Hamburg. Es gibt ein neues Buch über den Mann, von dem man dachte, man wüsste schon alles über ihn. Weit gefehlt!
Einen wegweisenden Schlüsselmoment seines beruflichen Werdegangs erlebt Eugen Block 1972, fast auf den Tag vor einem halben Jahrhundert. Im just eröffneten Block House in Wandsbek ist an diesem Sonntag jeder Platz besetzt. Der Betrieb brummt. Die Salatsauce wird von Hand zubereitet. Um für das Abendgeschäft gewappnet zu sein, rühren Mitarbeiter nachmittags einen Vorrat an. Allerdings können die Köche nicht mit einem so enormen Andrang rechnen.
Sie haben sich verschätzt. In der Not und im Stress handelt der Küchenchef kurzentschlossen: Er hält den Eimer mit der Salatsauce unter den Wasserhahn – um sie zu verlängern. Besser dünn als den Gast nicht bedienen zu können, denkt er sich.
Block House Hamburg: „Ab jetzt machen wir das anders"
Just in diesem Moment kommt Eugen Block um die Ecke. Seinen Augen traut der Chef kaum. Mehrfach beobachtet er solche Improvisationskünste, dann steht fest: „Ab jetzt machen wir das anders. Zentral.“ Gesagt, getan. In der Block-Fleischerei in Barmbek werden von 1973 an die Salatsaucen für die Block-Restaurants hergestellt. Kurz darauf folgen Gulaschsuppen. Diese werden in Portionen von rund 100 Litern gekocht und in Portionsbeutel vakuumverpackt. Schmeckt wie frisch zubereitet. Hält sich prima. Gut zwei Wochen.
Erinnerungen wie diese, Lehren und Schlussfolgerungen, hielt Block hand-schriftlich fest. In der Regel hatte er einen Zollstock am Mann, Kugelschreiber und einen kleinen Notizblock. Eindrücke, Merksätze und spontane Ideen schrieb er auf karierte DIN-A4-Blätter. Jahrzehntelang. Daraus ergab sich eine Sammlung einmaliger Art, abgeheftet in fünf Leitz-Ordnern. Tausende von Seiten. Kleine Gedanken, große Gedanken. Und fachliche Geheimnisse. Beispiele sind eine ausgeklügelte Zeitsteuerung in der Gastronomie und Skizzen über die Einrichtung erfolgreicher Restaurants. Früh hatte Block im Kopf, was er Schritt um Schritt realisierte.
Christian Lindner ein oft gesehener Gast
Mit nunmehr 82 Jahren entschloss sich der Gründer, das Konzentrat seiner Erkenntnisse weiterzugeben. Als Ergänzung beantworteten 15 Persönlichkeiten einen Fragebogen zu ihren Eindrücken und Erfahrungen mit der Block Gruppe. Dabei sind Finanzminister Christian Lindner (FDP), für den Besuche in einem Block House lieb gewonnene Tradition sind, Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), seine Stellvertreterin Katharina Fegebank (Grüne) und der langjährige Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Ein halbes Jahr vor seinem Tod machte auch Uwe Seeler mit. Wladimir Klitschko verfasste seine Anmerkungen vor dem Krieg gegen die Ukraine. Zu den Mitwirkenden zählen zudem Fernsehköche wie Cornelia Poletto, Johann Lafer, Horst Lichter sowie Christian Rach.
Der Gedanke einer Gastronomie mit System kam Eugen Block bereits während seiner Ausbildungszeit. Beim Besuch des angehenden Hotelfachschülers in einem Sternerestaurant bei Heidelberg sah der junge Norddeutsche, dass auf dem Herd mehrere Töpfe mit verschiedenen Saucen köchelten. Das könne man wirtschaftlicher angehen, ohne Qualitätseinbußen durch Reduktion. Meinte er schon damals. Die anderen lächelten.
Block House: Unternehmen mit 18 Firmen
Da in den 1970er-Jahren ein Block House nach dem anderen an den Start geht, war eine zentrale Herstellung von Salatsaucen, Suppen, Gemüse oder roter Grütze ebenso logisch wie zweckmäßig. Das Prinzip dahinter ist in seiner Firma nach wie vor lebendig: „Wir wollen und können die Küchenchefs mit Produkten der Block Menü in ihrer täglichen Arbeit unterstützen und in der täglichen Routine Freiraum für eigene Kochentfaltung schaffen.“
Daraus hat sich eine Menge entwickelt. Seit der Block-House-Premiere 1968 an der Dorotheenstraße in Winterhude formte Eugen Block ein Unternehmen mit 18 Firmen und aktuell 2500 Mitarbeitern. 2019, vor Corona, wurde ein Umsatz von 410 Millionen Euro erwirtschaftet. Wenn alles gut läuft, soll 2023 Steakhaus Nummer 47 den Grill anschmeißen. Standort des jüngsten Restaurantnachwuchses ist das Deutschland-Haus, das am Gänsemarkt neu gebaut wird.
