Der südamerikanische Markt entwickelt sich zunehmend schwieriger, und wir machen vor, wie gute Fleischqualität auch nachhaltig in Deutschland erzielt werden kann“, sagt Krämer, der bei Block für die gesamte Fleischbeschaffung zuständig ist. Dazu kommt, dass die Menschen genauer darüber Bescheid wissen wollen, was sie essen. Die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln wächst seit Jahren.

Karl-Heinz Krämer, Vorstandsvorsitzender Block Foods, hat das Rinderaufzuchtprogramm vor neun Jahren gestartet.
Karl-Heinz Krämer, Vorstandsvorsitzender Block Foods, hat das Rinderaufzuchtprogramm vor neun Jahren gestartet. © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Inzwischen arbeitet das Unternehmen mit 34 Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern und Nord-Brandenburg zusammen, die Rinder der Rassen Angus, Hereford und Uckermärker für die Hamburger aufziehen – 7500 Tiere insgesamt. Tendenz wachsend. Auch wenn die Betriebe teilweise sehr unterschiedlich arbeiten, gemeinsam haben alle: weitläufige Weiden, auf denen die Rinder artgerecht grasen können. Die Kälber wachsen bei den Mutterkühen auf. Über die kalten Wintermonate stehen die Rinder in offenen Stallanlagen. Knapp zwei Jahre werden die Tiere mit natürlichem Futtermittel aus regionalem Anbau gefüttert. Erst danach, und damit deutlich später als üblich, dürfen sie geschlachtet werden. Nicht Bio – Block nennt es „regenerative Landwirtschaft“.

In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen viel Geld in die eigene Rinderaufzucht investiert. Inzwischen arbeiten zwei Agrarwissenschaftlerinnen in dem Projekt, das in mehreren Forschungsprojekten wissenschaftlich begleitet wird. Dazu spielen weitere Kriterien eine Rolle. „Die Wertschöpfung bleibt in der Region, schafft und erhält Arbeitsplätze vor Ort. Zudem trägt die extensive Weidehaltung der Rinder zur Landschaftspflege, zum Klimaschutz und zur Steigerung der Artenvielfalt bei“, sagt Block-Foods-Vorstand Krämer. „Als Unternehmen mit dem Rind im Logo sind wir überzeugt, dass die natürliche Rinderhaltung eine Daseinsberechtigung auf diesem Erdball hat. Davon wollen wir auch andere überzeugen.“

Ein Schild weist den Betrieb von Florence Hallier und Leonard Emmel als Vertragspartner im Rinderaufzuchtprogramm der Block Gruppe aus.
Ein Schild weist den Betrieb von Florence Hallier und Leonard Emmel als Vertragspartner im Rinderaufzuchtprogramm der Block Gruppe aus. © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Natürlich ist das Programm auch eine Reaktion auf sinkenden Fleischkonsum und höhere Anforderungen an das Tierwohl bei der Produktion. „Wir müssen beim Rohstoff Rindfleisch zukunftsorientiert handeln, um den Bedarf des Unternehmens langfristig decken zu können“, sagt Block-Geschäftsführer Stephan von Bülow. Nach wie vor sind Argentinien und Uruguay die beiden wichtigsten Herkunftsländer für die Steaks in den 45 Block-House-Restaurants. 95 Prozent kommen von dort. Anders sieht es aus, wenn man auf die gesamte Fleischproduktion der Gruppe schaut. „Der größte Teil dessen, was wir an die Gastronomie und an den Lebensmittelhandel liefern, kommt aus Deutschland.“

Block House: Produkte aus Aufzuchtprogramm exklusiv bei Famila

Den Angaben zufolge stammen 70 Prozent des gesamten Fleischabsatzes der Block-House-Fleischerei aus Deutschland. Davon hat die eigene Rinderaufzucht inzwischen einen Anteil von 50 Prozent. In Hamburg und Umgebung ist es exklusiv bei der Supermarktkette Famila etwa in Steilshoop, Norderstedt oder Ahrensburg erhältlich. Aufmerksame Block-House-Gäste haben eventuell auch Sonderaktionen in den Restaurants beobachtet, bei denen spezielle Produkte mit dem Zusatz „aus eigener Aufzucht“ angeboten wurden – und zu höheren Preisen als auf der normalen Speisekarte. „Der Aufschlag liegt zwischen 1,50 und 2 Euro“, so der Block-Manager und erklärt das mit höheren Kosten für das heimische Fleisch.

In den nächsten Jahren will das Hamburger Unternehmen, das mit mehr als 2400 Beschäftigten auf einen Gesamtumsatz von einer halben Milliarde zusteuert, den Fleischanteil aus eigener Aufzucht weiter steigern. „Wir überlegen sogar, ob es Sinn macht, dass wir einen eigenen Bauernhof kaufen und nach unseren Vorstellungen selbst betreiben“, sagt Stephan von Bülow.

Hereford-Rinder auf der Weide des Hofs von Florence Hallier und Leonard Emmel
Hereford-Rinder auf der Weide des Hofs von Florence Hallier und Leonard Emmel © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Auch die Zusammenarbeit mit den mecklenburgischen Rinderzüchtern Florence Hallier und Leonard Emmel soll ausgebaut werden. Die beiden grüßen noch aus dem Sattel ihrer Pferde, dann geht es zurück Richtung Stall. Für die Zukunft haben sie viele Pläne. „Wir können uns vorstellen, die Herde auf 300 bis 400 Tiere auszubauen“, sagt Landwirtin Hallier. Das klingt viel für einen Betrieb, den sie allein managen. „In den USA“, sagt die junge Frau, „sind 1000 Tiere pro Mitarbeiter normal.“ Der wilde Westen im Osten eben.