Hamburg. Bauer Jaacks hat Rissener Hof verlassen. Wie der Termin mit dem Gerichtsvollzieher lief, was der Eigentümer sagt und wie es weitergeht.

Als der Gerichtsvollzieher am Montagmorgen auf den Moorhof in Rissen fährt, regnet es. Tiefer Donner hallt über den Klövensteen. Um 8.30 Uhr ist der Termin für die Zwangsräumung auf dem Milchviehbetrieb von Pächter Hauke Jaacks angesetzt. Der Bauer und seine Frau warten in einem der Stalltore. Auch Eigentümer Lars Breuer ist mit seinem Anwalt bereits da.

Noch sind es ein paar Minuten bis zum offiziellen Start der Vollstreckungsmaßnahme. Ein Schlüsseldienst rollt auf den Hofplatz – für den Fall, dass bei Widerstand Schlösser geöffnet oder ausgetauscht werden müssen. Auch vier Polizisten sind vor Ort. Übliche Sicherheitsvorkehrungen, heißt es auf Nachfrage.

Moorhof Rissen: Nicht die erste überraschende Wende

Aber in diesem Fall nicht nötig. Die Ställe sind leer. Alle Tiere abtransportiert. Nur einige Katzen streifen über das Gelände. Auch Trecker und sonstige Gerätschaften sind verschwunden. Das Wohnhaus ist geräumt. Der Landwirt und seine Familie haben den Moorhof am Wochenende wenige Stunden vor der Zwangsräumung verlassen. Es ist nicht die erste überraschende Wende in dem langen Streit zwischen Pächter und Eigentümer, aber wohl die letzte.

Die Ställe auf dem Moorhof sind leer – Bauer Jaacks hat alle Tiere abtransportieren lassen.
Die Ställe auf dem Moorhof sind leer – Bauer Jaacks hat alle Tiere abtransportieren lassen. © Roland Magunia

Der Hintergrund: Die frühere Eigentümerin hatte den Moorhof mit etwa 16 Hektar Land 2019 an das Rissener Unternehmerpaar Lars und Melanie Breuer verkauft, das dort einen Pferdebetrieb aufbauen will. Die Pächterfamilie Jaacks, die den Betrieb seit fast 20 Jahren bewirtschaftet, hatte sich mit allen juristischen Mitteln gegen den Verkauf gewehrt und ums Bleiben gekämpft. Ohne Erfolg. Auch Versuche, eine außergerichtliche Einigung über den Auszug der Bauernfamilie zu finden, waren gescheitert. Ende 2021 war der Pachtvertrag endgültig ausgelaufen.

Zwangsräumung: Bauer Jaacks hat alle juristischen Mittel ausgeschöpft

Ein erster Termin für eine Zwangsräumung musste im vergangenen Frühjahr abgebrochen werden, weil es Unklarheiten über die Anteile der Eheleute an dem gemeinsamen Besitz gab. Jetzt hatten die Eigentümer einen weiteren Titel gegen Swantje Jaacks vor Gericht erwirkt.

Vor einigen Wochen wurde zudem bekannt, dass der Versuch, eine Baugenehmigung für einen neuen Hof in der Region zu bekommen, gescheitert war. Offenbar sah die Landwirtsfamilie jetzt keinen Spielraum mehr.

Gerichtsvollzieher bringt Polizeibeamte und Schlüsseldienst mit

An diesem Montag geht alles ganz schnell. Nachdem die Konfliktparteien mit ihren Rechtsanwälten im Wohnhaus verschwunden waren, dauert es gerade mal 15 Minuten, bis die Übergabeformalien abgewickelt sind. Schlösser müssen nicht ausgetauscht werden. „Wir sind durch“, sagte Hauke Jaacks, als er das Hofgelände mit seiner Frau verlässt. „Dann machen wir uns mal vom Acker.“

Der Landwirt macht einen gefassten Eindruck, als er wenig später wegfährt. Ein Interview lehnt er ab. Nach Abendblatt-Informationen sind die Tiere bei anderen Betrieben untergebracht. Die Familie ist in einer Wohnung in der Region untergekommen.

Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte bei einer Zwangsräumung auf dem Moorhof in Rissen.
Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte bei einer Zwangsräumung auf dem Moorhof in Rissen. © Roland Magunia

Während der Gerichtsvollzieher und Eigentümer Breuer eine Hofbegehung machen, verlassen auch ein Gerichtsmitarbeiter, der mit Schutzweste erschienen war, der Schlüsseldienst sowie die Polizisten den Schauplatz der Zwangsräumung. „Wir waren nicht erforderlich. So soll es sein“, sagte einer der Beamten.

Gerichtssprecher Kai Wantzen erklärte am Nachmittag auf Abendblatt-Anfrage: „Der heutige Räumungstermin ist problemlos verlaufen.“ Formal bedeutet das: Der Gerichtsvollzieher hat die Schuldner vor Ort außer Besitz gesetzt und die Gläubiger in den Besitz eingewiesen. „Der Vollstreckungsauftrag ist für den Gerichtsvollzieher damit abgeschlossen“, so Wantzen.

Moorhof Rissen: Es geht auch um den Umgang mit Agrarland

Der Kampf um den Moorhof hat in den vergangenen Jahren für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Auch weil es bei der Sache um Grundsätzliches geht: den Umgang mit Agrarland. Milchbauer Jaacks hatte in der Vergangenheit schwere Vorwürfe gegen die Stadt Hamburg erhoben, weil die Pläne für den Reiterhof aus seiner Sicht nicht den Kriterien landwirtschaftlicher Nutzung entsprechen. Aber die Richter lehnten seine Klagen ab.

Auch eine breite öffentliche Unterstützung unter anderem mit einer Online-Petition für den Erhalt des Moorhofs, die mehr als 180.000 Menschen bundesweit unterschrieben haben, blieb ohne konkrete Auswirkungen.

Moorhof-Eigentümer: „Alle haben verloren“

Auch für die Eigentümer des Moorhofs bricht an diesem Montag eine neue Zeitrechnung an. „Es ist nicht so, dass wir uns jetzt riesig freuen. Alle haben verloren“, sagt Lars Breuer. Er sei erleichtert, „dass dieser Schritt hinter uns liegt“.

Noch in der vergangenen Woche hatte Bauer Jaacks einen dramatischen Hilferuf bei Facebook gepostet, in dem er nach einem neuen Stall für seine 120 Milchkühe suchte. Parallel gab es Gespräche mit den Eigentümern über eine Fristverlängerung, weil mehrere Kühe kurz vor dem Kalben standen. Dann war in der Nacht zum Sonntag überraschend ein weiterer Post aufgetaucht, in dem der Auszug der Bauernfamilie vermeldet wurde.

Zwangsräumung: Eigentümer plant Umzug auf den Moorhof

Die Breuers wollen nun so schnell wie möglich loslegen. Der Antrag für den Umbau des Betriebs zu einem Pferdehof ist seit Herbst 2022 eingereicht. Das Verfahren laufe, inzwischen sei auch ein Verkehrskonzept angefordert und nachgereicht worden. „Realistisch wird es aber frühestens Ende des Jahres eine Entscheidung geben“, sagt der Hofbesitzer.

Wegen der zweijährigen Verzögerung der Räumung machen die Breuers zudem Schadenersatzforderungen in sechsstelliger Höhe geltend, unter anderem weil ihnen Einnahmen durch die Vermietung ihres Rissener Wohnhauses verloren gegangen sind.

In den nächsten Tagen soll jetzt das Grundstück erst mal gesichert und dann die Bausubstanz untersucht werden. Der Sanierungsbedarf ist erheblich. „Aber wir wollen im nächsten Jahr einziehen und Teile des Umbaus starten“, sagt Lars Breuer – und schließt zum ersten Mal die Haustür auf seinem Moorhof ab.