Block Menü wurde zu norddeutscher Erfolgsgeschichte
Nicht weit entfernt, in Winterhude, hat Eugen Block 55 Jahre zuvor den Grundstein seiner Unternehmensgruppe gelegt. Mit einer Vision, Mumm, einem Kredit und seiner heutigen Ehefrau Christa an der Seite formte er aus einer abgewirtschafteten Eckkneipe den Prototyp des Block House. Schlaflose Nächte gab es oft – bis das Schlüsselerlebnis mit der durch Wasser gestreckten Salatsauce im Betrieb Wandsbek dem Unternehmen neben den boomenden Restaurants und der Fleischerei ein drittes Standbein bescherte.
Wurde in der Startphase ausschließlich für eigene Häuser und später fürs eigene Elysée-Hotel gekocht, folgten nach und nach die fremde Hotellerie, Systemgastronomie sowie klassische, gutbürgerliche Restaurants. Die Tochterfirma Block Menü entwickelt sich zu einer norddeutschen Erfolgsgeschichte. Eugen Blocks Credo: „Bei Block Menü wird wie bei Muttern zu Hause gekocht; allerdings sind unsere Töpfe und Pfannen ein bisschen größer.“
34 Millionen Portionen sind vakuumverpackt
Diese Kochtöpfe, Kessel und Großpfannen befinden sich in Mecklenburg. 1993, nach Deutschlands Einheit, wurde der Kauf eines 20.000 Quadratmeter großen Grundstücks am Schaalsee beurkundet. Zwei Jahre darauf begann auf einer Fläche von 3600 Quadratmetern die Produktion hausgemachter Speisen. Zug um Zug ging es voran. Umbauten, Erweiterungen und neue Lager standen im Einklang zu wachsenden Umsatzzahlen. Nahezu alle der aktuell jährlich mehr als 34 Millionen Portionen der Tochtergesellschaft Block Menü sind vakuumverpackt: 70 Prozent frisch, 30 Prozent tiefgefroren. Momentan erwirtschaftet der Betrieb in Zarrentin auf 7500 Quadratmetern im Jahr rund 50 Millionen Euro.
Werktag für Werktag werden 34 Tonnen hergestellt und ausgeliefert. Im Jahr ergeben sich 8500 Tonnen. Insgesamt umfasst das Lieferprogramm im Jahr 2022 rund 500 Artikel. Bestseller der Tochterfirma Block Menü sind 2,5 Millionen Portionen Sour Creme im Jahr, die der Verbraucher auch im Supermarkt kaufen kann. Binnen zwölf Monaten werden vor Ort 300 Tonnen Spinat verarbeitet, der in zwei Millionen Portionen abgefüllt wird. Von Hand.
Eugen Block war seiner Zeit voraus
Aus Blocks Geistesblitz vor einem halben Jahrhundert entstand eine Unternehmung mit zuverlässig steigenden Zahlen. Oft wissen die Gäste in Restaurants und Hotels gar nicht, dass die Gerichte oder Komponenten wie dreierlei Bohnen, Blattspinat oder Saucen davon aus dem Hause Block stammen. „Früher haben die Leute geschmunzelt, als Eugen Block ein System in der Küche einführte“, sagt Tim Mälzer. „Heutzutage lächelt niemand mehr. Weil Herr Block seiner Zeit voraus war.“
Bei Produkten von Block Menü handele es sich nach Tim Mälzers Auffassung um die „Kunst, vorgefertigte, hochwertige Waren zu veredeln“. Eugen Block habe diesen Trend früh kommen sehen. Heute würde sich praktisch jedes Spitzenrestaurant einer solchen kulinarischen Unterstützung bedienen. Zum Beispiel durch Fonds, Gemüsekreationen oder Dressings. Wer Saucen in größeren Mengen zubereite, verfahre nicht anders als ein einzelner Koch in seinem Küchenreich.
Vorbild ist der Meisterkoch Auguste Escoffier
Anlass dieser Worte war ein Expertengespräch im Block House der ersten Stunde. Neben Mälzer, Eugen Block und Stephan von Bülow, Vorsitzender der Geschäftsführung der Block Gruppe, saßen Ingo C. Peters, Direktor des Hotels Vier Jahreszeiten sowie Heinz Otto Wehmann (Landhaus Scherrer) am Tisch. Beim Erfahrungsaustausch ging es auch um die derzeit angesagte Frage: Wie kommen Gastronomie und Hotellerie durch die Krise? Stichworte: Preisanstieg, Energiekosten, Personalmangel. Eugen Block sagte, aus seinem Blick-winkel wenig erstaunlich, dass der Systemgastronomie und der Garniturküche die Zukunft gehörten.
Als sein Vorbild zeitgemäßer Kochkunst nennt der 82-jährige Block den französischen Meisterkoch Auguste Escoffier. Der 1846 geborene Visionär erlangte durch seine nach wie vor gültigen Prinzipien klarer, einfacher, leckerer Gerichte Weltruhm. Auf Hamburgisch formuliert: schmackhafte, solide Küche ohne Tüdelüt. Escoffiers Grundsätze sollen Blocks Firma als Leitmotiv dienen. „Rouladen mit reeller Soße werden bei uns nach Großmutters Art gekocht“, sagt der Unternehmensgründer.
Ein ganzes Team feilt an den Rezepten
Eine ausgefeilte Falt- und Wickeltechnik ermöglicht eine Zubereitung ohne Spieß. In der Großküche in Zarrentin werden pro Woche zweimal zwischen 1300 und 1500 Rouladen nach traditioneller Art gekocht. Mit Fleisch aus dem eigenen Hause und ausschließlich frischen Zutaten. Wer in Gaststätten oder Hotelküchen zum Beispiel Rouladen mit Rotkohl und Kartoffelstampf isst, hat nicht selten Speisen der Marke Block auf dem Teller. Nicht jeder Wirt verrät dieses kleine Geheimnis. Wie sonst kann er ohne große Küchenbrigade mehrere frische Gerichte auf der Karte anbieten?
An den Rezepten feilt ein Team experimentierfreudiger Köche. Zur Ideenküche à la Block gehört die „Chef Akademie“ am Schaalsee. Leiter Tobias Arnold verfügt über langjährige Erfahrung in der Sterneküche. Als Küchenchef im Restaurant des Fünfsternehotels Louis C. Jacob an der Elbchaussee perfektionierte der 41-Jährige sein Talent.
Eugen Block plädiert für Qualität
Damals wie heute plädiert Eugen Block für eine Speisekarte mit Markenartikeln, für Qualität statt Verwirrung am Gast. Außerdem für eine lebendige Nähe, keinesfalls um „steriles, vornehmes Getue“. Mehr denn je gehe es zukünftig um Tempo der Zubereitung, eine Optimierung des Angebots, einen geringeren Personalaufwand, um mehr Geschmack, weniger Reklamationen, Entlastung des Küchenmanagements, um sauberere Küchen. Wichtig seiner Meinung nach: eine gleichmäßige, verlässliche Qualität sowie ein aus Kundensicht anständiges Preis-/Leistungsverhältnis. Der Gast wolle nicht lange auf die bestellten Speisen warten und brauche „keine Pomade drum herum“.
- Block House darf nun Corona-Tests für Gäste anbieten
- Block House – warum jetzt die zweite Preiserhöhung folgt
- Eugen Block – warum sein neues Hotel so viel Verspätung hat
Auch privat hat der Firmengründer das Feld bestellt. Um einen nicht nur juristisch komplizierten, in Jahren gereiften Sachverhalt auf den Punkt zu bringen: Die drei Kinder, Christina, Dirk und Philipp, übernehmen die Firma zu je einem Drittel. Die Versammlung der drei Gesellschafter entscheidet mit Zweidrittelmehrheit.
Block House Hamburg: Eugen Block "bleibt immer Lehrling"
Parallel existiert, wie bisher, neben der aktuell von Stephan von Bülow dirigierten Geschäftsführung ein Aufsichtsrat der Holding. Dessen Vorsitz, so sieht es der langfristige Plan vor, soll in ein paar Jahren von Bülow übernehmen. Bis dahin soll der 65-Jährige weiter an der Unternehmensspitze wirken.
Eine Zwischenbilanz seines Erfahrungsschatzes zieht Eugen Block so: „Heute weiß ich: Ich bleibe immer ein Lehrling.“